Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Angeschossener wegen 33 Delikten angeklagt
Fall um die Schüsse auf dem Münsterplatz in Weingarten geht weiter
- Im Fall der Schüsse, die in der Nacht vom 3. auf den 4. Januar 2024 auf dem Münsterplatz in Weingarten von Polizisten abgefeuert worden sind, gibt es nun eine Anklage am Amtsgericht Ravensburg. Der 26-jährige mutmaßliche Angreifer wurde damals durch einen von zwei Schüssen verletzt. Nun ist er wegen 33 Delikten angezeigt worden. Das teilt Tanja Vobiller von der Staatsanwaltschaft Ravensburg mit.
Eines dieser Delikte ist der Angriff auf die beiden Polizisten. Dafür wurde der Weingartener wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung mit Bedrohung angeklagt. Er war in der Januarnacht in Streit mit einer 17-jährigen Bekannten geraten. Die Polizei hatte versucht zu schlichten, doch der 26-Jährige – der wohl alkoholisiert war – zog ein Messer und bedrohte die
Beamten. Dabei kam er immer weiter auf sie zu, selbst ein Warnschuss hatte ihn nicht aufhalten können. Daher entschied sich der Polizist dazu, zwei Schüsse auf den Mann abzufeuern. Einer traf den Angreifer am rechten Unterarm, ein anderer durchschoss ein Fenster des Max Cafés auf dem Münsterplatz.
Schüsse vonseiten der Polizei sind in der Region „sehr selten“, wie Oliver Weißflog, Sprecher des Polizeipräsidiums Ravensburg, sagte. Normal sei hingegen, dass auch gegen den Schützen Ermittlungen wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung aufgenommen werden. Diese Ermittlungen hat das Landeskriminalamt (LKA) aus Stuttgart übernommen, sie sind aber nach wie vor nicht abgeschlossen, so Vobiller.
Der 26-Jährige sitzt immer noch in Untersuchungshaft. Er ist der Polizei seit mehreren Jahren bekannt, ist wohnsitzlos, leidet an einer Drogen- und Alkoholsucht und saß bereits im Gefängnis. Jetzt muss er sich für 33 Taten vor dem Schöffengericht verantworten. Darunter fällt nicht nur der Angriff gegen die Polizeibeamten, sondern auch Diebstahl, Sachbeschädigung und Schwarzfahren mit dem Zug. Die meisten Verstöße sammelte er allerdings, weil er den Weisungen der Führungsaufsicht keine Folge leistete.
Das bedeutet in seinem Fall: Er hat nach dem Gefängnisaufenthalt in der Vergangenheit Auf lagen bekommen, die er einhalten musste. Er durfte laut seinem Anwalt Uwe Rung keinen Alkohol trinken. Gegen diese Vorgaben verstieß er aufgrund seiner Sucht mehrmals. „Das ist nicht fair“, so Rung: „Die neue Rechtsprechung der Obergerichte sagt, dass eine solche Auflage nicht zulässig ist, wenn bekannt ist, dass eine Sucht besteht. Es wird spannend“, sagt er. Sein Mandant streite jedoch nichts ab, sei „offen und ehrlich“und habe sich bei der Vernehmung bei der Polizei entschuldigt.
Verteidiger und Angeklagter haben nun Zeit, sich zur Anklage zu äußern. Dann entscheidet das Gericht laut Tanja Vobiller über die Öffnung des Hauptverfahrens. Daran angeschlossen ist die Hauptverhandlung. „Das wird in den nächsten Monaten passieren. Wenn der Angeklagte in Untersuchungshaft sitzt, muss die Verhandlung in sechs Monaten ab der Festnahme starten“, sagt sie. Spätestens also im Juni.
Uwe Rung glaubt, dass sein Mandant nicht um eine erneute Gefängnisstrafe herumkommt. Allerdings werde er wohl eine Therapie machen und diese Zeit werde auf die Strafe angerechnet. Rung: „Sollte die Therapie erfolgreich sein, wird der Strafrest normalerweise zur Bewährung ausgesetzt.“