Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Blutfreitag zieht Zehntausende in Bann
Feststimmung in Weingarten – Stadt und Kirche sind mit Blutritt zufrieden
- Sie haben es wieder geschafft. Die kleinen Körnchen Erde, die der Überlieferung nach ein paar Tropfen Blut von Jesus Christus beinhalten sollen. Rund um die Weingartener Heilig-BlutReliquie haben am Freitag wieder Tausende gebetet, gesungen, geklagt und gedankt. Ganz gleich, ob im Kinderwagen, im Rollstuhl, zu Fuß oder (hoch) zu Ross: Der Blutfreitag scheint nicht an Strahlkraft zu verlieren.
Friedlich und gut besucht. Das sind die Schlagworte, welche die Stadt Weingarten und die Kirchengemeinde am Freitagnachmittag für die Feierlichkeiten wählte. Zu diesem Zeitpunkt sind die knapp 100 Reitergruppen mit 1808 Pferden – fünf mehr als im Vorjahr – längst den Prozessionsweg abgeritten. Auch die Kehrmaschine hat die Innenstadt schon ein erstes Mal vom gröbsten Unrat befreit. In der Basilika ist als Abschluss für das Pontitfikalamt ein letztes Mal „Großer Gott, wir loben dich“gesungen worden. Und in den Gartenwirtschaften haben die Musikkanten im Notenblatt weitergeblättert, vom „Yorckschen Marsch“zum „Böhmischen Traum“.
In der Stadt hat sich ab etwa 13.30 Uhr Entspannung breitgemacht. Wenige Stunden zuvor war das noch Anspannung: Als um 7 Uhr in der Früh die Hosanna-Glocke der Basilika zu schwingen begann, waren schon Hunderte auf dem Vorplatz, Zehntausende in der Stadt. Dicht gedrängt standen die Gläubigen vor dem Eingang der Basilika. Dann öffnete sich schließlich das Portal. Begleitet von Fahnen, Weihrauch und vielen Ministranten
schritt Fuldas Bischof Michael Gerber aus der Basilika – die Reliquie vor dem Gesicht wie einen Schild.
Sobald Heilig-Blut-Reiter Ekkehard Schmid das goldene Kreuz mit dem legendären Glasröhrle in der Mitte in der Hand hält, kommt Schwung in die Sache: Die Pilger schauen nur noch auf die Reliquie, bekreuzigen sich, manche – es werden weniger – machen eine Kniebeuge. Die Musikanten hauen auf die Pauke
und es setzt sich etwas in Gang, was es so nur in Weingarten gibt. Den Blutritt kann nichts mehr auf halten. Auch, wenn das im Vorhinein manche gern gehabt hätten: In den vergangenen Tagen wurden Hauswände und der Basilika-Vorplatz mit entsprechenden Parolen beschmiert.
Eine Gruppe Tierschützer – mal fünf, mal zehn – haben am Blutfreitag einen Stand im Stadtgarten aufgebaut. Sie hätten den Blutritt am liebsten als Wallfahrt
zu Fuß. Für die Pferde sei die Prozession Stress pur, sagen sie. Außerdem sei der Blutritt in seiner überlieferten und bis heute gepflegten Form eine Gefahr für Mensch und Tier. Was OB Clemens Moll und Stadtpfarrer Ekkehard Schmid dazu sagen, lesen Sie auf Seite 15. Der Ehrengast der Stadt, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), hat im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“(Seite 2) dazu Stellung genommen.
In diesem Jahr jedenfalls ging es mit Menschen und Tieren wieder einmal gut. Sodass die Stadt am Mittag bekannt gibt: „Erfreulicherweise kam es nur zu wenigen Zwischenfällen unter den Zuschauern und Reitern.“Nicht selbstverständlich bei einer Veranstaltung mit rund 20.000 Teilnehmern. Mancher wird sich sicher sein: Das Glasröhrle mit den kleinen Körnchen Erde von Golgota hat das Seine zu dem friedlichen Festablauf beigetragen.