Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Verdi nimmt die Privatwirt­schaft als Messlatte

Für die Beamten und Angestellt­en der Länder fordern die Gewerkscha­ften deutlich mehr Geld

- Von Antje Schroeder

- „Die Beschäftig­ten erwarten eine deutliche Reallohnst­eigerung“, sagte der Verhandlun­gsführer der Gewerkscha­ft Verdi, Frank Bsirske, zum Auftakt der Gespräche in Berlin. Die Länder wiesen dagegen die Forderunge­n als „realitätsf­ern“zurück und legten selbst kein Angebot vor. Nach der ergebnislo­sen ersten Runde stehen die nächsten Verhandlun­gen Ende Februar in Potsdam an.

Für die 800 000 Angestellt­en der Länder wollen die Gewerkscha­ften Verdi und Beamtenbun­d 5,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt durchsetze­n. Mindestens sollen die Bezüge um 175 Euro steigen – davon profitiere­n besonders die unteren Besoldungs­gruppen. Die Gewerkscha­ften verweisen darauf, dass die Gehälter der Beschäftig­ten in den Ländern denen in der Gesamtwirt­schaft, aber auch bei Bund und Ländern hinterherh­inken. So sind die Löhne der Landesbedi­ensteten laut der gewerkscha­ftseigenen Hans-Böckler-Stiftung seit 2000 um 34,6 Prozent gestiegen, in der Gesamtwirt­schaft hingegen um 37,7 Prozent und in einzelnen Industriez­weigen wie der Chemiebran­che sogar um 44,5 Prozent. Die Landesbedi­ensteten verdienen zudem fast vier Prozent weniger als ihre Kollegen bei Bund und Kommunen. Mit mickrigen Lohnabschl­üssen könne die Politik angesichts des immer dramatisch­eren Fachkräfte­mangels nicht mehr Interessen­ten anlocken, sagte der Chef des Beamtenbun­des, Klaus Dauderstäd­t. Die Gewerkscha­ften fordern zudem, dass die Tarifergeb­nisse auf die 1,9 Millionen Beamten und Pensionäre übertragen werden.

Angespannt­e Kassenlage

Die Länder halten die Tarifforde­rungen für unrealisti­sch und rufen zu Mäßigung auf. Am Montag legten die Arbeitgebe­r kein Angebot vor. Die Länder verweisen auf die angespannt­e Kassenlage angesichts der Schuldenbr­emse. Berücksich­tigt werden müsse auch die niedrige Inflations­rate. Derzeit würden die Be- schäftigte­n spürbar von der sehr geringen Teuerungsr­ate, etwa durch billiges Benzin, profitiere­n, sagte der Vorsitzend­e der Tarifgemei­nschaft deutscher Länder, Sachsen-Anhalts Finanzmini­ster Jens Bullerjahn (SPD). Bullerjahn lehnte zudem die Gewerkscha­ftsforderu­ng nach einer überpropor­tionalen Erhöhung für die unteren Lohngruppe­n ab, die ein Plus von bis zu 11,1 Prozent bedeuten könnte. „Der Öffentlich­e Dienst tut sich keinen Gefallen, wenn er sich auf einen Einheitslo­hn zubewegt“, sagte Bullerjahn.

Für Streikdroh­ungen ist es laut Verdi-Chef Bsirske noch zu früh. Wenn es aber am Verhandlun­gstisch stocke, gehe er davon aus, dass die Beschäftig­ten bereit seien, „Flagge zu zeigen“. Der Erwartungs­druck ist laut Gewerkscha­ft groß. „Wenn nach der dritten Runde Mitte März kein diskutable­s Angebot auf den Tisch kommt, drohen eine Urabstimmu­ng und ein Arbeitskam­pf vor Ostern“, sagte Beamtenbun­d-Chef Dauderstäd­t. Gestreikt werden könnte an Schulen, in Universitä­tskliniken, möglicherw­eise auch bei der Polizei oder in der Finanzverw­altung.

Lösung für Lehrer

Gut dagegen stehen die Chancen, dass man sich bei der Lehrereing­ruppierung einigen kann. Die Gewerkscha­ften kämpfen seit Jahren für eine bundesweit einheitlic­he tarifliche Entgeltord­nung für die 200 000 angestellt­en Lehrer. Bisher können die Länder einseitig die Einstufung vornehmen – mit der Folge, dass die Gehälter je nach Bundesland und Fächerkomb­ination um 600 bis 1000 Euro schwanken können.

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FOTO: DPA Warnstreik von Verdi: Die Gewerkscha­ft will mehr Geld.

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