Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
50 Jahre nach Tokio
Der frühere Zehnkämpfer Holdorf feiert 75. Geburtstag
(SID) - Die Bilder des kurz vor der Ziellinie taumelnden Willi Holdorf sind bis heute unvergessen. Mit letzter Kraft rettet sich der deutsche Zehnkämpfer im Olympiastadion von Tokio ins Ziel der abschließenden 1500 Meter, danach bricht der damals 24-Jährige völlig entkräftet zusammen. Doch er hat es geschafft: Gold! Als erster Deutscher krönt sich der Schleswig-Holsteiner zum König der Athleten. Völlig unerwartet. Am heutigen Dienstag feiert der sportliche Tausendsassa seinen 75. Geburtstag.
Eine große Feier wird es aber nicht geben, die gönnte sich Willi Holdorf im vergangenen Oktober: Pünktlich zum 50. Jahrestag seines Sensationssiegs von Tokio gab es in Kiel einen großen Empfang. Knapp 100 Gäste, der Ministerpräsident hielt eine Rede, ein Bauchredner sorgte für Unterhaltung – jetzt begeht der Jubilar seinen Ehrentag im kleinen Kreis. „Meine Freunde haben gesagt: ,Dafür, dass du alt wirst, kannst du nichts. Für deinen Olympiasieg schon.‘ Deshalb war das der Festtag.“
Nach seinem großen Tag allerdings war Schluss; niemals wieder trat Willi Holdorf an. Der Triumph von Tokio war sein letzter Zehnkampf. „Ich war schon verheiratet, musste eine Familie ernähren und mich um mein Studium kümmern“, sagte Holdorf, seit 2011 Mitglied der „Hall of Fame des deutschen Sports“. Schließlich blieb er auch abseits der Leichtathletik aktiv.
Als er mit 19 Jahren Deutscher Juniorenmeister im Zehnkampf wurde, stand er außerdem noch im Handballtor des MTV Herzhorn. Vielseitigkeit bewies der Diplomsportlehrer auch nach seinem Gold-Coup: Holdorf führte Stabhochspringer Claus Schiprowski 1968 als Trainer zu Olympia- silber, kümmerte sich um die Kondition des deutschen Davis-Cup-Teams, machte den Fußballlehrer-Schein und arbeitete 1974 kurzzeitig als Trainer des Bundesligisten Fortuna Köln. Zwischendurch setzte er sich als Anschieber in den Zweierbob von Horst Floth und wurde 1973 EM-Zweiter.
Selbst zwei Schlaganfälle und zwei neue Knie halten ihn auch aktuell nicht vom Sporttreiben ab. „Ich habe keine Schmerzen oder Probleme“, sagt er. Vor allem mit Radfahren und Schwimmen hält Willi Holdorf sich fit – Letzteres allerdings macht ihm nicht immer Spaß. „Wenn ich 20 Minuten schwimme, schaue ich nach fünf Minuten schon auf die Uhr“, sagt er: „Aber wenn man vernünftig ist, dann macht man das.“Auch mit 75 noch.