Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ägyptens Präsident schlägt aus Enthauptungen Kapital
Nach den Morden des IS an 21 Kopten bombardiert die ägyptische Luftwaffe dessen Stellungen in Libyen
- Die IS-Miliz expandiert: In Ägypten wie Libyen gibt es Zellen der Extremisten. Nun zeigt ein Video den Tod mehrerer ägyptischer Kopten. So blutig die Tat ist – der Diktatur am Nil spielt sie in die Hände.
Dass sie hier am Mittelmeer sind, Europa nur wenige Kilometer entfernt, soll so beiläufig wie möglich rüber kommen. Sie stünden „heute im Süden Roms, in Libyen“, sagt ein Vermummter in die Kamera. Hinter ihm branden graue Wellen am Ufer. Dann hebt er drohend ein Messer und sagt: „Wir werden das Meer mit eurem Blut tränken.“
In Overalls gesteckte Geiseln
Die Szene ist Teil eines am Sonntag im Internet verbreiteten Videos der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Wie bei vorherigen Filmen inszenieren die Dschihadisten das Grauen bis ins Detail. Dutzende in Schwarz gekleidete Männer schleppen ihre in orange Overalls gesteckte Geiseln an den Strand und bauen sich in einer Reihe auf. Bei den Geiseln soll es sich um 21 entführte Ägypter handeln.
Alle sind Mitglieder der christlichen Minderheit der Kopten, die um den Jahreswechsel verschwanden. Die Männer hätten als Gastarbeiter in dem Bürgerkriegsland gearbeitet, bestätigte die koptische Kirche. Der Reihe nach drücken die Extremisten ihre Opfer in den Sand. Dann ist zu sehen, wie sie deren Köpfe abschneiden. Das Video trägt den Titel „Eine in Blut geschriebene Nachricht an die Nation des Kreuzes“. Damit richtet sich der IS erstmals bewusst an Christen – und produzierte wahrscheinlich erstmals ein Schreckensvideo außerhalb des selbst ernannten „Kalifats“in Syrien und dem Irak.
Vor rund drei Monaten schwor eine Miliz ehemaliger Rebellen in Libyen dem IS die Treue. Mit dem Video liefern sie nun den Beweis, wie weit sich die IS-Ideologie exportieren lässt. Im ölreichen Libyen tobt seit Monaten ein blutiger Machtkampf zwischen zwei Regierungen. Der IS hat sich das Chaos zunutze gemacht. Nun, wo die Regierungen seit Mitte vergangener Woche erstmals auf UN-Vermittlung an einem Tisch sitzen, startet der libysche Ableger seine Propagandaschlacht.
Kampfjets gegen IS-Stellungen
Ägypten reagierte am Montag mit aller Härte auf die Tötung seiner Landsleute. Am frühen Morgen starteten Kampfjets ins Nachbarland und bombardierten IS-Stellungen. Die Luftwaffe der mit Kairo verbündeten Regierung aus Ostlibyen flog nach eigenen Angaben ebenfalls Angriffe. Die von Islamisten geführte westlibysche Regierung nannte die Schläge hingegen einen „Angriff auf die Souveränität“des Landes.
Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi sucht nun den offenen Kampf. Die toten Kopten gelten als „Märtyrer“, im Land wurde eine siebentägige Staatstrauer ausgerufen. Aus den Dschihadisten vor der Haustür schlägt al-Sisi innen- wie außenpolitisch Kapital. Der Kampf gegen den Terror ist al-Sisis einzige Ausrede, um Vergehen an der Bevölkerung – auch international – zu rechtfertigen.
Das Spiel von al-Sisis scheint aufzugehen: Erst am Montag unterzeichneten Ägypten und Frankreich einen Waffendeal über 24 französischen Rafale-Jets. Laut französischen Medien wird Kairo die Flugzeuge aber vorerst nur für eine Parade geliehen bekommen. Geliefert werde erst später.