Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
65 Jahre fest im Sattel
Ehrung für den Berger Blutreiter Otto Moosmann – Wofür er beim Blutritt betet
(weg) - „ Aufgeregt?“– Otto Moosmann zuckt mit den Schultern. Eigentlich nicht, denn „es ist ja eigentlich immer dasselbe“, nämlich, dass er am Tag nach Christi Himmelfahrt in der Früh aufs Pferd steigt und mit der Blutreitergruppe Berg vom Teilort Kasernen aus zum Aufstellplatz des Blutritts nach Weingarten reitet. In diesem Jahr, wie auch im „Festgruß“zum Blutfreitag 2023 erwähnt, zum 65. Mal. Und diesmal mit der Ehrenplakette an der Brust, wie sie nur ganz selten vergeben wird; heuer zwei Mal.
Offizielle Gründung der Berger Blutreitergruppe war vor 75 Jahren. Otto Moosmann war neun Jahre alt, als er dazustieß: „Nach der Erstkommunion , als Ministrant“, wie er sich erinnert. Ihm das Reiten beigebracht und für ein Pferd gesorgt, hatte ihm der erste Berger Gruppenführer Anton Fischer. Wofür Moosmann bis heute dankbar ist, denn im Unterschied zu den andern der Berger Blutreiter war er nicht auf einem Hof mit Pferden, sondern in einem Handwerkerhaushalt aufgewachsen.
Und so keimte bald in dem Jungen der Wunsch, einmal sein eigenes Pferd zu haben – für Freizeitsport, aber vor allem auch für den Blutritt. „Denn dort dabei zu sein, ist ein ganz eigenes Gefühl – da ganget die Uhra oinfach anders“, sagt Otto Moosmann. In diesem Jahr auch deshalb, weil
sich die erste Hälfte der Gruppen im Klosterhof versammelt, die große Glocke läutet und der Blutreiter den Segen spendet, ehe sich die Prozession in Bewegung setzt; und Berg ist in diesem Jahr als 18.Teilnehmergruppe dabei.
Was dann folgt, nennt Otto Moosmann „beeindruckend, gar überwältigend“welche Anziehung
die Reiterprozession ausübt. „Die Musikkapellen und die vielen Leut’ am Straßenrand bedeuten Ausnahmesituation, Anspannung und volle Konzentration für Ross und Reiter.“Was bei Moosmann alle Jahre wieder Staunen und Dankbarkeit hervorruft „wenn dann alles wieder gut ging“. Könnte man den Ritt durch die Stadt als Art Glaubensdemonstration bezeichnen, so ändern sich Bild und Stimmung draußen in den Fluren. „Auf dem Weg durch den Ösch wird Rosenkranz gebetet, mindestens ein Psalter“, so der Berger Gruppenführer Alois Sauter. Otto Moosmann packt in sein Gebet all das hinein, was ihn in seinem Leben in guten wie in harten Tagen bewegte, er erbittet den Segen für die derzeit kriegsbedrohte Welt, seine Gemeinde und ganz besonders seine Familie.
„Da geht einem viel durch den Kopf “, sagt er. Auch dass er im Alter von fast 77 Jahren noch Blutreiter sein kann. Und wenn Gesundheit und Pferd mitspielen. Seinen Jugendtraum „vom eigenen Gaul“hat sich Otto Moosmann bald erfüllen können, 14 Jahre lang hat ihn zuletzt die Stute Eldorada in seiner Freizeit wie auf Reiterwallfahrten begleitet, bis sie vor zwei Jahren starb. Was zuerst wie „Ende mit Blutfreitag“aussah, wendete sich zum Guten, weil sein Freund ihm ein Pferd aus seinem Stall überlässt – ein Tier, das Otto kennt und das ihn kennt.
Und so reiten die beiden Freunde am Blutfreitag 2023 zu Ehren des Heiligen Blutes gemeinsam durch Weingarten und dessen Fluren. Mit unter den Reitern auch ihre Söhne, Robert (30 Jahre Blutreiter) , Klaus (40 Jahre) und Benjamin (25 Jahre).