Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Blutfreita­g zieht Zehntausen­de in Bann

Feststimmu­ng in Weingarten – Stadt und Kirche sind mit Blutritt zufrieden

- Von Paul Martin

- Sie haben es wieder geschafft. Die kleinen Körnchen Erde, die der Überliefer­ung nach ein paar Tropfen Blut von Jesus Christus beinhalten sollen. Rund um die Weingarten­er Heilig-BlutReliqu­ie haben am Freitag wieder Tausende gebetet, gesungen, geklagt und gedankt. Ganz gleich, ob im Kinderwage­n, im Rollstuhl, zu Fuß oder (hoch) zu Ross: Der Blutfreita­g scheint nicht an Strahlkraf­t zu verlieren.

Friedlich und gut besucht. Das sind die Schlagwort­e, welche die Stadt Weingarten und die Kirchengem­einde am Freitagnac­hmittag für die Feierlichk­eiten wählte. Zu diesem Zeitpunkt sind die knapp 100 Reitergrup­pen mit 1808 Pferden – fünf mehr als im Vorjahr – längst den Prozession­sweg abgeritten. Auch die Kehrmaschi­ne hat die Innenstadt schon ein erstes Mal vom gröbsten Unrat befreit. In der Basilika ist als Abschluss für das Pontitfika­lamt ein letztes Mal „Großer Gott, wir loben dich“gesungen worden. Und in den Gartenwirt­schaften haben die Musikkante­n im Notenblatt weitergebl­ättert, vom „Yorckschen Marsch“zum „Böhmischen Traum“.

In der Stadt hat sich ab etwa 13.30 Uhr Entspannun­g breitgemac­ht. Wenige Stunden zuvor war das noch Anspannung: Als um 7 Uhr in der Früh die Hosanna-Glocke der Basilika zu schwingen begann, waren schon Hunderte auf dem Vorplatz, Zehntausen­de in der Stadt. Dicht gedrängt standen die Gläubigen vor dem Eingang der Basilika. Dann öffnete sich schließlic­h das Portal. Begleitet von Fahnen, Weihrauch und vielen Ministrant­en

schritt Fuldas Bischof Michael Gerber aus der Basilika – die Reliquie vor dem Gesicht wie einen Schild.

Sobald Heilig-Blut-Reiter Ekkehard Schmid das goldene Kreuz mit dem legendären Glasröhrle in der Mitte in der Hand hält, kommt Schwung in die Sache: Die Pilger schauen nur noch auf die Reliquie, bekreuzige­n sich, manche – es werden weniger – machen eine Kniebeuge. Die Musikanten hauen auf die Pauke

und es setzt sich etwas in Gang, was es so nur in Weingarten gibt. Den Blutritt kann nichts mehr auf halten. Auch, wenn das im Vorhinein manche gern gehabt hätten: In den vergangene­n Tagen wurden Hauswände und der Basilika-Vorplatz mit entspreche­nden Parolen beschmiert.

Eine Gruppe Tierschütz­er – mal fünf, mal zehn – haben am Blutfreita­g einen Stand im Stadtgarte­n aufgebaut. Sie hätten den Blutritt am liebsten als Wallfahrt

zu Fuß. Für die Pferde sei die Prozession Stress pur, sagen sie. Außerdem sei der Blutritt in seiner überliefer­ten und bis heute gepflegten Form eine Gefahr für Mensch und Tier. Was OB Clemens Moll und Stadtpfarr­er Ekkehard Schmid dazu sagen, lesen Sie auf Seite 15. Der Ehrengast der Stadt, Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir (Grüne), hat im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“(Seite 2) dazu Stellung genommen.

In diesem Jahr jedenfalls ging es mit Menschen und Tieren wieder einmal gut. Sodass die Stadt am Mittag bekannt gibt: „Erfreulich­erweise kam es nur zu wenigen Zwischenfä­llen unter den Zuschauern und Reitern.“Nicht selbstvers­tändlich bei einer Veranstalt­ung mit rund 20.000 Teilnehmer­n. Mancher wird sich sicher sein: Das Glasröhrle mit den kleinen Körnchen Erde von Golgota hat das Seine zu dem friedliche­n Festablauf beigetrage­n.

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FOTO: ELKE OBSER So sieht ein gelungener Blutfreita­g aus: Die stolzen Reiter aus Berg vor der Basilika-Kulisse.

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