Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Zerstückelung des 33. Spieltags ist Wettbewerbsverzerrung
Nach Ende dieses Wochenendes müssen die Entscheider bei der DFL drei Kreuze machen. Die verantwortlichen Spieltagsplaner können gottfroh sein, aus diesem Murks unbeschadet herausgekommen zu sein. Was hätte nicht alles passieren können in dieser eigentlich hochspannenden Bundesligasaison. Die Bayern werden Meister auf der Couch; RB Leipzig qualifiziert sich auch ohne Sieg in München vorzeitig für die Champions League; der FC Augsburg ist ohne eigenes Zutun gerettet – alles mögliche und durchaus realistische Szenarien vor diesem vorletzten Spieltag.
Dass keines davon eingetreten ist, ist großes Glück für die Liga – und für alle Fans, die fast ein komplettes Jahr mit ihren Teams mitfiebern, in der Hoffnung am Ende ein möglichst spannendes Saisonfinale mit dem bestmöglichen Ausgang für ihren Club zu erleben. Was gab es in den vergangenen Jahren nicht alles für legendäre und dramatische Entscheidungen im Kampf um die Meisterschaft, die Europapokalplätze und den Klassenerhalt – stets nervös verfolgt von Millioen auf den Handys, Stadionleinwänden oder am Radio. Das Saisonfinale der FußballBundesliga gehört zu den emotionalsten Wochen im Sportkalender und verbreitet seit jeher einen ganz besonderen Zauber. Doch die Deutsche Fußballliga war offenbar bereit ist, diesen für ein paar Milliönchen mehr zu verscherbeln. Dabei hat es neben emotionalen auch ganz logische Gründe, weshalb bis zum Vorjahr nicht nur am letzten, sondern auch schon am vorletzten Spieltag alle Partien zeitgleich am Samstagnachmittag angepfiffen wurden. Manipulationen und Absprachen sollten so verhindert werden, die Chancengleichheit für alle Mannschaften gewahrt werden. Warum das plötzlich nicht mehr gilt, ist nicht zu erklären.
Es mag ja sein, dass sich ein ganzes Wochenende mit Spielen von Freitag bis Sonntag besser vermarkten lässt und mehr Geld in die Kasse spült – auf Sicht ist die Zerstückelung des Saisonfinales aber ganz sicher ein Minusgeschäft. Statt Drama pur drohen emotionsarme Sofa-Entscheide und spannungsbefreite Rohrkrepierer-Duelle – wenn nicht in diesem, dann eben im nächsten Jahr. Welcher TV-Sender möchte dafür Geld ausgeben?
m.deck@schwaebische.de
Selbstverständlich ist es wunderbar für den Fan, wenn er am Samstag genüsslich auf der Couch sitzen und um 15.30 Uhr ganze neun Spiele gleichzeitig sehen kann. Die Anziehungskraft und Dramatik der maximalen Konferenz – egal ob am Fernseher oder Radio – besteht seit Jahrzehnten und doch muss man leider zugeben, dass es für den gleichzeitigen Anpfiff aller Partienen am 33. Spieltag keinerlei überzeugende Gründe gibt. Das beste Beispiel waren die vergangenen Tage. Weder im Kampf um die Meisterschaft noch im Abstieskampf ist eine Entscheidung gefallen. Zudem ist es eher unwahrscheinlich, dass die Spiele anders ausgefallen wären, hätte die Dortmunder etwa gleichzeitig mit dem FC Bayern gespielt. Hätte es ansonsten weniger Druck gegeben, wenn der BVB bereits erfahren hätte, dass der FCB gegen Leipzig zurückliegt oder hätte man dann noch befreiter gegen Augsburg aufspielen können? Eher unwahrscheinlich. Nein, der synchrone Spielfluss am vorletzten Spieltag ist ganz hübsch und traditionell, aber alles andere als ein Zeichen für einen gerechteren Wettbewerb. Denn wo aufhören und wo beginnen?
Den letzten Spieltag gleichzeitig anzupfeifen, ist sinnvoll, um Mauscheleien zu unterbinden. Wer benötigt noch ein Tor, wer einen Punkt? Solche Schiebediskussionen benötigt niemand. Doch am vorletzten Spieltag ist alles noch offen – und wenn nicht, dann ohnehin egal. Argumente für Gleichzeitigkeit finden sich ansonsten sicher schon für den 32. Spieltag oder sogar für jeden Spieltag, wenn es um Belastung oder ähnliches geht.
Was dagegen eindeutig ist, ist die bessere Vermarktung des Liga. Weltweit und nicht zuletzt in Deutschland konnten die Fans von Freitagabend (Petersen-Abschied), über Samstag (Bayern-Niederlage und Hertha-Abtieg) bis Sonntag (Stuttgarter Befreiungsschlag und BVB-Druck-Sieg) große Fußballgeschichten genießen – ohne dass sie abgelenkt oder zwischen den Ereignissen hin und her gerissen wurden. So schön die Maximalkonfenrenz am Samstag auch immer anmutet, die umfangreichste und unterhaltsamste Portion Fußball bietet doch die Zerstückelung – auch und gerade am 33. Spieltag.
Contra
„Auf Sicht ganz sicher ein Minusgeschäft“Von Martin Deck
„Änderung hätte nichts besser gemacht.“Von Felix Alex