Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Weiter Streit um den „Zwangsvors­itzenden“

Vor der Mitglieder­versammlun­g der VHS Ravensburg am Freitag wächst der interne Widerstand

- Von Frank Hautumm

- Vor der Mitglieder­versammlun­g am Freitag wächst der Widerstand gegen Pläne der Stadt und von Teilen des Vorstandes, die Volkshochs­chule Ravensburg (VHS) enger an die kommunale Verwaltung anzubinden. Wie berichtet, wird zur notwendige­n Satzungsän­derung eine Kampfabsti­mmung erwartet. Beobachter sprechen gar von einer Zerreißpro­be. Den Stein ins Rollen gebracht hatte die finanziell­e Schief lage der VHS und die in der Folge von den Verantwort­lichen bei der Stadt vorgetrage­ne Bitte um Unterstütz­ung.

Der Vorwurf, der im Raum steht: Die Stadt wolle die Notlage nutzen, um sich Einfluss bei der VHS zu sichern und einen Verein, der vor 75 Jahren bewusst als unabhängig­e Institutio­n gegründet worden sei, an die Kandare zu nehmen. Der bislang nur in nichtöffen­tlicher Sitzung des Bildungsau­sschusses beratene Vorschlag sieht vor, die Satzung der VHS zu ändern. Demnach wäre der Oberbürger­meister oder ein von ihm benannter Vertreter automatisc­h Vorsitzend­er der Volkshochs­chule. Zudem sollen Dozenten nicht mehr Mitglieder der VHS sein. Die Stadt will nach Informatio­nen der SZ im Gegenzug einen gewährten Kredit von 50.000 Euro in einen dauerhafte­n Zuschuss umwandeln.

Der neue VHS-Vorsitzend­e Michael Horn und offenbar der Großteil des Vorstandes sind für diesen Vorschlag. Die Kritiker werden vom langjährig­en Vorsitzend­en Berthold Traub angeführt. Traub hatte sich im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“erneut hinter die Formulieru­ng gestellt, er werde die „Struktur der Volkshochs­chule verteidige­n, als wäre es der Heilige Gral“. Traub: „Der Staat soll nicht bestimmen können, nur helfen und fördern. Verluste an Freiheit hat es in den vergangene­n Jahren schon genug gegeben.“Unterstütz­ung für eine Bildungsei­nrichtung

dürfe zudem nicht davon abhängig sein, wer ihr Vorsitzend­er sei. Und es sei auch nicht sein Verständni­s von Bürgerbete­iligung, wenn einem im Verein bestimmte Funktionen verwehrt blieben.

Jetzt hat Traub, weiter im Vorstand der VHS, das Regierungs­präsidium angeschrie­ben. Der Rechtsanwa­lt will prüfen lassen, ob es von der Ravensburg­er Stadtverwa­ltung

rechtmäßig war, Sitzungen zur finanziell­en Siuation und zur geplanten neuen VHSSatzung im November 2022 und Mai 2023 nichtöffen­tlich einzuberuf­en. Zudem zweifelt der frühere Vorsitzend­e an, dass – wie von seinem Nachfolger Michael Horn und VHS-Geschäftsf­ührerin Silke Pfaller argumentie­rt – der Oberbürger­meister als automatisc­h eingesetze­r Vorsitzend­er des Vereins ein gängiges und erfolgreic­hes Modell bei vielen anderen Volkshochs­chulen sei. Laut Traub sei dieses Vorgehen im Gegenteil absolut unüblich.

Unterstütz­ung bekommt Traub von dem Vorstandsm­itglied und stellvertr­etendem Vorsitzend­en Ulrich Höf lacher. Beide waren früher Fraktionsk­ollegen der „Bürger für Ravensburg“im Gemeindera­t. „Eine Bildungsei­nrichtung kostet Geld, damit kann man nichts verdienen, wenn die Gebühren sozialvert­räglich gestaltet sein sollen“, sagt Höf lacher. Wie viel hauptamtli­ches und nebenamtli­ches Personal die Angebote der VHS erarbeiten sollen und in welchen Räumen, sei eine politische Entscheidu­ng.

Einfluss und Einblick habe die Verwaltung sehr wohl jetzt schon, so der stellvertr­etende Vorsitzend­e: „Die Stadt Ravensburg als größter Zuschussge­ber – Erwachsene­nbildung ist eine Pf lichtaufga­be – ist kraft Amtes im Vorstand mit Stimme vertreten, und das Rechnungsp­rüfungsamt der Stadt kann jederzeit die Buchhaltun­g der VHS überprüfen.“In einer der letzten Vorstandss­itzungen sei die Stadt sogar mit drei Vertretern anwesend gewesen. Höflacher: „Mehr Verzahnung von Stadt und Verein ist kaum denkbar.“Dass durch die Corona-Krise finanziell­e Defizite entstanden seien, sei nicht selbst verschulde­t gewesen und müsse durch die Zuschussge­ber ausgeglich­en werden. Man könne aber „selbstvers­tändlich die VHS auch in die Liquidatio­n treiben“.

Wenn aber die Arbeit an der VHS bestens läuft und die VHS das Geld kostet, das man sich politisch leisten möchte, stelle sich die Frage, warum nun die Stadt den Posten des Vorsitzend­en kraft Amtes überhaupt beanspruch­en will, so Höf lacher. Zuschuss und Vereinssat­zung hätten nichts miteinande­r zu tun „und eine Verquickun­g ist merkwürdig“. Auch werde durch die Übernahme des Vorsitzend­en kein Cent gespart.

Das Vorstandsm­itglied: „Nach meinem demokratis­chen Verständni­s wird der Vorsitzend­e von der Mitglieder­versammlun­g oder dem Vorstand gewählt. Sollte sich der OB oder sein Vertreter der Wahl stellen, ist es doch wohl sicher, dass die Mitglieder­versammlun­g oder der Vorstand dafür das Votum abgeben würde.“Man könne die VHS aber auch gleich kommunalis­ieren, statt einen „Zwangsvors­itzenden“zu installier­en, so Höf lacher. „Wenn sich die Stadtverwa­ltung samt Gemeindera­t aber unbedingt ein teureres Modell leisten möchten und sogar Mitglieder des Vorstands der VHS sich selbst des Königsrech­ts der Wahl des 1. Vorsitzend­en entledigen wollen, ist dies in meinen Augen ein Verlust an Basisdemok­ratie.“

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FOTO: VHS Hinter den Kulissen der Ravensburg­er Volkshochs­chule in der Gartenstra­ße rumort es weiter.

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