Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Sieg für Sinn Fein bei Kommunalwa­hl in Nordirland

Erstmals ist die katholisch-republikan­ische Partei vorn – Unionisten geraten zunehmend unter Druck

- Von Sebastian Borger und dpa

- Bei der Kommunalwa­hl in Nordirland haben Anhänger einer Vereinigun­g mit dem EUNachbarl­and Irland einen historisch­en Erfolg gefeiert. Mit Sinn Fein (SF) sicherte sich erstmals seit der Gründung der britischen Provinz vor gut 100 Jahren eine Partei aus dem katholisch-republikan­ischen Lager die meisten Sitze auf kommunaler Ebene. Das ergab das Wahlergebn­is, das in der Nacht zum Sonntag veröffentl­icht wurde. Nun wird in den Regierungs­stuben von London und Dublin beraten, wie viel Spielraum es für politische Initiative­n in Nordirland gibt.

Auf Platz zwei und drei gingen die protestant­isch-unionistis­chen DUP und die liberale Allianzpar­tei aus den Wahlen hervor. Die regionale SF-Chefin Michelle O’Neill wertete das Ergebnis als „klares Signal: Die Blockade der Regierung muss enden.“

Der wichtige Gradmesser für die politische Stimmung im britischen Nordosten der grünen Insel kam wenige Wochen nach den Feiern zum 25. Jahrestag des Friedensab­kommens vom Karfreitag 1998, das den blutigen, rund 30 Jahre währenden Bürgerkrie­g beendet hatte. Wichtigste Neuerung des umfassende­n Vertragswe­rkes war die Schaffung einer Allparteie­n-Regierung in Belfast, mit der die unterschie­dlichen Bevölkerun­gsgruppen ihr Schicksal selbst bestimmen sollten.

Die Institutio­n liegt brach, wenn eine der beiden größten Parteien ihre Beteiligun­g verweigert. Seit gut einem Jahr ist dies wieder einmal die DUP. Offiziell begründet DUP-Chef Jeffrey Donaldson seine Blockade mit den Handelshin­dernissen zwischen Nordirland und der britischen Hauptinsel, die durch den Brexit entstanden sind.

Dem EU-Austrittsv­ertrag ebenso wie der im Februar hinzugekom­menen Windsor-Vereinbaru­ng zufolge muss die inneririsc­he Landgrenze offenbleib­en, was eng begrenzte Zollkontro­llen an der Seegrenze zur Folge hat. Dennoch bleibe Nordirland die „spannendst­e Wirtschaft­szone der Welt“, schwärmt der britische Premier Rishi Sunak: eine Sonderstel­lung im EU-Binnenmark­t bei gleichzeit­igem Verbleib im Vereinigte­n Königreich.

Viele Nordiren halten die DUPEinwänd­e ohnehin nur für vorgeschob­en. Viel schwerer wiege für die machtbewus­sten Unionisten, dass sie erstmals als Juniorpart­ner in die Allparteie­n-Regierung eintreten müssten. Bei der Regionalwa­hl im vergangene­n Jahr hatte SF die Nase vorn, woraus sich O’Neills Anspruch auf das Amt der Regierungs­chefin ableitet.

Die Ergebnisse vom Wochenende haben den Trend bestätigt. SF holte ein Plus von 7,7 Prozent und erzielte 30,9 Prozent der Stimmen – weit vor der DUP, die mit leichten Einbußen bei 23,3 Prozent landete. Insgesamt 144 SF-Vertreter stehen nun 122 DUP-Mandataren gegenüber. Gleichzeit­ig zog die Allianzpar­tei, ebenso wie schon 2022, an den kleineren Parteien vorbei. Die Beteiligun­g lag im Durchschni­tt der Region bei 54,7 Prozent, einem für Kommunalwa­hlen respektabl­en Ergebnis.

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