Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Profi-Skizirkus und leere Rathauskassen
Oberstdorf und Garmisch haben sich mit Wintersport-Events heftig verschuldet
- Wenn die Klimaforscher nicht irren, werden GarmischPartenkirchen und Oberstdorf die letzten deutschen Gemeinden sein, die zum Ende des Jahrhunderts noch alpinen Skisport bieten können. Doch dieses Alleinstellungsmerkmal ist für Einheimische und Kämmerer offenbar kein Gewinn. Die einst reichen Skidörfer kämpfen gegen die Pleite. Vor allem wegen horrender Wintersport-Investitionen für teure Großveranstaltungen.
Die Oberstdorfer Räte haben derzeit eine besonders harte Nuss zu knacken. 11,6 Millionen Euro lauten die Kostenschätzungen für die Ertüchtigung der Heini-Klopfer-Skiflugschanze, die in ihrem aktuellen Zustand den Anforderungen des Internationalen Skiverbandes FIS nicht mehr genügt. Dumm nur, dass Oberstdorf den Zuschlag für die Skiflug-Weltmeisterschaft im Jahr 2018 bereits erhalten hat. Und noch dümmer, dass die Oberallgäuer Gemeinde notorisch klamm ist, spätestens seit den Nordischen Skiweltmeisterschaften im Februar 2005.
Garmisch-Partenkirchen hat ein solches Abenteuer bereits hinter sich: Acht bis neun Millionen Euro sollte die neue Olympiaschanze dort kosten, am Ende wurden es 15 Millionen Euro. Insgesamt, rechnete die damalige SPD-Fraktionsvorsitzende im Marktgemeinderat vor, seien von der Jahrtausendwende bis zur Alpinen Skiweltmeisterschaft des Jahres 2011 rund 65 Millionen Euro in Wintersportanlagen gesteckt worden: „Mir ist das zu viel“, schimpfte Sigrid Meierhofer damals schon, „ich glaube nicht, dass sich diese Investitionen rechnen.“
Heute ist die promovierte Ärztin aus dem schwäbischen Rottweil nach einem sensationellen Wahlsieg selber Bürgermeisterin in GarmischPartenkirchen. Und sie muss in diesem Amt zunehmend den Mangel verwalten. Sogar die städtischen Sozialwohnungen sind zur Haushaltssanierung verkauft. Eine praktisch schon beschlossene Erweiterung der Fußgängerzone im Ortsteil Partenkirchen liegt auf Eis. Die dringend notwendige Sanierung der Gemeindestraßen muss gestreckt werden. Sogar die 30 000 Euro Zuschuss für ein historisches Fest, das früher den Kaufleuten und Gastwirten ordentlich Geld in die Kassen brachte, fielen dem Rotstift zum Opfer. Auch die
Die Oberstdorfer Gemeinderätin Bergith Hornbacher- Burgstaller von den Grünen zu den Investitionen für
die Skiflug- WM 2018 Oberstdorfer haben in ihrer Finanznot vor zwei Jahren mit dem Hamburger Laurent Mies einen Zugereisten zum Rathauschef gewählt. Nach einem Kassensturz verhängte der parteilose Rechtsanwalt erst mal eine Haushaltssperre: „Es ist keine freie Finanzspanne mehr vorhanden“, eröffnete er in hanseatischer Nüchternheit den Oberstdorfer Räten. Fast 63 Millionen Euro Schulden hatte die Marktgemeinde ihren knapp 10 000 Bürgern angehäuft. Den Löwenanteil von 58 Millionen in der 29 Jahre währenden Amtszeit des vielfach legendären CSU-Bürgermeisters Eduard Geyer, der schon mal in den Sitzungsstreik trat, als ihm der Gemeinderat weitere Kreditaufnahmen verweigern wollte.
Zu Geyers Nachlass gehört unter anderem eine Kunsteisanlage mit drei Hallen und jährlich 400 000 Euro Folgekosten. Und auch ein Thermalbad, das mittlerweile so renovierungsbedürftig ist, dass es die Räte schon aufgeben wollten, weil kein Geld für die Umbaukosten in der Rathauskasse ist. Zu den Ursachen solcher Not zählen sie in Oberstdorf auch die Nordische Skiweltmeisterschaft 2005 mit neuen Sportanlagen für 23 Millionen Euro. Obwohl den Löwenanteil Bund und Land finanzierten, blieben reichlich Kosten an der Gemeinde hängen, die damals sogar für 2,4 Millionen Euro WMSchuldscheine auflegte und Betteltouren bei privaten Sponsoren auf sich nehmen musste.
Dumm gelaufen
So oder so: Den Zuschlag für die Skiflug-Weltmeisterschaft des Jahres 2018 hat Oberstdorf bereits und nun hoffen sie, dass Bund und Land bei der dazu nötigen Ertüchtigung der Heini-Klopfer-Skiflugschanze den Löwenanteil übernehmen. An die zwei Millionen Euro werden trotzdem am Rathaus hängen bleiben, fürchtet Gemeinderätin Bergith Hornbacher-Burgstaller von den Grünen: „Geld, das wir nicht haben. So kommen wir nie aus der Schuldenfalle.“
Irgendwie saudumm, dass Oberstdorf obendrein bisher mit allen Versuchen scheiterte, eine Neuauflage der Nordischen Skiweltmeisterschaften in den Ort zu holen, solange die Anlagen aus dem Jahr 2005 den Sportverbänden noch modern genug sind. Aber die Rechnung mit Folgeveranstaltungen geht wohl nicht nur in Oberstdorf nicht auf. Auch in Garmisch-Partenkirchen suchen sie ziemlich erfolglos nach besserer Auslastung für die neue Olympiaschanze. In der Bürgerschaft ist deutliche Ernüchterung eingetreten. Die Hoffnung, dass mit sportlichen Großveranstaltungen für GastgeberGemeinden Geld zu verdienen sei, erfuhr dort mit dem Bürgerentscheid gegen weitere Bewerbungen für Olympische Spiele eine bundesweit beachtete Abfuhr.
Streit um Rathausgeld für WM
Womöglich kein Wunder nach den Garmischer Erfahrungen mit der Alpinen Skiweltmeisterschaft im Jahr 2011: Auf einen Anteil an den angeblich 5 Millionen Euro, die der Internationale Skiverband mit dem Event erwirtschaftet haben soll, warten sie im Rathaus bis heute.
Die Hotelzimmer waren während der Wettbewerbe deutlich schlechter gebucht als in normalen Jahren und die Zugspitzbahn verzeichnete spürbaren Fahrgästeschwund. Die neue SPD-Bürgermeisterin streitet mit dem örtlichen Skiklub um die wohl irgendwie immer noch offene Frage, wie viel Rathausgeld die WM gekostet hat.
Zumindest in anderen bayerischen Gemeinden sorgen solche Erlebnisse für Ernüchterung: In Kaufbeuren zum Beispiel hat der Stadtrat eben Pläne für ein neues, rund 20 Millionen teures Eisstadion abgewimmelt. Nachdem sich ein Verein gegen das Projekt formiert hat, soll es erst mal eine Bürgerbefragung in der Allgäuer Eishockey-Hochburg geben. Und in Garmisch erzählt ein alterfahrener Hotelier wie es früher gewesen sei mit den Investitionen: „Da kamen immer wieder ein paar Gemeinderäte aus Oberstdorf vorbei und sagten, dass sie erst mal schauen wollen, ob es sich bei uns rentiert. Natürlich haben wir das umgekehrt genauso gemacht.“Aber in unseren Tagen haben die Kundschafter womöglich nicht mehr so genau hingeschaut.
„Geld, das wir nicht haben. So kommen wir
nie aus der Schuldenfalle.“