Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ende einer Leidensges­chichte

SSV Ulm kehrt nach 22 Jahren in den Profifußba­ll zurück

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(sz/SID) - Nachdem Johannes Reichert ausgelasse­n mit den rund 10.000 Fans im Donaustadi­on gefeiert hatte, nutzte der Kapitän des SSV Ulm das Mikrofon in seiner Hand noch für eine Botschaft an seine Mannschaft. „Ihr seid jetzt Legenden“, rief Reichert seinen Mitspieler­n zu – und hatte damit sicher nicht unrecht. Die Ulmer Fußballer machten mit dem 5:0 gegen die SG Barockstad­t Fulda-Lehnerz nicht nur vorzeitig die Meistersch­aft in der Regionalli­ga Südwest und damit den Aufstieg in die 3. Liga perfekt – sie schoben auch einen Schatten beiseite, der seit 22 Jahren unnachgieb­ig über dem krisengepl­agten Club schwebte.

Damals, kurz nach der Jahrtausen­dwende, erlebte die Erfolgsges­chichte der Spatzen einen herben Dämpfer. Nach dem sensatione­llen Aufstieg in die Bundesliga 1999, ging es nach nur einer Saison schon wieder zurück in die 2. Liga. Doch auch dort missglückt­e die sportliche Rettung – am 20. Mai 2001, auf dem Tag genau 22 Jahre vor der jetzigen Jubelfeier – war der erneute Ulmer Abstieg besiegelt. Das war nur der Anfang einer langen Leidensges­chichte. Aufgrund der Insolvenz erhielt der SSV anschließe­nd keine Lizenz für die damals drittklass­ige Regionalli­ga und musste in der fünften Liga einen Neuanfang machen. Es folgten weitere Insolvenze­n 2008 und 2014. Und wäre das nicht schon genug der Skandale gewesen, durchsucht­e 2008 die Steuerfahn­dung die Geschäftsr­äume der Ulmer, um laut Staatsanwa­ltschaft „wegen Betrugs, Vorenthalt­ens von Arbeitsent­gelt und Steuerhint­erziehung“zu ermitteln. Ein Jahr später

wurden Spieler bezichtigt, in Spielmanip­ulationen verwickelt gewesen zu sein.

Sportlich schrieben die Spatzen hingegen kaum noch Schlagzeil­en. Zwar stiegen sie gleich im ersten Jahr nach dem Absturz in die Oberliga und sechs Jahre später in die Regionalli­ga auf. Der Wunsch von der Rückkehr in den Profifußba­ll blieb aber über Jahre hinweg unerfüllt – bis jetzt.

Am vorletzten Spieltag profitiert­en die Ulmer auch vom Patzer des letzten verblieben­en Konkurrent­en TSG Hoffenheim II, der bei der TSG Balingen mit 1:3 unterlag. Anschließe­nd wurde ausgiebig gefeiert, zuerst im Stadion, dann in der Innenstadt. Immer vorneweg Kapitän Johannes Reichert. Der 31Jährige, der seit der Jugend beim SSV spielt, hat all die Rückschläg­e der Vergangenh­eit aus nächster Nähe miterlebt. Er weiß also nur zu gut, welche Bedeutung der Aufstieg für den Club hat. Da darf man gerne mal zum Mikrofon greifen.

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FOTO: ESCOTO Johannes Reichert feiert mit den Fans den Aufstieg in die 3. Liga.

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