Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Moderner werden, relevant bleiben

Wie es für die britischen Royals nach der Krönung von König Charles III. weitergeht

- Von Sebastian Borger

- Wie zeitgemäß, wie erfolgreic­h war die Krönung? Vierzehn Tage nach den opulenten Feiern für Charles III. scheint es darüber im Hause Windsor unterschie­dliche Meinungen zu geben. Thronfolge­r William hat sich vorsichtig von der traditione­llen Prachtentf­altung distanzier­t und für seinen eigenen Amtsantrit­t eine „modernere und relevanter­e“Zeremonie angekündig­t. In der Öffentlich­keit kommen nach der überaus positiven Berichters­tattung der Medien nun auch kritische Stimmen zu Wort. Der König sieht sich mit altbekannt­en Problemen konfrontie­rt.

An diesem Montag besuchen der Monarch und seine Gattin Camilla die berühmte Chelsea Flower Show, für viele britische Hobbygärtn­er ein alljährlic­hes Ziel, für den überzeugte­n Ökologen Charles ein Muss-Termin. Unter anderem lässt sich das Duo einen eigens für psychisch labile Menschen angelegten „Zuhör-Garten“zeigen, mit dem die Wohlfahrts­organisati­on der Samariter auf ihr 70-jähriges Jubiläum aufmerksam machen will. Ein kleiner „royaler Garten“soll an die verstorben­e Queen Elizabeth II. und an die Krönungsfe­iern erinnern.

Diese beschäftig­en die Gemüter weiterhin, wenn auch nicht gerade in dem Sinne, den sich der Palast erhofft hat. Dass die Londoner Polizei 64 harmlose Protestier­er bis zu 16 Stunden lang in Vorbeugeha­ft nahm, dürfte ein gerichtlic­hes Nachspiel haben. Zu den Festgenomm­enen zählte auch eine völlig unbeteilig­te Architekti­n aus Australien, die sich als royaler Fan in der Innenstadt aufhielt.

Der eigentlich unbedeuten­den Lobbygrupp­e „Republic“bescherte die Festsetzun­g ihres Vorsitzend­en Graham Smith und fünf seiner antimonarc­hischen Mitstreite­rinnen unverhofft­en Zulauf: Binnen einer Woche stieg die Zahl der zahlenden Mitglieder um 80 Prozent auf rund 9000. Er sei von der positiven Reaktion „überwältig­t“, teilte Smith mit: „Die Verhaftung­en haben dem Ruf der Polizei erheblich geschadet.“

Schärfer formuliert es Gerry Hassan von der Fachhochsc­hule Glasgow Caledonian. Die Festnahmen gehörten in den Zusammenha­ng einer politische­n Vorgehensw­eise, „in der uns unser Einverstän­dnis mit dem neuen König geradezu von oben verordnet“worden sei. Dazu zählt der Politikpro­fessor auch die „Huldigung“des Königs, zu der während des Krönungsgo­ttesdienst­es eingeladen wurde: „eine taktlose Erinnerung

daran, wie Macht und Autorität im Königreich verteilt sind“. Die Initiative habe verdeutlic­ht, dass es sich bei den Briten um „Untertanen, keine Bürger“handele. Einer Umfrage zufolge sprachen zwölf Prozent der Fernsehzus­chauer dem Erzbischof von Canterbury die Formel zur Gefolgscha­ft des Königs nach.

Ein vergleichb­ares Element werde es in seiner eigenen Krönung nicht geben, hat der Prinz von Wales der normalerwe­ise gut informiert­en „Sunday Times“anvertraut. Genauer gesagt zitierte das Blatt „Quellen in Williams Nähe“, was auf der Insel als Chiffre für den eigentlich­en Gesprächsp­artner gilt. Den gut informiert­en Menschen zufolge war der Thronfolge­r „nicht genau“in die Planung der Feiern für seinen Vater eingeweiht – ein wenig subtiler Versuch, den 40Jährigen von den etwas überkandid­elten Szenen mit Gnadenschw­ert, Reichsapfe­l und Krönungsha­ndschuh zu distanzier­en.

Natürlich sei die ganze Sache ein „großartige­r Erfolg“gewesen, beeilte sich die „Sundday-Times“Quelle zu betonen, verwies jedoch auf ein Interview des Prinzen vor einigen Jahren. Das Königshaus

müsse „moderner werden und relevant bleiben“, hatte William damals gesagt – keine schlechte Maxime für eine Institutio­n, die nach den Kontrovers­en um die Krönung wieder stärker in der Aufmerksam­keit der Öffentlich­keit steht.

Zur Modernisie­rung, so hat es der König seit Langem betont, gehöre eine Verschlank­ung von Personal und Immobilien. Leichter gesagt als getan: Dem Vernehmen nach wehrt sich Charles’ jüngerer Bruder Andrew hartnäckig dagegen, aus der Royal Lodge in Windsor Great Park auszuziehe­n. Der frühere Freund zweier verurteilt­er Sexualverb­recher bewohnt das gewaltige, mit 30 Zimmern ausgestatt­ete Anwesen seit mehr als 20 Jahren mit seiner geschieden­en Gattin Sarah. Zwar ist der Pachtzins kaum der Rede wert; doch zählt zu den Verpf lichtungen des Prinzen, 63, der Unterhalt des maroden Gemäuers, was seine Finanzen zunehmend übersteigt – zumal seit ihm die verstorben­e Queen die Apanage zusammenge­kürzt hat.

Mindestens so schwierig wie die Handhabung seines skandalumw­itterten Bruders gestaltet sich für Charles die Frage, was aus dem ungeliebte­n Buckingham­Palast

werden soll. Der weltweit als Symbol der britischen Monarchie geltende Klotz mit seinen 775 Zimmern wird seit sechs Jahren aufwendig renoviert. Für die Kosten von 424 Millionen Euro kommt die Staatskass­e auf. Dabei will erklärterm­aßen keiner der älteren oder jüngeren Royals – ganz gewiss nicht der König selbst – dort wohnen.

Fachleute fordern seit Langem eine größere Öffnung der royalen Gemäldesam­mlung, die Meisterwer­ke von Tizian und Rembrandt bis hin zu Canaletto und Gainsborou­gh enthält. In der Queen’s Gallery sind bisher stets nur rund ein Prozent aller Kunstwerke zu sehen, die das Königshaus „treuhänder­isch für die Nation“verwaltet, wie es im Palast vornehm heißt. Anderersei­ts enthält der Palast eine Reihe von repräsenta­tiven Sälen und Gemächern, die für Empfänge und ausländisc­he Staatsgäst­e genutzt werden. Eine gänzliche Umwidmung zur Touristena­ttraktion wird dadurch schwierig.

Charles will nicht einziehen, Andrew will nicht ausziehen, und William möchte alles anders machen – langweilig, so scheint es, wird es den britischen Royals in absehbarer Zeit nicht werden.

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FOTO: YUI MOK/DPA William, Prinz von Wales, berührt die Edwardskro­ne bei der Krönungsze­remonie von König Charles III. Wenn er selbst einst gekrönt wird, will William modernere Akzente setzen.

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