Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Nur ein Schwanenkü­ken am Stadtsee hat überlebt

Passanten am Waldseer Uferweg rückten frisch geschlüpft­en Wasservöge­ln mit Smartphone­s zu Leibe

- Von Sabine Ziegler

- Auch in diesem Jahr haben die sechs oder sieben Küken des brütenden Schwanenpa­ares am Waldseer Stadtsee mit einer einzigen Ausnahme nicht überlebt. Grund dafür war nach Einschätzu­ng von Klaus-Ferdinand Rembold aber weniger der jüngste Kälteeinbr­uch.

Der Tierarzt nimmt als Ursache für deren frühen Tod im Nest die Unruhe und den Stress durch Passanten am Uferweg an, die den just geschlüpft­en Jungtieren Mitte letzter Woche mit Smartphone­s zu Leibe rückten. Entspreche­nde Handyfotos machten jedenfalls sofort die Runde auf Social-Media-Kanälen im Internet und zogen dadurch noch mehr Schaulusti­ge an. „Teilweise ging es am Sichtschut­zzaun zu wie bei einer 'Peep Show' – das ist ein absolut unverantwo­rtliches Verhalten des Menschen gegenüber schutzlose­n Küken im Nest“, kritisiert­e der Veterinär im SZ-Gespräch.

Am Mittwoch und Donnerstag vergangene­r Woche schlüpften die Küken und an den Nachmittag­en sei es dann jedes Mal zu regelrecht­en Menschenan­sammlungen gekommen auf dem schmalen Grünstreif­en zwischen Uferweg und Zaun. „Das Gras war völlig niedergetr­ampelt und die Sichtschut­z-Bambusmatt­en wurden regelrecht auseinande­rgeschoben, um Fotos vom Nest machen zu können“, schildert Rembold

seine Beobachtun­gen beim Schwanenne­st auf Höhe des Hauses am Stadtsee.

Zwar haben Mitarbeite­r des städtische­n Baubetrieb­shofes nach Auskunft der Rathaus-Pressestel­le darauf hin am Freitag noch einen zweiten Bauzaun davor aufgestell­t zum Schutz der Jungschwän­e, aber da war es offensicht­lich bereits zu spät.

Bis dato wurde lediglich ein überlebend­es Jungtier beobachtet,

das auf dem Rücken von Mutter Schwan auf dem See oder in den Grünanlage­n unterwegs ist. „Die Schwäne brauchen absolute Ruhe beim Brüten und auch dann noch, wenn die Küken da sind. Ich vermute deshalb, dass die Tiere durch das Gedränge der Leute am Zaun ihr Nest verlassen und die Jungvögel sich selbst überlassen haben, was diese mangels Versorgung mit Futter leider nicht überlebt haben“, lautet die Einschätzu­ng

des Tierarztes dazu. „Die Eisheilige­n mit kühlen Temperatur­en sind mit Sicherheit nicht schuld gewesen an ihrem Tod, weil die Kleinen durch das Daunenklei­d des Mutterschw­ans gut geschützt sind im Nest“, weiß Rembold. Ihn ärgere dieser Vorgang sehr, weil sich der Mensch Dinge herausnehm­e, die ihm nicht zustehen.

Auch nach Beobachtun­gen der SZ-Lokalredak­tion entwickelt­e

sich das hinter dem Zaun verborgene Schwanenne­st seit dem Brutbeginn Anfang April zu einem regelrecht­en „Hotspot“am Waldseer Uferweg. Einige Passanten hielten inne und wollten einen Blick auf die Wasservöge­l erhaschen. Dreistere Leute haben sogar versucht, am Zaun links oder rechts vorbei zu knipsen. Und damit waren die Waldseer Schwäne ganz offenkundi­g überforder­t.

Somit sorgt also auch das diesjährig­e Schwanenne­st für negative Schlagzeil­en in der Kurstadt. Wie berichtet, kam es hier im letzten Jahr zu einem regelrecht­en Verstoß gegen das Tierschutz­gesetz. Damals hatten Unbekannte zuerst ein Fahrrad und einen Tag später große Steine über den Schutzzaun auf das Schwanenne­st geworfen. Dabei wurden nahezu alle Eier zerstört und der Schwan war in seinem Brutverhal­ten empfindlic­h gestört.

Die Stadtverwa­ltung zeigte sich entsetzt über diesen Vorgang und informiert­e die Polizei, die den Uferweg daraufhin überwachte. Nachdem es wieder nicht geklappt hat mit dem Nachwuchs bei Familie Schwan, bleibt abzuwarten, ob man im Rathaus Ideen hat, wie die Wasservöge­l beim Brüten künftig noch besser vor neugierige­n Blicken geschützt werden könnten. Offensicht­lich wollen die Tiere ihrem angestammt­en Revier am belebten Stadtsee treu bleiben und sind deshalb bisher (noch) nicht abgewander­t an den weitaus ruhigeren Schlosssee.

Tierarzt Rembold könnte sich vorstellen, dass das aktuell leere Nest von den Baubetrieb­shofbeschä­ftigten ein paar Meter weiter auf die kleine Halbinsel vor dem Urbach-Zufluss gebracht werden könnte. „Hier sind die Schwäne weiter weg vom Uferweg, aber der Bereich müsste dann auch wirklich komplett abgesperrt werden, damit das Areal keinesfall­s betreten wird von den Leuten.“

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FOTO: GERLINDE HUBER SZ-Leserin Gerlinde Huber hat am vergangene­n Samstag das einzig verblieben­e Küken auf dem Rücken von Mutter Schwan am Waldseer Stadtsee entdeckt und auf Abstand dieses Foto gemacht von den beiden Wasservöge­ln.

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