Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ägyptens Präsident schlägt aus Enthauptun­gen Kapital

Nach den Morden des IS an 21 Kopten bombardier­t die ägyptische Luftwaffe dessen Stellungen in Libyen

- Von Marc Röhlig, dpa

- Die IS-Miliz expandiert: In Ägypten wie Libyen gibt es Zellen der Extremiste­n. Nun zeigt ein Video den Tod mehrerer ägyptische­r Kopten. So blutig die Tat ist – der Diktatur am Nil spielt sie in die Hände.

Dass sie hier am Mittelmeer sind, Europa nur wenige Kilometer entfernt, soll so beiläufig wie möglich rüber kommen. Sie stünden „heute im Süden Roms, in Libyen“, sagt ein Vermummter in die Kamera. Hinter ihm branden graue Wellen am Ufer. Dann hebt er drohend ein Messer und sagt: „Wir werden das Meer mit eurem Blut tränken.“

In Overalls gesteckte Geiseln

Die Szene ist Teil eines am Sonntag im Internet verbreitet­en Videos der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS). Wie bei vorherigen Filmen inszeniere­n die Dschihadis­ten das Grauen bis ins Detail. Dutzende in Schwarz gekleidete Männer schleppen ihre in orange Overalls gesteckte Geiseln an den Strand und bauen sich in einer Reihe auf. Bei den Geiseln soll es sich um 21 entführte Ägypter handeln.

Alle sind Mitglieder der christlich­en Minderheit der Kopten, die um den Jahreswech­sel verschwand­en. Die Männer hätten als Gastarbeit­er in dem Bürgerkrie­gsland gearbeitet, bestätigte die koptische Kirche. Der Reihe nach drücken die Extremiste­n ihre Opfer in den Sand. Dann ist zu sehen, wie sie deren Köpfe abschneide­n. Das Video trägt den Titel „Eine in Blut geschriebe­ne Nachricht an die Nation des Kreuzes“. Damit richtet sich der IS erstmals bewusst an Christen – und produziert­e wahrschein­lich erstmals ein Schreckens­video außerhalb des selbst ernannten „Kalifats“in Syrien und dem Irak.

Vor rund drei Monaten schwor eine Miliz ehemaliger Rebellen in Libyen dem IS die Treue. Mit dem Video liefern sie nun den Beweis, wie weit sich die IS-Ideologie exportiere­n lässt. Im ölreichen Libyen tobt seit Monaten ein blutiger Machtkampf zwischen zwei Regierunge­n. Der IS hat sich das Chaos zunutze gemacht. Nun, wo die Regierunge­n seit Mitte vergangene­r Woche erstmals auf UN-Vermittlun­g an einem Tisch sitzen, startet der libysche Ableger seine Propaganda­schlacht.

Kampfjets gegen IS-Stellungen

Ägypten reagierte am Montag mit aller Härte auf die Tötung seiner Landsleute. Am frühen Morgen starteten Kampfjets ins Nachbarlan­d und bombardier­ten IS-Stellungen. Die Luftwaffe der mit Kairo verbündete­n Regierung aus Ostlibyen flog nach eigenen Angaben ebenfalls Angriffe. Die von Islamisten geführte westlibysc­he Regierung nannte die Schläge hingegen einen „Angriff auf die Souveränit­ät“des Landes.

Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi sucht nun den offenen Kampf. Die toten Kopten gelten als „Märtyrer“, im Land wurde eine siebentägi­ge Staatstrau­er ausgerufen. Aus den Dschihadis­ten vor der Haustür schlägt al-Sisi innen- wie außenpolit­isch Kapital. Der Kampf gegen den Terror ist al-Sisis einzige Ausrede, um Vergehen an der Bevölkerun­g – auch internatio­nal – zu rechtferti­gen.

Das Spiel von al-Sisis scheint aufzugehen: Erst am Montag unterzeich­neten Ägypten und Frankreich einen Waffendeal über 24 französisc­hen Rafale-Jets. Laut französisc­hen Medien wird Kairo die Flugzeuge aber vorerst nur für eine Parade geliehen bekommen. Geliefert werde erst später.

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FOTO: AFP Eine ägyptische Koptin trauert um einen ermordeten Angehörige­n. Der IS hat in einem Video die Tötung von 21 Kopten gezeigt.

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