Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Habecks Haus kommt nicht zur Ruhe

Neue Vorwürfe gegen weiteren Staatssekr­etär im Wirtschaft­sministeri­um – Graichen lässt Doktorarbe­it prüfen

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(dpa) - Nach der Entlassung des Energie-Experten Patrick Graichen gibt es nun Vorwürfe gegen einen weiteren Staatssekr­etär von Wirtschaft­sminister Robert Habeck. Nach Recherchen von „Business Insider“war der für Startups zuständige Udo Philipp an der Berufung eines Beraters beteiligt, in dessen Fonds er zuvor Geld investiert hatte. Auch in der Causa Graichen könnte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein: Der Umweltökon­om lässt seine Doktorarbe­it auf Plagiatsst­ellen überprüfen.

Auch im Fall Philipp geht es – wie bei Graichen – um eine mögliche Vermischun­g von Privatem und Beruf lichem. Wie das Ministeriu­m am Sonntag bestätigte, war der Staatssekr­etär an der Berufung des Beirats „Junge Digitale Wirtschaft“beteiligt. Die Berufung erfolgte „durch Leitungsvo­rlage“, hieß es. Das bedeutet, dass Habeck eine Vorschlags­liste aus dem eigenen Haus abzeichnet­e. „Wie üblich war daran der zuständige Dienstweg beteiligt, zu dem unter anderem Staatssekr­etär Philipp gehört“, erklärte das Ministeriu­m.

Laut „Business Insider“geht es um Sebastian Böhmer, einen der Gründer von First Momentum Ventures, einem Investment­fonds,

in dem auch Geld von Philipp steckt. Im August 2022 berief Habeck ihn in den Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“, der den Minister unter anderem zu Wachstumsb­edingungen von Startups berät. Der Beirat habe lediglich beratende Funktion, erklärte das Ministeriu­m. Die Mitarbeit sei ehrenamtli­ch, die Mitglieder entschiede­n unabhängig, zu welchen Themen sie Stellungna­hmen abgäben.

Offen blieb, ob Philipp Habeck auf die geschäftli­che Verbindung der beiden aufmerksam machte. Das Ministeriu­m erklärte, Philipp

sei bei mehreren Fonds investiert – was er auch dürfe. Damit sei aber kein Einf luss auf die Anlagestra­tegie der Fonds und die Geschäftsp­olitik der Unternehme­n verbunden.

In der vergangene­n Woche hatte sich Habeck bereits von seinem Staatssekr­etär Graichen getrennt, weil dieser Privates und Beruf liches nicht ausreichen­d getrennt habe. Nun gibt es zudem Plagiatsvo­rwürfe gegen den Ökonomen. Er habe die Universitä­t Heidelberg um Überprüfun­g seiner Doktorarbe­it gebeten, sagte Graichen der „Bild am Sonntag“ zum Verdacht, gegen Zitierrege­ln verstoßen zu haben. Einen Plagiatsvo­rwurf wies er aber zurück. Die beanstande­ten Stellen stammten alle aus der historisch­en Hinleitung zum eigentlich­en wissenscha­ftlichen Kernthema der Arbeit mit dem Titel „Kommunale Energiepol­itik und die Umweltbewe­gung“. „Der wissenscha­ftliche Kern der Arbeit ist damit von der geäußerten Kritik nach meiner Ansicht nicht betroffen“, argumentie­rte Graichen.

Habeck steht derweil unter Druck, zügig einen Nachfolger für Graichen zu präsentier­en. In Berlin werden unterschie­dliche Kandidaten genannt. Als wahrschein­lich gilt dabei, dass Habeck sich diesmal aus dem Umfeld des ÖkoInstitu­ts fernhält. Medien spekuliere­n daher über eine Berufung von Netzagentu­r-Chef Klaus Müller oder von Kerstin Andreae, der Hauptgesch­äftsführer­in des Bundesverb­ands der Energie- und Wasserwirt­schaft (BDEW). Beide allerdings würden in ihren aktuellen Funktionen Löcher reißen. Genannt werden auch Namen aus Schleswig-Holstein, wo Habeck bis 2017 Minister war. Im Spiel könnte Ingrid Nestle sein, die schon in Schleswig-Holstein Habecks Energie-Staatssekr­etärin war.

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FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA Steht unter Druck, einen Nachfolger für Staatssekr­etär Patrick Graichen zu finden: Wirtschaft­sminister Robert Habeck.

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