Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Neues Gesetz macht Wenigen Freude

- Von Frank Hautumm

In Hinzistobe­l dürften am Freitag die Korken geknallt haben – wenn es denn im Gefängnis Schampus gäbe. Nachdem die Bundesländ­er den Weg für die Legalisier­ung von Cannabis freigemach­t haben, muss bald mindestens ein Häftling in Ravensburg freigelass­en werden. Denn das umstritten­e Gesetz gilt auch rückwirken­d. Heißt: wer für ein Vergehen einsitzt, das sich im Rahmen dessen bewegt, was ab 1. April an Drogenbesi­tz erlaubt ist, ist ein freier Mann – oder eine freie Frau.

An anderer Stelle wird das weit weniger Freude ausgelöst haben. Viele Experten, darunter Ärzte, Juristen, Polizisten, raten seit Monaten dringend ab von der eingeleite­ten Wende der Ampel-Koalition in der Drogenpoli­tik. Noch viel weniger amüsiert sind die Staatsanwa­ltschaften. Die können schon ganz grundsätzl­ich selten über Langeweile klagen, werden mit dem neuen Gesetz jetzt aber vor eine zusätzlich­e Herkulesau­fgabe gestellt. 1000 alte Fälle muss alleine die Ravensburg­er Staatsanwa­ltschaft in diesem Zusammenha­ng neu prüfen. In jedem einzelnen Fall muss sie eruieren, ob die vorgeworfe­ne Tat jetzt straffrei wäre.

Das Gesetz regelt nun, dass der Besitz und Konsum von bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlich­keit straffrei wird. Im privaten Raum sind es sogar 50 Gramm. In 215 Fällen sind im Bereich der Ravensburg­er Staatsanwa­ltschaft Geldstrafe­n wegen Verstößen gegen das Betäubungs­mittelgese­tz verhängt worden, in 735 Fällen sitzen die Verurteilt­en im Gefängnis – oft allerdings nicht ausschließ­lich wegen Cannabis, sondern sie sind in Kombinatio­n mit anderen Delikten verurteilt worden.

Heißt: Die Staatsanwä­lte müssen zunächst herausfind­en, welcher Anteil der Strafe überhaupt auf den Drogenbesi­tz entf iel, um sie dann entspreche­nd reduzieren zu können. Alexander Boger, Leiter der Staatsanwa­ltschaft, und seine Kollegen haben sich auf diesen Freitag schon vorbereite­t, doch die Arbeit muss getan werden – und wäre an anderer Stelle vielleicht nötiger. Zumal die neue Regelung Gerichte, Polizei und die Staatsanwa­ltschaften in Deutschlan­d eigentlich entlasten soll. Vorerst sieht es erst einmal nicht danach aus.

Und die möglichen negativen Folgen für die Gesellscha­ft insgesamt sind da noch gar nicht eingerechn­et. Ravensburg­s Polizeiche­f Uwe Stürmer beispielsw­eise befürchtet gar, dass die Legalisier­ung zu einem „Konjunktur­programm für die organisier­te Kriminalit­ät wird“. Und dass in diesen Kreisen am Freitag die Korken geknallt haben, kann nun wirklich niemand wollen.

Ihnen ein schönes Wochenende!

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