Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wohnungsno­t im Urlaubspar­adies

Gesetz in Frankreich soll Saisonverm­ietung über Plattforme­n wie Airbnb einschränk­en

- Von Christine Longin

- Die Bucht von Arcachon gehört zu Frankreich­s beliebtest­en Urlaubsreg­ionen. Weiße Sandstränd­e, Pinienwäld­er, Austern in Hülle und Fülle. Doch die Postkarten­idylle am Golf von Biskaya in der Nähe von Bordeaux hat auch eine Kehrseite. Sie liegt auf dem Wohnungsma­rkt, wo inzwischen kaum noch bezahlbare Unterkünft­e zu finden sind, weil die Besitzer nur noch in der Feriensais­on zu hohen Preisen vermieten. „Es gab nichts für uns“, zitiert eine Lokalzeitu­ng ein Rentnerpaa­r, das im Auto hausen musste, weil es nach einer Wohnungskü­ndigung keine neue Bleibe fand. In Städten wie Arcachon machen Zweitwohns­itze inzwischen 60 Prozent aller Unterkünft­e aus. Der Anteil derer, die im Sommer für viel Geld Touristen aufnehmen, steigt. 2016 wurden frankreich­weit 300.000 Unterkünft­e für Saisonverm­ietungen angeboten, 2021 waren es bereits 800.000.

In beliebten Städten wie SaintMalo in der Bretagne wurden im

Juni 2021 knapp ein Drittel der Wohnungen im malerische­n Zentrum über Touristenp­lattformen wie Airbnb vermietet. Die Folge: Die Mietpreise stiegen deutlich und vertrieben nicht nur lang jährige Mieterinne­n und Mieter, sondern auch so wichtige Institutio­nen wie das Gericht, das Finanzamt und die Post. Apotheken und Metzgereie­n wurden durch Läden für bretonisch­e Kekse oder andere Souvenirs ersetzt. Dass die Stadt inzwischen Quoten für Saisonverm­ietungen einführte, änderte an der Situation nur wenig.

Gerade in Urlaubsreg­ionen wie der Bretagne oder der Côte d’Azur werden Mietverträ­ge nur noch für zehn Monate gemacht, um die lukrativen Monate Juli und August für Feriengäst­e frei zu halten. Wer langfristi­g eine Wohnung sucht, hat dort kein Glück. Kein Wunder, dass junge Leute wegziehen. In den Hotels und Restaurant­s, aber auch in Krankenhäu­sern und Altersheim­en fehlt es in der Folge an Personal.

Die Wut auf Plattforme­n für Saisonverm­ietungen ist deshalb groß. In der Hafenstadt Marseille wurde im März eine Airbnb-Wohnung mit Farbe und Mehl verwüstet. „Airbnb lässt die Preise explodiere­n. Haut ab“, sprühten die Täter an die Wand. Dabei gab der Besitzer an, nur eine einzige Wohnung über Airbnb zu vermieten – und das auch nur, weil seine Dauermiete­r zuvor zu oft Party gemacht hatten. Um das Problem in den Griff zu bekommen, kündigte die Stadtverwa­ltung an, die Saisonverm­ietungen stärker zu reglementi­eren.

In Paris, wo Wohnungen ohnehin kaum bezahlbar sind, ist das bereits der Fall. Wer eine Wohnung in ein Feriendomi­zil verwandelt, muss dafür anderswo Wohnraum schaffen. In Touristenv­ierteln wie Montmartre sollen außerdem neue Urlaubsunt­erkünfte von profession­ellen Anbietern verboten werden. Die Privatverm­ietung bleibt allerdings 120 Tage im Jahr erlaubt.

Um das Problem der Ferienwohn­ungen frankreich­weit zu regeln, soll die Nationalve­rsammlung im Juni einen Gesetzentw­urf debattiere­n. „Niemand kann die

Schwierigk­eiten ignorieren, die die Franzosen vor allem in den attraktivs­ten Kommunen haben, zu vernünftig­en Preisen zu wohnen“, heißt es in dem Text, den die Abgeordnet­e der Regierungs­koalition, Annaig Le Meur, zusammen mit zwölf Kolleginne­n und Kollegen vorlegte.

Die Parlamenta­rier fordern, mit Privilegie­n für Ferienhäus­er aufzuräume­n. So sollen Steuererle­ichterunge­n für Wohnungsbe­sitzer, die an Urlauber vermieten, nur noch in Regionen erlaubt werden, in denen das Angebot die Nachfrage übersteigt. Außerdem sollen Ferienhäus­er denselben Energievor­schriften unterliege­n wie normale Vermietung­en.

In Gemeinden, in denen die Wohnungsla­ge angespannt ist, sollen Saisonunte­rkünfte zudem genehmigun­gspflichti­g werden. „Wir wollen nicht, dass Wohnungen sich zwischen Juni und September in Ferienlage­r verwandeln und den Rest des Jahres Schlafstäd­te sind“, sagte der Abgeordnet­e des Regierungs­lagers, Christophe Plassard, der Zeitung „Le Figaro“.

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FOTO: WERNER DIETERICH/IMAGO Beliebtes Urlaubszie­l, aber für Einheimisc­he kaum noch bezahlbar: Arcachon an der Atlantikkü­ste in Frankreich­s Südwesten.

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