Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Fastenbrezeln sind wieder los
Biberacher Bäcker backen Tausende Fastenbrezeln – 1598 erstmals urkundlich erwähnt
- Für viele Fremde ist der Rummel um die Fastenbrezeln ein Phänomen, für die Biberacher allerdings ganz normal. Denn pünktlich nach Weihnachten kommen in jedem Jahr das Verlangen und der Appetit auf die Biberacher Fastenbrezel wieder. Die Schlange vor der Bäckerei Häring in der Pfluggasse ist kaum zu übersehen, und fast alle wollen nur eines: frische warme Fastenbrezeln kaufen.
„Wenn die frisch aus dem Ofen kommen und die Kunden mit ihren Tüten durch die Stadt laufen, dann riecht ganz Biberach nach frischen Fasten“, erzählt Manfred Häring. „Das ist für mich ein ganz besonderes Erlebnis.“Er ist mit dem Backen der Fastenbrezeln großgeworden: „In unserer Familie hat das immer eine sehr große Rolle gespielt“, erinnert er sich. „Schon mein Urgroßvater hat den Biberachern versprochen, rund um die Uhr zu backen und wir haben das bis heute beibehalten.“Doch nicht nur in der Pfluggasse werden täglich die leckeren Brezeln ohne Lauge gebacken. Die Fastenbrezel gehört bei den Biberacher Bäckern in dieser Jahreszeit einfach dazu.
1598 wird die Biberacher Fastenbrezel erstmals urkundlich erwähnt. Heinrich von Pflummern war damals Bürgermeister von Biberach und stellte die Urkunde persönlich aus. Er stiftete den Aussätzigen, genannt Sondersiechen, die außerhalb am Stadtrand Biberachs im Magdalenenhospital untergebracht waren, Fastenbrezeln.
In diesem Brief, der Urkunde, tat er kund, „dass er sich mit freiem gutem Willen, wohlbedachtem Sinn (...) und rechtem Wissen aus katholischem Eifer und zur Ehre Gottes und der Mutter Maria“den armen bedürftigen Leuten widmet. Mit dem Grundzins aus seinem Haus am Weberberg spendierte er den armen Menschen damals die Fastenbrezeln: „Woraus die armen Sondersiechen alljährlich mit Brezgen oder Ringen, wie man sie überall in der Stadt jedes Jahr in der 40-tägigen Fastenzeit zu backen pflegt, bekommen sollen.“(Wortlaut der Urkunde von der Redaktion frei übersetzt.)
Seit damals wurde das Rezept von Generation zu Generation weitergegeben und bis heute perfektioniert. Und doch schmecken sie überall ein bisschen anders. „Das Rezept ist einfach und kein Geheimnis“, sagt Manfred Häring von der Bäckerei Häring. „Die Liebe zum Detail macht die Fastenbrezeln allerdings erst perfekt, es muss alles in Harmonie und in einem bestimmten zeitlichen Rahmen ablaufen.“
So sieht das auch Erich Bold von der Bäckerei Bold: „Das Rezept ist nicht ausschlaggebend, sondern die Art und Weise, wie man die Fastenbrezel macht.“Das Besondere für ihn ist die Tatsache, dass die Fastenbrezel wirklich eine Biberacher Spezialität ist. „Die Laupheimer beispielsweise wissen gar nicht, wie die gemacht wird.“
Alexander Keim von der Bäckerei Keim & Brecht schätzt ebenfalls das Alleinstellungsmerkmal des Gebäcks: „Dass eine Stadt so eine Spezialität hat, gibt es nicht so häufig. Das macht unsere Fastenbrezel aus.“
Gustav Eisinger von der Bäckerei Eisinger erinnert sich beim Thema Fastenbrezel noch gut an seine Kindheit: „Ich bin ja in der Bäckerei groß geworden. Immer nach Weihnachten war so eine Art Saisoneröffnung. Das war jedes Jahr ein prägnantes Datum, weil es einen anderen Tagesablauf bedingte, da die Brezeln den ganzen Tag über gebacken werden.“Zum Ablauf von früher verrät er so viel: „Ich habe immer geholfen die Brezeln ins heißes Wasser zu legen und der Vater hat sie in den Ofen geschubst.“Der ungebackene Teig werde im Vorfeld gekocht. Die Brezeln werden anschließend nicht auf dem Backblech, sondern direkt auf der Ofenplatte gebacken und haben nur eine sehr kurze Backzeit.
Auch Paul Traub von der Bäckerei Traub kennt das Rezept genau: „Wir machen die schon seit 40 Jahren, ich kenne die Fastenbrezeln schon aus meiner Kindheit“, erzählt er. „Es ist einfach Tradition, dass es die nach Weihnachten gibt, die Leute warten förmlich darauf.“Doch nicht, weil die Fastenbrezel ein bisschen weniger Kalorien habe als eine Laugenbrezel, sondern einfach nur, weil sie so gut schmeckt.
Eine Legende lebt in Biberach
Die Legende von der Biberacher Fastenbrezel geht übrigens folgendermaßen: Ein Biberacher Brezelbäck wollte in der Fastenzeit Laugenbrezeln backen. Da der Lehrling vergessen hatte, die Lauge anzusetzen – was damals noch eine langwierige Prozedur war – warf der erboste Meister die Teigbrezeln in einen Bottich mit kochendem Wasser statt in Lauge, bevor er sie in den Ofen schob. Heraus kam die Fastenbrezel. Und damit war die Biberacher Fastenbrezel geboren.