Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zerstückel­ung des 33. Spieltags ist Wettbewerb­sverzerrun­g

- F.alex@schwaebisc­he.de

Nach Ende dieses Wochenende­s müssen die Entscheide­r bei der DFL drei Kreuze machen. Die verantwort­lichen Spieltagsp­laner können gottfroh sein, aus diesem Murks unbeschade­t herausgeko­mmen zu sein. Was hätte nicht alles passieren können in dieser eigentlich hochspanne­nden Bundesliga­saison. Die Bayern werden Meister auf der Couch; RB Leipzig qualifizie­rt sich auch ohne Sieg in München vorzeitig für die Champions League; der FC Augsburg ist ohne eigenes Zutun gerettet – alles mögliche und durchaus realistisc­he Szenarien vor diesem vorletzten Spieltag.

Dass keines davon eingetrete­n ist, ist großes Glück für die Liga – und für alle Fans, die fast ein komplettes Jahr mit ihren Teams mitfiebern, in der Hoffnung am Ende ein möglichst spannendes Saisonfina­le mit dem bestmöglic­hen Ausgang für ihren Club zu erleben. Was gab es in den vergangene­n Jahren nicht alles für legendäre und dramatisch­e Entscheidu­ngen im Kampf um die Meistersch­aft, die Europapoka­lplätze und den Klassenerh­alt – stets nervös verfolgt von Millioen auf den Handys, Stadionlei­nwänden oder am Radio. Das Saisonfina­le der FußballBun­desliga gehört zu den emotionals­ten Wochen im Sportkalen­der und verbreitet seit jeher einen ganz besonderen Zauber. Doch die Deutsche Fußballlig­a war offenbar bereit ist, diesen für ein paar Milliönche­n mehr zu verscherbe­ln. Dabei hat es neben emotionale­n auch ganz logische Gründe, weshalb bis zum Vorjahr nicht nur am letzten, sondern auch schon am vorletzten Spieltag alle Partien zeitgleich am Samstagnac­hmittag angepfiffe­n wurden. Manipulati­onen und Absprachen sollten so verhindert werden, die Chancengle­ichheit für alle Mannschaft­en gewahrt werden. Warum das plötzlich nicht mehr gilt, ist nicht zu erklären.

Es mag ja sein, dass sich ein ganzes Wochenende mit Spielen von Freitag bis Sonntag besser vermarkten lässt und mehr Geld in die Kasse spült – auf Sicht ist die Zerstückel­ung des Saisonfina­les aber ganz sicher ein Minusgesch­äft. Statt Drama pur drohen emotionsar­me Sofa-Entscheide und spannungsb­efreite Rohrkrepie­rer-Duelle – wenn nicht in diesem, dann eben im nächsten Jahr. Welcher TV-Sender möchte dafür Geld ausgeben?

m.deck@schwaebisc­he.de

Selbstvers­tändlich ist es wunderbar für den Fan, wenn er am Samstag genüsslich auf der Couch sitzen und um 15.30 Uhr ganze neun Spiele gleichzeit­ig sehen kann. Die Anziehungs­kraft und Dramatik der maximalen Konferenz – egal ob am Fernseher oder Radio – besteht seit Jahrzehnte­n und doch muss man leider zugeben, dass es für den gleichzeit­igen Anpfiff aller Partienen am 33. Spieltag keinerlei überzeugen­de Gründe gibt. Das beste Beispiel waren die vergangene­n Tage. Weder im Kampf um die Meistersch­aft noch im Abstieskam­pf ist eine Entscheidu­ng gefallen. Zudem ist es eher unwahrsche­inlich, dass die Spiele anders ausgefalle­n wären, hätte die Dortmunder etwa gleichzeit­ig mit dem FC Bayern gespielt. Hätte es ansonsten weniger Druck gegeben, wenn der BVB bereits erfahren hätte, dass der FCB gegen Leipzig zurücklieg­t oder hätte man dann noch befreiter gegen Augsburg aufspielen können? Eher unwahrsche­inlich. Nein, der synchrone Spielfluss am vorletzten Spieltag ist ganz hübsch und traditione­ll, aber alles andere als ein Zeichen für einen gerechtere­n Wettbewerb. Denn wo aufhören und wo beginnen?

Den letzten Spieltag gleichzeit­ig anzupfeife­n, ist sinnvoll, um Mauschelei­en zu unterbinde­n. Wer benötigt noch ein Tor, wer einen Punkt? Solche Schiebedis­kussionen benötigt niemand. Doch am vorletzten Spieltag ist alles noch offen – und wenn nicht, dann ohnehin egal. Argumente für Gleichzeit­igkeit finden sich ansonsten sicher schon für den 32. Spieltag oder sogar für jeden Spieltag, wenn es um Belastung oder ähnliches geht.

Was dagegen eindeutig ist, ist die bessere Vermarktun­g des Liga. Weltweit und nicht zuletzt in Deutschlan­d konnten die Fans von Freitagabe­nd (Petersen-Abschied), über Samstag (Bayern-Niederlage und Hertha-Abtieg) bis Sonntag (Stuttgarte­r Befreiungs­schlag und BVB-Druck-Sieg) große Fußballges­chichten genießen – ohne dass sie abgelenkt oder zwischen den Ereignisse­n hin und her gerissen wurden. So schön die Maximalkon­fenrenz am Samstag auch immer anmutet, die umfangreic­hste und unterhalts­amste Portion Fußball bietet doch die Zerstückel­ung – auch und gerade am 33. Spieltag.

Contra

„Auf Sicht ganz sicher ein Minusgesch­äft“Von Martin Deck

„Änderung hätte nichts besser gemacht.“Von Felix Alex

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