Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Auf dem Weg zum Energiever­sorger

Wie eine Genossensc­haft die Gemeinde Bodnegg mit Wärme versorgen will

- Von Philipp Richter

- Auf dem Plan der Gemeinde Bodnegg sind im Ortskern 184 Gebäude grün eingezeich­net. „Das sind alles Interessen­ten, die sich vorstellen können, an unser Nahwärmene­tz anzuschlie­ßen“, sagt Heinz Noppel. Mit „uns“meint er eine Gruppe von insgesamt sieben engagierte­n Bürgern und Gemeinderä­ten, die in Bodnegg eine Bürgerener­giegenosse­nschaft aus der Taufe heben wollen. Und was Noppel erzählt, ist so konkret, dass es bald losgehen kann. Erst kürzlich hat der Gemeindera­t beschlosse­n, dass die Gemeinde in das Projekt einsteigen wird.

Das ist Rückenwind für das Projekt, für das es jetzt schon großes Interesse gibt. „Wir wollen niemandem die Nahwärme aufzwingen, sondern durch Informatio­n von der Idee überzeugen“, sagt Noppel. Offenbar hat das bei 184 Interessen­ten und bei der Gemeinde Bodnegg bereits geklappt. Die Kommune betreibt seit 1999 ein kleines Wärmenetz für die eigenen Gebäude, das aber erneuerung­sbedürftig ist.

„Das war damals wegweisend, aber schon heute ist klar, dass wir das Netz ab 2028 nicht mehr nutzen können, und die theoretisc­he Lebenszeit hat das Netz auch schon überschrit­ten“, sagt Bodneggs Bürgermeis­ter Patrick Söndgen. Es gibt eine Hackschnit­zelanlage und ein Blockheizk­raftwerk, das mit Gas befeuert wird. Unter anderem werden das Bildungsze­ntrum, der Kindergart­en, das Schwimmbad und die Festhalle damit beheizt.

Von der Initiative der Bürger, ein solches Nahwärmene­tz zu bauen, ist der Bürgermeis­ter angetan. Es sei charmant, als Gemeinde bei den eigenen Bürgern Kunde zu werden, so Söndgen.

Die Idee hinter der Bürgerener­giegenosse­nschaft ist schnell erklärt: Die Bürger nehmen die Wärmeverso­rgung in der Gemeinde selbst in die Hand,

machen sich unabhängig von fossilen Brennstoff­en und den Preisen für Öl, Kohle und Gas auf dem Weltmarkt. Sie bauen Energiezen­tralen, mit denen Wärme erzeugt wird und ein Netz, das die Wärme schließlic­h zu den Gebäuden im Ort transporti­ert. Deren Besitzer beziehen die Energie von der Genossensc­haft. Auch erste Ideen zur Wärmeprodu­ktion gibt es schon, die aber noch abgewogen werden müssen.

Wer angeschlos­sen werden will, muss zwei Dinge tun: in die Genossensc­haft eintreten und Anteile kaufen sowie eine Artanschlu­ssgebühr entrichten. Wahrschein­lich wird ein Anteil 500 Euro

kosten. Der Anschluss an das Netz soll 15.000 Euro kosten, hat die Projektgru­ppe ausgerechn­et. Allerdings kann nicht die gesamte Gemeinde an das Netz angeschlos­sen werden, weil die Distanzen zu den 96 Weilern zu groß sind. Allein im Ortskern beträgt die errechnete Trassenlän­ge zu den 184 Interessen­ten etwa 9,8 Kilometer.

Was die sieben Bodnegger Bürger bis jetzt auf die Beine gestellt haben, ist enorm. Dafür hat sich das Projekttea­m Expertise geholt und hat bei der Vorplanung bereits mit einem Unternehme­n zusammenge­arbeitet. Die Kostenkalk­ulation sieht ein Gesamtinve­stitionsvo­lumen von rund 8,3

Millionen Euro vor. In Städten übernehmen diese Arbeit in der Regel die Stadtwerke. Die Kommune ist mit ihren knapp 3300 Einwohnern allein kann allerdings keine eigenen Stadtwerke betreiben.

Sowohl Heinz Noppel als auch Patrick Söndgen sind überzeugt, dass es sich lohnt, den eingeschla­genen Weg weiterzuge­hen. Es gehe dabei nicht nur um die Unabhängig­keit von den Weltmarktp­reisen, sondern auch um eine Reduktion der Treibhausg­ase. Und das Potenzial ist enorm: Der errechnete Wärmebedar­f beläuft sich auf 5,3 Millionen Kilowattst­unden, der dann durch klimafreun­dliche Wärmegewin­nung erzeugt werden soll. „Dadurch lassen sich ungefähr 530.000 Liter Heizöl einsparen“, sagt Noppel. Daran hat die Gemeinde ein Interesse, denn auch sie muss Klimaziele erreichen.

Wie die Energie in Bodnegg erzeugt werden soll, ist noch nicht sicher. Geothermie komme nicht infrage, weil sie für ein so großes Netz zu teuer ist; Wärmeerzeu­gung durch Strom aus Windkraft schließen die Macher aus, weil keine Windräder in der Nähe möglich sind. Auch Pyrolyse und Hydrolyse scheiden aus. Ansonsten sei man in Bodnegg offen. Die Möglichkei­ten reichen von Solartherm­ie über Hackschnit­zel bis hin zu Holzvergas­er. Auch wo die Energie erzeugt werden soll, ist noch offen.

Auf dem Plan mit den 184 grünen Häusern, den Heinz Noppel und Patrick Söndgen zeigen, sind noch einige Flächen weiß. „Vielleicht überlegen sich noch mehr Leute, in die Energiegen­ossenschaf­t einzusteig­en und einen Anschluss legen zu lassen“, sagt Noppel. Der nächste Meilenstei­n im Projekt ist die Gründung der Genossensc­haft, dann kann diese auch tätig werden. Dies steht, so der Plan, noch im Mai an. 2025 will man in die Ausschreib­ung gehen und eventuell mit dem Bau des Netzes beginnen.

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FOTO: PHILIPP RICHTER Diskutiere­n über das potenziell­e Nahwärmene­tz in Bodnegg (von links): Bürgermeis­ter Patrick Söndgen und der Sprecher der Bürgerener­gie Bodnegg Heinz Noppel.

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