Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Persönlicher Blick auf das Leben in der Region
Ausstellung zum 50-jährigen Bestehen des Landkreises im Leutkircher Rathaus
- „Man lebt in BadenWürttemberg kaum irgendwo besser als in diesem gottesgesegneten Landstrich.“Leutkirchs Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle ist sich sicher: Das Allgäu kann sich sehen lassen. Nicht nur die hohe Qualität von Lebensmitteln wie Käse, Brot, Bier oder Fleisch, auch die Schönheit der Landschaft und die gute Verkehrsanbindung tragen dazu bei, „dass man sich im Allgäu wohlfühlen“könne.
„Hier leben“– lautet denn auch der Titel der Wanderausstellung, die vor wenigen Tagen im Schwörsaal des Leutkircher Rathauses zum 50-jährigen Bestehen des Landkreises Ravensburg feierlich eröffnet wurde. OB Henle dankte Max Eiden, Leiter des Kultur- und Archivamts beim Landkreis Ravensburg, für die Ausrichtung dieses gelungenen Projekts. Musikalisch umrahmt wurde der Festakt von Gitarrist Jakob Veser, Instrumentallehrer an der Jugendmusikschule Württembergisches Allgäu.
In ihrem Begrüßungswort dankte Anja Kahle, Kulturdezernentin des Landkreises Ravensburg, der Stadt Leutkirch, dass die Räume des historischen Rathauses für diese Ausstellung zur Verfügung stehen. Sie verwies auf den Flyer, der sämtliche Termine der Wanderausstellung enthalte und machte auf Highlights der Festlichkeiten wie die Jubiläumsradtour oder das Landkreisfestival vom 16. bis 17.September im Bauernhaus-Museum Wolfegg aufmerksam.
Die Konzeption der Ausstellung entspringe einer „einfachen Grundidee, erklärte Eiden, der die Schau zusammen mit der wissenschaftlichen Volontärin Jördis Anna Böhm kuratierte. „Die Gemeinde- und Kreisreform vor 50 Jahren bot den Anlass, um zu fragen: „Wie ist es, hier zu leben?“und „Was hat sich hier verändert?“Es sollten nicht nur Dokumente, Infotafeln und Karten zur Geschichte des Landkreises beziehungsweise zu den Themen „Arbeit, Verkehr, Gesundheit, Landwirtschaft, Landschaft, Geschichte, Leben, Bildung und Politik“gezeigt werden, sondern die Bewohner persönlich zu Wort kommen.
Nach der Forschungsmethode der „Oral History“, der erzählten Geschichte, führten Eiden und Jördis Anna Böhm mit insgesamt 15 Bürgern aus dem ganzen Landkreis Gespräche, die jeweils „von 47 Minuten bis zu zwei Stunden dauerten“. Aus 35 Stunden wurden schließlich 1,5 Stunden Material: Die Kurzvideos, die das Herzstück der Ausstellung bilden, kann der Ausstellungsbesucher
entweder über das eigene Smartphone oder auf zwei Hochformat-Bildschirmen abrufen.
Die Gesprächspartner stammen bewusst aus verschiedenen Berufen, Altersgruppen und Wohnorten. Einer der Befragten ist Lehrer in Altshausen, eine andere Bestatterin in Bad Wurzach. Ein Schüler im Jugendgemeinderat Weingarten kommt ebenso zu Wort wie eine Hebamme in Kisslegg. Die Interviewpartnerin
aus Leutkirch konnte der Kurator am Abend im Schwörsaal persönlich begrüßen: Die selbstständige Bäckermeisterin Claudia Lichtensteiger berichtet in ihrem Video von ihren Erfahrungen im Bäckerhandwerk, gerade auch als Frau, und wie sie das Leben im Allgäu persönlich wahrnimmt.
Ein Kurzfilm, der Ausschnitte aus den einzelnen Interviews enthält und bei der Ausstellungseröffnung gezeigt wurde, vermittelt
sehr persönliche Einblicke in das Lebensgefühl der Landkreisbewohner: „Hier kennt man sich, man ist schon zusammen zur Schule gegangen.“– „Mir sind halt schaffig und umtriebig“– „Man trifft seine Freunde, wenn man ein Bier trinkt, das ist das Wichtigste.“– „Ich fahre morgens im Bus über Land und bin einfach dankbar für den herrlichen Sonnenaufgang“– „Die Schließung des Waldseer Krankenhauses finde ich ganz schrecklich“– „Ich mache
mir Sorgen, dass meine Kinder diesem Rassismus ausgesetzt sind.“– „Es wird immer mehr zugebaut.“
Die Ausstellung im ersten Obergeschoss des Historischen Rathauses Leutkirch ist noch bis Mittwoch, 14. Juni, zu sehen. Sie kann zu den Öffnungszeiten des Rathauses, montags bis freitags von 8 bis 12 Uhr, donnerstags von 14 Uhr bis 17.30 Uhr, besichtigt werden oder nach Termin. Führungen für Schulklassen sind auf Wunsch möglich.