Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Vom guten Jungen zum Alptraum
Der Weg eines 22-jährigen Dänen mit palästinensischen Wurzeln zum Attentäter
- Der Attentäter von Kopenhagen soll ein unbeherrschter junger Mann gewesen sein, voll Hass auf Juden, gerade erst aus dem Gefängnis entlassen. Omar Abdel Hamid El-Hussein, ein 22-jähriger Kopenhagener mit palästinensischen Wurzeln, hat am Wochenende zwei Menschen getötet, bevor er selbst starb. Im bei Migranten beliebten Stadtteil Nørrebro hatten Polizisten ihn erschossen. Nun liegen Blumen neben der Tür, vor der Omar Abdel Hamid El-Hussein starb.
Die Polizei ist überzeugt, dass es El-Hussein war, der mit seinen Anschlägen auf ein Kulturcafé und eine Synagoge den Terror für 14 Stunden nach Kopenhagen brachte. Zwischendurch hielt er sich hier auf, am Svanevej, und in dem Internetcafé „Power-Play“in der Nähe.
Schockierter Vater
Nur wenige Hundert Meter Luftlinie entfernt von der Adresse liegt der Mjølnerpark – ein riesiger Wohnblock, flankiert von einer weitläufigen Rasenfläche mit einem Fußballfeld. An einer Wohnungstür trifft ein Reporter der „Jyllands-Posten“den Vater von El-Hussein an. „Ich bin genauso schockiert wie der Rest der Welt.“Mehr will er nicht sagen.
Berichten zufolge sind er und seine Frau Palästinenser, sein Sohn aber wurde hier geboren, wuchs in Dänemark auf. Aus seiner Abneigung ge- gen Juden machte er angeblich kein Geheimnis. „Er hatte keine Angst, laut auszusprechen, dass er Juden hasste“, sagt ein früherer Klassenkamerad dem „Ekstrabladet“. Der Konflikt zwischen Israel und Palästina war ein Thema, das er immer wieder mit Mitschülern diskutierte. Von einer Minute auf die andere konnte er völlig aus der Haut fahren.
Zuletzt war El-Hussein zum Zentrum für Erwachsenenbildung im Kopenhagener Vorort Hvidovre gegangen, hatte dort auf seine Hochschulreife hingearbeitet. „Er war ein sehr fleißiger und begabter Schüler“, sagt der Rektor Peter Zinkernagel dem dänischen Fernsehen.
Das Gebäude neben der S-BahnStation Åmarken ist ein trister grauer Klotz mit vier langen Fensterreihen und einer Baustelle davor. „Ich habe ihn manchmal auf dem Flur mit seinen Freunden gesehen“, erzählt Selina, die hier auch zur Schule geht. Das zierliche Mädchen wedelt aufgeregt mit einer Zeitung, auf dessen Titelseite das Bild des mutmaßlichen Täters prangt. Das erscheine ihr alles so unwirklich.
Messerattacke in der S-Bahn
So genau kann sich die 20-Jährige erinnern, weil sie sein Bild schon einmal in der Zeitung gesehen hat. Im November 2013, als El-Hussein in einer S-Bahn mit einem Messer auf einen Jugendlichen eingestochen hat – nach eigener Aussage unter Haschisch-Einfluss. Damals hatte sich Selina bei der Polizei gemeldet, weil sie ihn erkannt hatte. „Der geht doch auf meine Schule, habe ich gedacht.“
Das war das Ende der schulischen Laufbahn von El-Hussein, der für die Ermittler da schon kein Unbekannter war. Anfang 2014 kam er ins Gefängnis. Eigentlich sollte er für zwei Jahre einsitzen, doch vor zwei Wochen wurde El-Hussein entlassen.
Danach sei er ein anderer Mensch gewesen, erzählen Freunde. Habe auf einmal nicht mehr dieselben Themen gehabt wie sie. Im Gefängnis soll er den Wunsch geäußert haben, sich der Terrormiliz Islamischer Staat anzuschließen. „Vor der Zeit im Gefängnis war er jedenfalls ein richtig cooler Kerl, sehr ruhig“, beschreibt ihn ein Nachbar aus dem Mjølnerpark. Habe sich mit den anderen Jungen aus dem Wohnblock getroffen. Sei im bürgerlichen Østerbro zum Thaiboxen gegangen. Im selben Stadtteil, in dem er in dunkler Skikleidung und mit rot-orangenem Halstuch vermummt das Feuer auf das Café „Krudttønden“eröffnete.
Hier sammeln sich nach dem Attentat Journalisten, Politiker, Angehörige, Kopenhagener. Wer der junge Mann wirklich war, der ihre Stadt in einen Terror-Tatort verwandelt hat, und wieso er ausrastete, können sie da immer noch nicht ganz begreifen.