Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Moderner werden, relevant bleiben
Wie es für die britischen Royals nach der Krönung von König Charles III. weitergeht
- Wie zeitgemäß, wie erfolgreich war die Krönung? Vierzehn Tage nach den opulenten Feiern für Charles III. scheint es darüber im Hause Windsor unterschiedliche Meinungen zu geben. Thronfolger William hat sich vorsichtig von der traditionellen Prachtentfaltung distanziert und für seinen eigenen Amtsantritt eine „modernere und relevantere“Zeremonie angekündigt. In der Öffentlichkeit kommen nach der überaus positiven Berichterstattung der Medien nun auch kritische Stimmen zu Wort. Der König sieht sich mit altbekannten Problemen konfrontiert.
An diesem Montag besuchen der Monarch und seine Gattin Camilla die berühmte Chelsea Flower Show, für viele britische Hobbygärtner ein alljährliches Ziel, für den überzeugten Ökologen Charles ein Muss-Termin. Unter anderem lässt sich das Duo einen eigens für psychisch labile Menschen angelegten „Zuhör-Garten“zeigen, mit dem die Wohlfahrtsorganisation der Samariter auf ihr 70-jähriges Jubiläum aufmerksam machen will. Ein kleiner „royaler Garten“soll an die verstorbene Queen Elizabeth II. und an die Krönungsfeiern erinnern.
Diese beschäftigen die Gemüter weiterhin, wenn auch nicht gerade in dem Sinne, den sich der Palast erhofft hat. Dass die Londoner Polizei 64 harmlose Protestierer bis zu 16 Stunden lang in Vorbeugehaft nahm, dürfte ein gerichtliches Nachspiel haben. Zu den Festgenommenen zählte auch eine völlig unbeteiligte Architektin aus Australien, die sich als royaler Fan in der Innenstadt aufhielt.
Der eigentlich unbedeutenden Lobbygruppe „Republic“bescherte die Festsetzung ihres Vorsitzenden Graham Smith und fünf seiner antimonarchischen Mitstreiterinnen unverhofften Zulauf: Binnen einer Woche stieg die Zahl der zahlenden Mitglieder um 80 Prozent auf rund 9000. Er sei von der positiven Reaktion „überwältigt“, teilte Smith mit: „Die Verhaftungen haben dem Ruf der Polizei erheblich geschadet.“
Schärfer formuliert es Gerry Hassan von der Fachhochschule Glasgow Caledonian. Die Festnahmen gehörten in den Zusammenhang einer politischen Vorgehensweise, „in der uns unser Einverständnis mit dem neuen König geradezu von oben verordnet“worden sei. Dazu zählt der Politikprofessor auch die „Huldigung“des Königs, zu der während des Krönungsgottesdienstes eingeladen wurde: „eine taktlose Erinnerung
daran, wie Macht und Autorität im Königreich verteilt sind“. Die Initiative habe verdeutlicht, dass es sich bei den Briten um „Untertanen, keine Bürger“handele. Einer Umfrage zufolge sprachen zwölf Prozent der Fernsehzuschauer dem Erzbischof von Canterbury die Formel zur Gefolgschaft des Königs nach.
Ein vergleichbares Element werde es in seiner eigenen Krönung nicht geben, hat der Prinz von Wales der normalerweise gut informierten „Sunday Times“anvertraut. Genauer gesagt zitierte das Blatt „Quellen in Williams Nähe“, was auf der Insel als Chiffre für den eigentlichen Gesprächspartner gilt. Den gut informierten Menschen zufolge war der Thronfolger „nicht genau“in die Planung der Feiern für seinen Vater eingeweiht – ein wenig subtiler Versuch, den 40Jährigen von den etwas überkandidelten Szenen mit Gnadenschwert, Reichsapfel und Krönungshandschuh zu distanzieren.
Natürlich sei die ganze Sache ein „großartiger Erfolg“gewesen, beeilte sich die „Sundday-Times“Quelle zu betonen, verwies jedoch auf ein Interview des Prinzen vor einigen Jahren. Das Königshaus
müsse „moderner werden und relevant bleiben“, hatte William damals gesagt – keine schlechte Maxime für eine Institution, die nach den Kontroversen um die Krönung wieder stärker in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit steht.
Zur Modernisierung, so hat es der König seit Langem betont, gehöre eine Verschlankung von Personal und Immobilien. Leichter gesagt als getan: Dem Vernehmen nach wehrt sich Charles’ jüngerer Bruder Andrew hartnäckig dagegen, aus der Royal Lodge in Windsor Great Park auszuziehen. Der frühere Freund zweier verurteilter Sexualverbrecher bewohnt das gewaltige, mit 30 Zimmern ausgestattete Anwesen seit mehr als 20 Jahren mit seiner geschiedenen Gattin Sarah. Zwar ist der Pachtzins kaum der Rede wert; doch zählt zu den Verpf lichtungen des Prinzen, 63, der Unterhalt des maroden Gemäuers, was seine Finanzen zunehmend übersteigt – zumal seit ihm die verstorbene Queen die Apanage zusammengekürzt hat.
Mindestens so schwierig wie die Handhabung seines skandalumwitterten Bruders gestaltet sich für Charles die Frage, was aus dem ungeliebten BuckinghamPalast
werden soll. Der weltweit als Symbol der britischen Monarchie geltende Klotz mit seinen 775 Zimmern wird seit sechs Jahren aufwendig renoviert. Für die Kosten von 424 Millionen Euro kommt die Staatskasse auf. Dabei will erklärtermaßen keiner der älteren oder jüngeren Royals – ganz gewiss nicht der König selbst – dort wohnen.
Fachleute fordern seit Langem eine größere Öffnung der royalen Gemäldesammlung, die Meisterwerke von Tizian und Rembrandt bis hin zu Canaletto und Gainsborough enthält. In der Queen’s Gallery sind bisher stets nur rund ein Prozent aller Kunstwerke zu sehen, die das Königshaus „treuhänderisch für die Nation“verwaltet, wie es im Palast vornehm heißt. Andererseits enthält der Palast eine Reihe von repräsentativen Sälen und Gemächern, die für Empfänge und ausländische Staatsgäste genutzt werden. Eine gänzliche Umwidmung zur Touristenattraktion wird dadurch schwierig.
Charles will nicht einziehen, Andrew will nicht ausziehen, und William möchte alles anders machen – langweilig, so scheint es, wird es den britischen Royals in absehbarer Zeit nicht werden.