Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
So viel Wein wie in 20 Jahren nicht
20 Jahre Weinbau am Martinsberg – 700 Liter im Jahr 2022 – Fünf spannende Fakten
- „Was du heute kannst entkorken, das verschiebe nicht auf morgen“, ist die Devise von Uwe Stürmer, Polizeipräsident und Weinbergfreund aus Weingarten. Die Weinbergfreunde haben so viel Liter Martinsberg-Wein geerntet wie noch nie. 700 Liter Weißwein haben sie 2022 – nachdem der Weinberg vor 20 Jahren wiederbelebt wurde – in Flaschen abfüllen können. Das sind 400 Liter mehr als im vergangenen, durch die ungünstige Witterung, schlechten Jahr. Die „Schwäbische Zeitung“hat die Informationen zum edlen Tropfen in fünf Punkten zusammengefasst.
1. 1332 Stück 0,5-Liter-Flaschen „Martinsberg 2022“und sechs 6Liter-Flaschen wurden abgefüllt. Der größte Teil geht an die Stadt, die ihn zu besonderen Anlässen verschenkt. Verkäuflich ist der Wein nicht, obwohl sich Stürmer sicher ist, dass er den meisten Bürgern schmecken würde: „Der Weingartener Wein wird unterschätzt.“Sein Credo vom Entkorken trifft auf den Weingartener Wein übrigens gar nicht zu: Die Halbliter-Flaschen haben mittlerweile Schraubverschluss.
2. Der Wein von 2022 hat einen Alkoholgehalt von etwa elf Prozent. Die Trauben wuchsen an den rund 850 Reben des Weinbergs im Klostergarten, vor der Basilika und im Mostgässle. Laut Winzermeister Mathias Dilger ist der Wein (Rebsorte Johanniter) leicht und trocken, fruchtig und belebend. „Er soll sommerlich und lebendig schmecken“, sagt er. Etwa fünf Jahre lang wird
er so bleiben. Danach könne man ihn zwar noch trinken, die Leichtigkeit wäre dann aber dahin.
3. Die Weinbergfreunde, bestehend aus vier Ehepaaren, kümmern sich seit 2018 ehrenamtlich
um das Weingeschäft. Zu ihnen gehören Uwe Stürmer, Gerhard Wirbel und Weinbaudirektor Günter Staud. In diesem Jahr versuchen die Hobbywinzer, auch Reben auf dem unteren Teil des Klostergarten-Grundstücks anzupf lanzen. Ob das funktioniert, ist noch nicht klar, da der Standort nicht ideal ist. Außerdem ist auch Dekan Ekkehard Schmid auf den Geschmack gekommen und hat 100 Reben für die katholische Kirche zusätzlich anpf lanzen lassen.
4. Etwa 70 Stunden arbeitet Günter Staud im Jahr für den Wein. „Wir haben ihn schon probiert, das ist schließlich unsere Pflicht und ich muss sagen, das ist ein wohl gelungenes Tröpfchen“, sagt er. Jede Traube wird dazu handverlesen, denn zur Weinlese werden stets Bürger um Unterstützung gebeten und es gebe glücklicherweise zahlreiche Freiwillige.
5. Der Tag des Weins ist am Donnerstag, 25. Mai und um ihn und den Martinsberg insbesondere zu feiern, ist wenige Tage zuvor alles ins Winzerstüble gekommen, was Rang und Namen in Weingarten hat: unter anderem Oberbürgermeister Clemens Moll (dem der Wein schmeckte), Bürgermeister Alexander
Geiger, Fachbereichsleiterin Sylvia Burg und Hermann Zettler, Leiter des Amts für Vermögen und Bau Ravensburg. Zettler verwaltet den Martinsberg, weil es sich um ein Grundstück im Besitz des Landes handelt. Erst im vergangenen Jahr ist die angrenzende Klostermauer für mehr als eine Million Euro vom Amt saniert worden.
6. Zur Geschichte des Weingartener Weins: Als vor 20 Jahren die erste Rebe gesetzt wurde, war sie seit fast 150 Jahren die erste. Der Weinbau in Weingarten war davor vermutlich verschwunden, weil verstärkt Hopfen angebaut wurde und das Bier aufkam. So schreibt es der Geschichtsexperte Hans Ulrich Rudolf. Schon in den 1980er- und 1990er-Jahren wollte die Stadtverwaltung den Weinberg wiederbeleben. Den entscheidenden Impuls gab, so Rudolf, der damalige OB Gerd Gerber 1999 mit einer schriftlichen Anweisung. Im Jahr 2003 wurden dann immerhin schon 80 Liter Wein produziert – von Beginn an mit dabei war der damalige städtische Verwaltungsdirektor Günter Staud. Übrigens gehört zum Pachtzins, den die Stadt dem Land zahlt, auch, dass sie jährlich zehn Flaschen des neuen Weines an das Land abtritt.