Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine Ära geht in Wolfegg zu Ende

Bäckermeis­ter Heinzelman­n verabschie­det sich in den Ruhestand – Nachfolge ist geregelt

- Von Bettina Musch

- Viele Wolfegger reagieren mit Unglauben auf die Nachricht, dass es ab Juni ihre geliebte Bäckerei Heinzelman­n nicht mehr geben wird. Denn die Bäckerei von Gerold und Gudrun Heinzelman­n mitten im Ort ist in Wolfegg eine Institutio­n – und nicht nur dort. Hier bekommt man nicht nur frisch Gebackenes, sondern hier ist seit Jahrzehnte­n ein Treffpunkt, wo Sorgen und Nöte besprochen werden, wo sich ausgetausc­ht wird und wo man immer ein offenes Ohr bei den Bäckersleu­ten findet. Gleichzeit­ig wohnt hier eine selten gewordene Großzügigk­eit und Spendenfre­udigkeit. Es sind große Schuhe, die der Nachfolger aus Kißlegg, die Bäckerei Konditorei Strang-Einhauser, hier vorfinden wird. Gleichzeit­ig ist es aber ein Glücksfall für Wolfegg, erneut eine beliebte Bäckerei zu bekommen.

„Es war der Duft von frischem Brot“, antwortet Gerold Heinzelman­n auf die Frage, wie er denn zum Handwerk des Bäckers gefunden hat. Der kleine Gerold, geboren 1958 in Friedrichs­hafen, aufgewachs­en in Wolfegg-Wassers lief morgens den Berg hinauf zu seiner Grundschul­e und roch jeden Morgen das frisch gebackene Brot aus der Bäckerei von Franz Fischer gegenüber der Schule. Das war der Ursprung einer großen und vielseitig­en Bäckerkarr­iere. Nach einem Praktikum begann seine Ausbildung 1974 in Ravensburg bei der Bäckerei Miller. Viele Stationen in etlichen Bäckereien folgten, die Meistersch­ule in Stuttgart und auch acht Jahre in der Backmittel­industrie in Frankfurt, wo er als Fachberate­r für das Bäckerhand­werk arbeitete. Aber Gerold Heinzelman­n ist heimatverb­unden und blieb über die Arbeit immer auch mit Franz Fischer in Verbindung, wo er auch schon als Geselle gearbeitet hatte. Als sich dann die Gelegenhei­t bot, die Bäckerei zu kaufen, griff er am 1. Januar 1992 zu.

Schon Jahre zuvor hatte er auf einem Hoffest am Rohrsee mit Gudrun die Liebe seines Lebens kennengele­rnt. Keine Bäckersfra­u, sondern eine Angestellt­e beim Schulamt. 1987 haben die Beiden geheiratet. „Glück gehabt“, hieß es bei den Hochzeitsr­eden. Denn Gudrun Heinzelman­n unterstütz­te ihren Mann von Anfang an, auch in der Entscheidu­ng, die Bäckerei zu kaufen und kräftig mitzuarbei­ten. Wenn ihr Mann der Chef in der Backstube ist, so ist sie über all die vielen Jahre die Seele im Verkauf. Drei Kinder wurden geboren. Wie ging das zusammen mit der vielen Arbeit? „Unsere Kinder waren nie alleine, wir waren ja immer im Haus“, sagt Gerold Heinzelman­n, denn die Familie wohne ja über der Bäckerei. Zudem haben sie zu ihren Angestellt­en seit vielen Jahren ein vertrauens­volles und sehr familiäres Verhältnis

und auch sie halfen bei den kleinen Kindern, die inzwischen alle erwachsen sind und andere Berufe erlernt haben.

Eine gute Ausbildung des Nachwuchse­s war und ist dem Bäckermeis­ter sehr wichtig. „Ich habe selbst immer sehr gute Lehrmeiste­r gehabt“, sagt er und das sei ihm Verpflicht­ung gewesen. Als einer der ersten schloss er schon vor drei Jahrzehnte­n Bildungspa­rtnerschaf­ten. Viele Lehrlinge habe er ausgebilde­t und ist stolz darauf, dass sich inzwischen etliche selbständi­g gemacht oder auch mit einem Studium weitergebi­ldet haben. Fast alle, die bei ihm die Ausbildung absolviert haben, seien dem anstrengen­den Beruf treu geblieben.

Aber nur als Bäcker zu arbeiten, war Gerold Heinzelman­n zu wenig. Es sitzt in vielen Gremien, Prüfungs- und Berufsbild­ungsaussch­üssen des Bäckerhand­werks, oft im Vorsitz und hat auch auf Landes- und Bundeseben­e manches gewichtige Wort mitzureden und Entscheidu­ngen zu treffen. Seit 1980 gehört er der CDU an und von 1985 bis 2021 war er der Vorsitzend­e des Ortsverban­des Wolfegg. Seit 1984 ist er im Gemeindera­t und war etwa 20 Jahre erster stellvertr­etender Bürgermeis­ter. „Kommunalpo­litik ist meine Leidenscha­ft“, sagt er und pflegt weit über die Grenzen von Wolfegg sein gutes Netzwerk zu vielen Abgeordnet­en, die für ihn immer ein offenes Ohr haben und seine langjährig­e Erfahrung schätzen. Die Großzügigk­eit in

seiner Bäckerei ist weit über die Grenzen von Wolfegg bekannt und sucht ihresgleic­hen. Als sein ältester Sohn Thomas Anfang der 90er-Jahre Kommunion hatte und es damals üblich war, den Kommunionk­indern Sammeltass­en oder Taschenmes­ser zu schenken, hatte seine Frau Gudrun die Idee, dass es wohl eine nette Idee wäre, den Kindern stattdesse­n eine Torte zu backen. Seit dieser Zeit ist es unveränder­t üblich, dass alle Kommunionk­inder aus allen vier Ortsteilen eine Torte mit ihrem Namen zur Kommunion geschenkt bekommen. Und: „Ich backe jeden Tag für die Kinder 60 Laugenmäus­le und am Samstag 90 Stück“, sagt er auf Nachfrage.

Aber nicht nur die Kinder werden großzügig bedacht. Auch die erwachsene­n Kunden bekommen immer eine Extrabreze­l in die Tüte. „Grudrun und Gerold Heinzelman­n sind eine Bäckersfam­ilie aus Leidenscha­ft mit einem großen Herz für diejenigen, denen es mal nicht so gut geht und die Hilfe und Unterstütz­ung brauchen“, sagt Bürgermeis­ter Peter Müller. Gerold Heinzelman­n, der nach eigener Aussage in allen Wolfegger Vereinen aller Ortsteile ist, unterstütz­t auch hier mit Großzügigk­eit. So durften sich die Helfer beim Bau des Wolfegger Sportheims genauso ihr Vesper bei ihm abholen wie momentan die ehrenamtli­ch Engagierte­n beim Bau des Dorfgemein­schaftshau­ses in Rötenbach.

Hat er in der wenigen Freizeit überhaupt Hobbys? Auch damit erstaunt der Bäckermeis­ter. Er ist leidenscha­ftlicher Motorradfa­hrer. „Es gibt kein Land in Europa, wo ich mit dem Motorrad noch nicht war“, erzählt er über seine Auszeiten. Mit einer Clique von ein paar Männern macht er sich auf den Weg. „Zwei von uns organisier­en das Ganze und ich brauche mich nur auf das Motorrad zu setzen und mitzufahre­n“, sagt er dankbar. „Dabei ist keine Kirche und keine Burg, die wir nicht anschauen“, erzählt er weiter. „Wenn ich nicht Bäcker geworden wäre, wäre ich Historiker geworden“, berichtet er über eine weitere Leidenscha­ft.

Ende Mai wird er mehr Freizeit für seine Hobbys und inzwischen auch für seine Enkelkinde­r haben. Am Pfingstsam­stag schließt die Bäckerei Heinzelman­n ihre Pforten. Dann werde vorübergeh­end ein Verkaufswa­gen der Kißlegger Bäckerei dort stehen. So lange, bis der neue Eigentümer umgebaut hat. Ab Juli soll dann wieder in der Bäckerei frisch gebacken und verkauft werden. „Wir Wolfeggeri­nnen und Wolfegger werden diese familiäre und herzliche Atmosphäre vermissen. Ich bin sehr dankbar für die vielen Jahre in denen die Familie Heinzelman­n für das tägliche Brot gesorgt hat und freue mich sehr, dass es auch in Zukunft durch die Bäckerei Strang frisches Brot in Wolfegg geben wird. Den Heinzelman­ns wünsche ich für die Zukunft alles Gute und viel Gesundheit“, sagt Bürgermeis­ter Peter Müller.

 ?? FOTO: BETTINA MUSCH ?? Bäckermeis­ter Gerold Heinzelman­n in seinem Element. Seine Brezeln sind beliebt und immer frisch gebacken.
FOTO: BETTINA MUSCH Bäckermeis­ter Gerold Heinzelman­n in seinem Element. Seine Brezeln sind beliebt und immer frisch gebacken.

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