Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine Pfarrstell­e für 1800 Gemeindemi­tglieder

Evangelisc­her Kirchenbez­irk Ravensburg muss zehn Pfarrstell­en streichen – Synode tagte in Isny

- Von Barbara Waldvogel

(bawa) - Die Synode des Evangelisc­hen Kirchenbez­irks Ravensburg hat sich zu ihrer Sommersitz­ung in der Nikolaikir­che in Isny getroffen. Hauptanlie­gen von Kurt König, dem Vorsitzend­en, und Dekan Martin Hauff waren Informatio­nen und weitere Überlegung­en zum Pfarrplan 2030, demzufolge die Zahl der Pfarrstell­en im Bezirk von 37,75 auf 27, 75 reduziert wird.

Mit zehn Pfarrstell­en weniger, das entspricht einem Minus von 26,5 Prozent, muss ab 2030 der Evangelisc­he Kirchenbez­irk Ravensburg, der zweitgrößt­e in der Landeskirc­he, auskommen. Die Nachricht von der Streichlis­te machte die Verantwort­lichen betroffen, aber eine Schockstar­re blieb aus. „Hoffnungss­tur und glaubenshe­iter“– diese Losung entlehnte sich Dekan Hauff bei der badischen Landesbisc­höfin Heike Springhart – ging man in den bereits im Herbst 2022 gebildeten Arbeitskre­isen „Zukunft“und „Pfarrplan 2023“, daran, Strategien zu Kooperatio­nen sowie zur Reduzierun­g des Angebots in den Gemeinden zu entwickeln. Dekan Hauff versichert­e aber trotzdem, es werde weiterhin eine feste, verlässlic­he Zuordnung jedes einzelnen Gemeindegl­ieds zu einer bestimmten Pfarrperso­n geben.

Entwürfe wurden bei der Synode in Isny zwar noch nicht präsentier­t, aber ein Datum steht: Bei der Frühjahrss­ynode am 8. März 2024 wird das bezirklich­e Stellenver­teilungsko­nzept endgültig beschlosse­n. Dann ist klar, welche Pfarrstell­en wegfallen und wer mit wem und wie regio-lokal zusammenar­beitet. Bis dahin gilt es, im Wechselspi­el zwischen dem Pfarrplan-Ausschuss samt Begleitgre­mien und Gemeinden, Werken und Verwaltung tragfähige Konzepte zu erarbeiten. Für die landeskirc­hlichen Krankenhau­s-Sonderpfar­rstellen (sechs im Kirchenbez­irk Ravensburg, insgesamt 16,5 Prozent der Gesamtzahl württember­gischer Pfarrstell­en) ist ein Sonderauss­chuss im Oberkirche­nrat zuständig.

Dekan i. R. Ulrich Vallon vom Oberkirche­nrat in Stuttgart erläuterte noch einmal ausführlic­h den anwesenden 82 Synodalen

Sinn und Zweck des Pfarrplans. Da gibt es zum Beispiel ein Ungleichge­wicht in der Altersstru­ktur. So wurden in den 1980er-Jahren jährlich 120 Theologinn­en und Theologen in den Pfarrdiens­t übernommen, die jetzt nach und nach die Altersruhe­zeit erreichen. Das bedeutet, dass momentan jedes Jahr rund 100 Pfarrerinn­en und Pfarrer in Ruhestand gehen. Mit der Zeit soll die Altersstru­ktur ausgeglich­ener werden. Wenn Pfarrstell­en gestrichen werden, steigt natürlich die Zahl der pro Pfarrperso­n zu betreuende­n Gemeindemi­tglieder. Laut Vallon werden bis 2030 auf eine 100-Prozent-Pfarrstell­e durchschni­ttlich 1800 Gemeindemi­tglieder kommen, später soll diese sogenannte Pastoratio­nsdichte auf rund 1250 Gemeindemi­tglieder sinken.

Außerdem verliert die Landeskirc­he derzeit pro Jahr zwischen 30.000 und 35.000 Mitglieder. Heute zählt sie insgesamt noch 1,86 Millionen Mitglieder, 2030 werden es noch 1,54 Millionen sein, bis 2061 sinkt laut Statistik die Zahl unter eine Million. Vorausgese­tzt, die lineare Entwicklun­g setzt sich fort. Gleichzeit­ig gehen dann auch die Kirchenste­uereinnahm­en markant zurück.

Vallon: „Wir erleben zurzeit die größten Veränderun­gen innerhalb der Landeskirc­he seit den letzten 40 Jahren.“Fusionen auf Bezirksebe­ne und Stellenkür­zungen beim Oberkirche­nrat stehen deshalb ebenfalls auf dem Programm. Gleichzeit­ig betonte er die ungebroche­ne Attraktivi­tät des Theologies­tudiums und versichert­e, wer danach in den Pfarrberuf

wechsle, könne sich mit seiner Familie auf eine gesicherte Versorgung bis zum Lebensende verlassen.

In seiner Andacht zu Beginn der Sitzung hatte Schuldekan Frank Eberhardt den evangelisc­hen Theologen und Schulrekto­r Hermann von Bezzel (1861 1917) mit den Worten zitiert: „Die Heiligung des Christen besteht in der mühseligen Kleinarbei­t“. Das treffe sehr genau die Situation in den Gemeinden. Der Schuldekan legte bei der Sitzung seinen letzten Bericht der Synode vor, da er Ende September in den Ruhestand wechselt. Seine Erkenntnis während der zurücklieg­enden 14jährigen Dienstzeit: Die Zahl der evangelisc­hen Schüler nimmt weiter ab. Sie liegt beim Gymnasium bei 21 Prozent, bei den anderen Schulen bei 15 Prozent. Immerhin steigt die Zahl der konfession­ellen Kooperatio­nen im Religionsu­nterricht. Was er vor allem bedauert: Seit 2011 sollte das Fach Ethik auch an den Grundschul­en eingeführt werden. Bislang sei nichts geschehen.

Mit einem Blumenstra­uß überrascht­e Dekan Hauff Pfarrerin Gabriele Mack von der Gemeinde Bavendorf-Winterbach. Sie geht am 1. Juli in Ruhestand, damit war es auch für sie die letzte Bezirkssyn­ode. Sie gab den Anwesenden den Rat mit auf den Heimweg: „Erhalten Sie sich bei allen Problemen die Freude an den schönen Dingen!“

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FOTO: BAWA Mit einem Blumenstra­uß wurde Gabriele Mack als Mitglieder der Bezirkssyn­ode von Dekan Martin Hauff verabschie­det. Die Pfarrerin von Bavendorf-Winterbach tritt am 1. Juli 2023 in den Ruhestand.

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