Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Auf dem Weg zum Energieversorger
Wie eine Genossenschaft die Gemeinde Bodnegg mit Wärme versorgen will
- Auf dem Plan der Gemeinde Bodnegg sind im Ortskern 184 Gebäude grün eingezeichnet. „Das sind alles Interessenten, die sich vorstellen können, an unser Nahwärmenetz anzuschließen“, sagt Heinz Noppel. Mit „uns“meint er eine Gruppe von insgesamt sieben engagierten Bürgern und Gemeinderäten, die in Bodnegg eine Bürgerenergiegenossenschaft aus der Taufe heben wollen. Und was Noppel erzählt, ist so konkret, dass es bald losgehen kann. Erst kürzlich hat der Gemeinderat beschlossen, dass die Gemeinde in das Projekt einsteigen wird.
Das ist Rückenwind für das Projekt, für das es jetzt schon großes Interesse gibt. „Wir wollen niemandem die Nahwärme aufzwingen, sondern durch Information von der Idee überzeugen“, sagt Noppel. Offenbar hat das bei 184 Interessenten und bei der Gemeinde Bodnegg bereits geklappt. Die Kommune betreibt seit 1999 ein kleines Wärmenetz für die eigenen Gebäude, das aber erneuerungsbedürftig ist.
„Das war damals wegweisend, aber schon heute ist klar, dass wir das Netz ab 2028 nicht mehr nutzen können, und die theoretische Lebenszeit hat das Netz auch schon überschritten“, sagt Bodneggs Bürgermeister Patrick Söndgen. Es gibt eine Hackschnitzelanlage und ein Blockheizkraftwerk, das mit Gas befeuert wird. Unter anderem werden das Bildungszentrum, der Kindergarten, das Schwimmbad und die Festhalle damit beheizt.
Von der Initiative der Bürger, ein solches Nahwärmenetz zu bauen, ist der Bürgermeister angetan. Es sei charmant, als Gemeinde bei den eigenen Bürgern Kunde zu werden, so Söndgen.
Die Idee hinter der Bürgerenergiegenossenschaft ist schnell erklärt: Die Bürger nehmen die Wärmeversorgung in der Gemeinde selbst in die Hand,
machen sich unabhängig von fossilen Brennstoffen und den Preisen für Öl, Kohle und Gas auf dem Weltmarkt. Sie bauen Energiezentralen, mit denen Wärme erzeugt wird und ein Netz, das die Wärme schließlich zu den Gebäuden im Ort transportiert. Deren Besitzer beziehen die Energie von der Genossenschaft. Auch erste Ideen zur Wärmeproduktion gibt es schon, die aber noch abgewogen werden müssen.
Wer angeschlossen werden will, muss zwei Dinge tun: in die Genossenschaft eintreten und Anteile kaufen sowie eine Artanschlussgebühr entrichten. Wahrscheinlich wird ein Anteil 500 Euro
kosten. Der Anschluss an das Netz soll 15.000 Euro kosten, hat die Projektgruppe ausgerechnet. Allerdings kann nicht die gesamte Gemeinde an das Netz angeschlossen werden, weil die Distanzen zu den 96 Weilern zu groß sind. Allein im Ortskern beträgt die errechnete Trassenlänge zu den 184 Interessenten etwa 9,8 Kilometer.
Was die sieben Bodnegger Bürger bis jetzt auf die Beine gestellt haben, ist enorm. Dafür hat sich das Projektteam Expertise geholt und hat bei der Vorplanung bereits mit einem Unternehmen zusammengearbeitet. Die Kostenkalkulation sieht ein Gesamtinvestitionsvolumen von rund 8,3
Millionen Euro vor. In Städten übernehmen diese Arbeit in der Regel die Stadtwerke. Die Kommune ist mit ihren knapp 3300 Einwohnern allein kann allerdings keine eigenen Stadtwerke betreiben.
Sowohl Heinz Noppel als auch Patrick Söndgen sind überzeugt, dass es sich lohnt, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Es gehe dabei nicht nur um die Unabhängigkeit von den Weltmarktpreisen, sondern auch um eine Reduktion der Treibhausgase. Und das Potenzial ist enorm: Der errechnete Wärmebedarf beläuft sich auf 5,3 Millionen Kilowattstunden, der dann durch klimafreundliche Wärmegewinnung erzeugt werden soll. „Dadurch lassen sich ungefähr 530.000 Liter Heizöl einsparen“, sagt Noppel. Daran hat die Gemeinde ein Interesse, denn auch sie muss Klimaziele erreichen.
Wie die Energie in Bodnegg erzeugt werden soll, ist noch nicht sicher. Geothermie komme nicht infrage, weil sie für ein so großes Netz zu teuer ist; Wärmeerzeugung durch Strom aus Windkraft schließen die Macher aus, weil keine Windräder in der Nähe möglich sind. Auch Pyrolyse und Hydrolyse scheiden aus. Ansonsten sei man in Bodnegg offen. Die Möglichkeiten reichen von Solarthermie über Hackschnitzel bis hin zu Holzvergaser. Auch wo die Energie erzeugt werden soll, ist noch offen.
Auf dem Plan mit den 184 grünen Häusern, den Heinz Noppel und Patrick Söndgen zeigen, sind noch einige Flächen weiß. „Vielleicht überlegen sich noch mehr Leute, in die Energiegenossenschaft einzusteigen und einen Anschluss legen zu lassen“, sagt Noppel. Der nächste Meilenstein im Projekt ist die Gründung der Genossenschaft, dann kann diese auch tätig werden. Dies steht, so der Plan, noch im Mai an. 2025 will man in die Ausschreibung gehen und eventuell mit dem Bau des Netzes beginnen.