Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der „schmutzige Sieg“wird sauber gefeiert
Im WM-Slalom kommt das Glück zu Fritz Dopfer und Felix Neureuther zurück – Der DSV erreicht sein WM-Ziel
(SID/dpa) - Gut fünf Stunden nach einem beinahe unglaublichen Rennen sah Felix Neureuther den Zeitpunkt für gekommen, die allgemeine Glückstrunkenheit mit ein bisschen Ausgelassenheit aufzumischen. Also schnappte er sich bei der Feier im Deutschen Haus in Vail eine Flasche Champagner und übergoss Cheftrainer Mathias Berthold, während der lachende Fritz Dopfer nur zusah, dass er Land gewann. Berthold machte danach seinerseits Neureuther nass und verfügte im Scherz: „Der Felix wird zur Strafe nur noch bei FIS-City-Rennen starten.“
Es war der Zeitpunkt, als langsam auch das Sich-Wundern über ein Skirennen verflog, das bereits verloren schien. Neureuther und Dopfer, die Nummer 1 und die Nummer 3 im Weltcup, schienen im Kampf um die WMMedaillen im Slalom geschlagen. Siebter und Sechster waren sie, als es in den zweiten Lauf ging. Und dann: Beide riskierten alles, die Konkurrenz patzte. Als nur noch Marcel Hirscher am Start stand, war Felix Neureuther Dritter, Fritz Dopfer Zweiter. Und weil der Österreicher überraschend ausschied, blieben sie es auch.
Gestandene Männer hatten danach Tränen in den Augen oder kämpften dagegen an. Christian Neureuther zum Beispiel. Felix Neureuthers Vater wischte sich verstohlen über das Gesicht, dann holte er eine schwarze Kamera aus der Tasche, um ein gänzlich unerwartetes und zugleich historisches Motiv festzuhalten, ein Siegerpodest mit zwei Deutschen: Fritz Dopfer mit Silber um den Hals, Neureuther junior mit Bronze, dazwischen Jean-Baptiste Grange (Frankreich) mit Gold. Neureuther senior war so aufgewühlt, dass er beinahe vergaß abzudrücken.
Der Trainer grinst wie ein Lausbub
„Ich bin ehrlich tief bewegt“, sagte Alpindirektor Wolfgang Maier; seine feuchten Augen verrieten, wie tief. „Ich habe mir gedacht, wenn der eine draufsteht und der andere runterfällt, das hätte eine gewisse Bitternis gehabt, weil beide eine extrem gute Saison fahren. Dieses Mal hatten wir mal das Glück, dass der Hirscher ausgelassen hat.“Netter Nebeneffekt: Das Ziel von drei WM-Plaketten erreichte der Deutsche Skiverband nach Riesenslalom-Silber für Viktoria Rebensburg auch noch. Menschen mit und ohne hellblaue DSV-Anoraks fielen sich deshalb um den Hals, Maier und Berthold erwürgten sich beinahe, und sogar DOSB-Präsident Alfons Hörmann ließ es sich nicht nehmen, schnurstracks auf den ziemlich verdutzten Maier zuzugehen und ihn an seine Brust zu drücken. „Ein cooler Tag“, sagte Mathias Berthold, „wenn man sich den Rennverlauf anschaut, ein extrem geiles Ergebnis.“Und dann grinste er wie ein Lausbub.
Ohne besagten Rennverlauf wäre es freilich nie zum Ausbruch dieser Emotionen gekommen. Und zumindest Felix Neureuther brauchte in der Tat bis zum Abend im Deutschen Haus, ehe er sich so richtig freuen konnte. „Da steht der Hirscher oben, und du denkst dir, du wirst Vierter.“Im Riesenslalom war es ja so gekommen, der Österreicher fuhr a) zu Gold und b) Neureuther vom Podest. Der WM-Zweite von 2013 hatte ein bisschen Hemmungen, sich zu freuen, „man hofft ja nicht, dass er ausschei- det, sondern dass man schneller ist. Das ist ein schmutziger Sieg.“Aber: „Wenn ich wieder Vierter geworden wäre, das wäre Wahnsinn gewesen. Da hätte ich mich tief eingebuddelt.“
Fritz Dopfer hatte keinen Grund, erst mal ein bisschen Skrupel zu haben. Der sonst so Nüchterne und Unaufgeregte schien zu schweben. Er lachte, er ging für seine Verhältnisse extrem aus sich heraus. „Einfach genial!“, sagte er über den größten Tag seiner Karriere. „Es ist extrem schön, dass man einer der Hauptdarsteller ist.“Schon fünfmal war Dopfer bei Weltcup-Rennen Zweiter geworden, bei Olympia 2014 war er zudem Vierter –„weil ich mich nicht am Limit bewegt habe“, wie er sagte. Diesmal habe er sich geschworen: „Komm, Fritz, dieses Mal: Den Fehler machst du nicht! Probierst wirklich, dich am Limit zu bewegen!“Gesagt, getan. Genossen danach: „Ich bin nicht so einer, der da voll aus sich rausgeht. Sondern eher einer, der extrem dankbar ist für solche Momente, die einem der Skisport auch geben kann.“
Wie 28 Jahre zuvor Wörndl/Bittner
Momente wie auch jenen bei der WM 1987 im Schweizer Crans-Montana, als zum letzten Mal zwei Deutsche auf einem Siegerpodest gestanden hatten – ebenfalls im Slalom. Damals siegte Frank Wörndl, Armin Bittner wurde Dritter. Wörndl sprach dann am späten Abend im Deutschen Haus aus, was alle dachten: „Stell’ dir vor, die Herren wären hier ohne Medaille heimgefahren, nach all dem, was die in den vergangenen zwei Jahren geleistet haben. Das wäre einfach ungerecht gewesen.“Wäre es, auch wenn Mathias Berthold sagte: „Im Sport gibt es keine Gerechtigkeit.“
Dafür eine DSV-Slalom-Mannschaft, die sich sehen lassen kann – abzulesen auch am WM-Ergebnis. Denn, nicht zu vergessen: Linus Strasser aus München wurde starker Zehnter, zudem fuhr Philipp Schmid (Oberstaufen) auf Rang 17. Grund genug also für Glückseligkeit. Aufgemischt von ein bisschen Ausgelassenheit. Die deutscher Alpin- Herren:
Silber: Fritz Dopfer ( Slalom), Bronze: Felix Neureuther ( Slalom). – Silber: Neureuther ( Slalom). –
Bronze: Florian Eckert ( Abfahrt). – Gold: Hansjörg Tauscher ( Abfahrt), Silber: Armin Bittner ( Slalom). –
Gold: Frank Wörndl ( Slalom), Bronze: Bittner ( Slalom), Bronze: Markus Wasmeier ( SuperG). – Gold: Wasmeier ( Riesenslalom).