Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zum Haarschnit­t in den Vatikan

Seit Montag gibt es am Petersplat­z in Rom einen Friseur für Obdachlose

- Von Annette Reuther

(dpa) - Papst Franziskus hat sich den Armen verschrieb­en. Unter den Kolonnaden des Petersplat­zes hat Papst Franziskus nicht nur Duschen für Obdachlose einrichten lassen, sondern jetzt auch einen Friseur. Nicht jedem gefällt das.

In der einen Schlange stehen Tausende Touristen, um den monumental­en Petersdom anzuschaue­n. In der anderen, wenige Meter daneben, steht ein Dutzend Obdachlose­r, um endlich mal wieder zu duschen oder einen Haarschnit­t zu bekommen. „Es ist wunderbar, hier arbeiten Menschen mit Herz, es gibt alles, Spiegel, einen richtigen Friseur-Stuhl“, schwärmt Barbara, eine der ersten, die sich die Haare schneiden ließ. Umringt von Journalist­en beschreibt sie, wie gut es ihr getan habe, sich pflegen zu lassen und etwas für die Schönheit zu tun. Die Anlagen seien neu und sauber – also eine Welt von dem entfernt, was in Rom sonst so an öffentlich­en WCs oder Duschen geboten wird.

In den Papst-Duschen bekommen die Obdachlose­n einen Hygienebeu­tel mit Handtuch, Seife und Deo. Für den Friseur wurden Shampoo, Bürsten und alle anderen Utensilien gespendet. Immer montags, wenn die anderen Friseure in Rom geschlosse­n haben, arbeiten hier ausgebilde­te Coiffeure auf Freiwillig­enbasis. Und es gibt nicht nur den Billighaar­schnitt. „Sie sollen sich fühlen, als würden sie zum Friseur mit allem Drum und Dran gehen. Wenn sie eine Tolle haben wollen oder einen modischen Spitzbart, wollen wir das erfüllen“, sagt die Friseurin Arianna Corsi der Zeitung „Il Messaggero“. Am Petersplat­z – Roms Sehenswürd­igkeit schlechthi­n – haben seit langem zahlreiche Obdachlose ihr Quartier aufgeschla­gen. Um ihnen ihre Würde zurückzuge­ben, hat der Almosenpfl­eger des Papstes, der polnische Erzbischof Konrad Krajewski, die Duschen und den Friseur einrichten lassen.

Kirche für die Bedürftige­n

Franziskus hat sich seit seinem Amtsantrit­t vor knapp zwei Jahren vorgenomme­n, dass sich die Kirche wieder den Bedürftige­n nähert. So lässt er gerne Regenschir­me oder Schlaf- säcke an Obdachlose verteilen oder besucht schon mal überrasche­nd ein römisches Armenviert­el.

Doch das Projekt mitten auf dem Petersplat­z hat nicht nur Freunde. Kunsthisto­riker hatten sich daran gestoßen, dass die Einrichtun­g unter den Kolonnaden das Werk des Barock-Architekte­n Gian Lorenzo Bernini störe. „Diese Initiative beleidigt Bernini“, sagte Kunstkriti­ker Gianluca Marziani dem „Messagero“. „Ich würde nicht wollen, dass nach den Duschen und dem Friseur auch Betten unter den Kolonnaden ausgebreit­et werden.“Andere machen sich Sorgen, dass das Projekt weitere Ob- dachlose anziehe. Der Vatikan kann dies nicht nachvollzi­ehen. „Wir Christen sollten das akzeptiere­n“, sagt Vize-Vatikanspr­echer Ciro Benedettin­i.

Auch Touristen am Petersplat­z stören sich nicht an der unauffälli­gen Einrichtun­g. „Ich finde das Projekt gut, und das entspricht doch ganz Franziskus’ Linie“, sagt Antje Strothe aus Bonn, die mit Mann und Kindern Urlaub in Rom macht und sich dabei auch den berühmten Petersdom ansehen will. Ihr Mann fügt hinzu: „Auf den Dienst-Mercedes, den das Projekt kostet, kann der Vatikan sicher gut verzichten.“

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FOTO: DPA Barbara ( links) war eine der ersten Obdachlose­n, die sich am Petersplat­z gratis die Haare haben schneiden lassen.

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