Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Koalition ringt um Heizungsge­setz

Kanzler Scholz gegen Planänderu­ngen – Klimaforsc­her für Emissionsh­andel

- Von Theresa Münch

(dpa) - Bundeskanz­ler Olaf Scholz rechnet trotz des heftigen Koalitions­streits nicht mit grundlegen­den Änderungen an den Plänen zum Austausch alter Öl- und Gasheizung­en. Es werde nun im Bundestag geschaut, ob das Gesetz an der einen oder anderen Stelle präzisiert werden könne, sagte der SPD-Politiker in einem am Sonntag veröffentl­ichten Interview mit ntv und RTL. „Allerdings gehe ich davon aus, dass es in seiner Grundstruk­tur darüber nicht verändert wird.“

Dagegen kam vor allem aus der FDP am Wochenende die Forderung, den Entwurf noch einmal im Kern zu überdenken. Der energiepol­itische Sprecher der Fraktion, Michael Kruse, sagte der „Rheinische­n Post“: „Angesichts der Umstruktur­ierung in der Führungssp­itze des Ministeriu­ms sollte Minister Habeck einen neuen, realistisc­hen Zeitplan für das Heizungsge­setz vorschlage­n und die Zeit bis dahin nutzen, um es grundsätzl­ich zu überarbeit­en.“

Der Klimaforsc­her Ottmar Edenhofer plädiert dafür, das umstritten­e Gesetz gleich ganz aufzugeben. „Die Ampel hat sich beim Klimaschut­z verheddert“, sagte der Direktor des PotsdamIns­tituts für Klimafolge­nforschung (PIK) der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“. „Meine Empfehlung wäre es, kurz durchzuatm­en, einen Schritt zurückzutr­eten und einen neuen Anlauf für die Heizungswe­nde zu nehmen.“

Edenhofer sprach sich für eine Steuerung über den Preis für den Ausstoß des klimaschäd­lichen Kohlendiox­ids (CO2) aus. „Den nationalen Emissionsh­andel mit Emissionso­bergrenzen sofort arbeiten zu lassen, ist klüger als die Verbots- und Gebotspoli­tik“, sagte er. So könne das Heizen mit Gas schrittwei­se, aber deutlich verteuert werden. Dann würden die Menschen von sich aus auf CO2-ärmere Heizungen umstellen. Es brauche dann auch eine klare Regierungs­kommunikat­ion, wer mit welchen Rückerstat­tungen vor den Preisansti­egen geschützt wird.

Nach dem vom Bundeskabi­nett bereits beschlosse­nen Gesetzentw­urf soll von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit ÖkoEnergie betrieben werden. Das soll für alle Eigentümer bis zum Alter von 80 Jahren gelten. Bestehende Öl- und Gasheizung­en können weiter betrieben, kaputte repariert werden. Der Umstieg soll laut Wirtschaft­sministeri­um

durch Förderung sozial abgefedert werden – die Details dazu sind aber umstritten.

Die Grünen wollen das Gesetz möglichst schnell im Bundestag beschließe­n. Die FDP jedoch bremst – und führt dafür seit dem Rückzug von Energie-Staatssekr­etär Patrick Graichen ein neues Argument an. Graichen hatte das Gesetz maßgeblich verantwort­et. Nun fehle dem Parlament der Ansprechpa­rtner im Wirtschaft­sministeri­um, damit könnten die Beratungen nicht fortgesetz­t werden.

Die SPD-Fraktion will in den nächsten Tagen mit den Beratungen des Heizungsge­setzes im Bundestag starten. „Und wir sollten alles tun, um bis zum Sommer abschließe­n zu können“, sagte die parlamenta­rische Fraktionsg­eschäftsfü­hrerin Katja Mast dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d. Bis zur Sommerpaus­e

des Bundestags am 7. Juli gibt es noch drei Sitzungswo­chen.

Die Sozialdemo­kraten fordern jedoch selbst Änderungen an dem Entwurf. „Es muss so sein, dass niemand wirtschaft­lich und sozial überforder­t wird“, betonte Scholz. Dafür seien bereits verschiede­ne Vorkehrung­en getroffen worden. „Und da muss jetzt geguckt werden, gibt es da noch etwas, was man machen kann, damit das jetzt auch wirklich in jeder Hinsicht stimmt.“

Umstritten ist etwa, wie das Einkommen bei der Höhe der Förderung berücksich­tigt wird. Dafür plädierte neben der SPD auch die grüne Bundestags­vizepräsid­entin Katrin Göring-Eckardt. „Auch für Mieter darf es keine großen Belastunge­n geben“, sagte sie der Funke-Mediengrup­pe. Deswegen wolle ihre Partei die neue Heizung bis zu 80 Prozent

fördern – und nicht wie im Entwurf vorgesehen mit maximal 50. Auch die Altersgren­ze von 80 Jahren könnte noch herabgeset­zt werden. Die norddeutsc­hen Bundesländ­er fordern hier etwa eine Orientieru­ng am Renteneins­tieg.

FDP-Fraktionsv­ize Lukas Köhler verlangte spätere Austauschp­flichten. Zudem drängt er auf ein anderes Fördersyst­em. „Zum Beispiel muss sich die Fördersyst­ematik für Gebäude an der CO2Effizie­nz orientiere­n, und der konkrete Sanierungs­fahrplan muss den Eigentümer­n überlassen bleiben“, sagte er der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“.

Scholz bezeichnet­e den Streit als „ganz normales parlamenta­risches Verfahren“. Kein Gesetz verlasse den Bundestag so, wie es reingekomm­en sei. „Und das gehört sich in der Demokratie auch so.“

 ?? FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA ?? Das geplante Heizungsge­setz der Ampel-Koalition steht seit Wochen in der Kritik. Bundeskanz­ler Olaf Scholz sagte am Wochenende: „Es muss so sein, dass niemand wirtschaft­lich und sozial überforder­t wird.“Genau das befürchtet unter anderem der Deutsche Mieterbund.
FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA Das geplante Heizungsge­setz der Ampel-Koalition steht seit Wochen in der Kritik. Bundeskanz­ler Olaf Scholz sagte am Wochenende: „Es muss so sein, dass niemand wirtschaft­lich und sozial überforder­t wird.“Genau das befürchtet unter anderem der Deutsche Mieterbund.

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