Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Wer als Forscher scheitert, soll neu beginnen
Abschlussveranstaltung des 66. Lindauer Nobelpreisträgertreffens auf der Insel Mainau
- Bei strahlendem Sonnenschein sind am Freitag 400 Nachwuchswissenschaftler und 29 Nobelpreisträger auf der Insel Mainau am Bodensee zusammengekommen. Zum Abschluss der 66. Lindauer Nobelpreisträgertagung diskutierten Laureaten und Jungakademiker über die Qualität der Lehre in den Naturwissenschaften. Soll weiter im Vorlesungssaal doziert werden? Soll konkret an Beispielen im Labor unterrichtet werden, wie es ein ungarischer Physiker forderte?
Dan Shechtman, wortgewaltiger Nobelpreisträger für Chemie, forderte eine bessere Bezahlung von Lehrenden sowie eine verbesserte Auswahl. „Sonst bleibt ein fürchterlicher Dozent immer weiter Professor, und das ist ein schwerer Fehler“konstatierte der Israeli.
Unter der strukturierten Moderation des Bildungsexperten Karan Khemlka aus Singapur diskutierten vier Männer auf dem Podium das Verhältnis der Geschlechter in den Naturwissenschaften, die Berufsaussichten von Akademikern sowie den Zustand der Wissenschaft in Entwicklungsländern. Während im Park neben dem Schloss Mainau die Vögel sangen, prophezeite der australische Nobelpreisträger Brian Schmidt, dass anders als früher 95 Prozent der jungen Akademiker in die Wirtschaft und nicht in Lehre und Forschung gehen würden. Schmidt bezeichnete die herkömmlichen Karrieren an Universitäten mit garantierter Dauerbeschäftigung als Ursache, dass sich manche Dozenten einfach keine Mühe mehr geben würden.
Seit vergangenem Sonntag hatten die Jungwissenschaftler aus 80 Ländern, von Pakistan bis Kanada, mit Nobelpreisträgern in Lindau über künstliche Intelligenz und Quantentechnologie diskutiert. Die Lindauer Treffen gelten als wichtige Motivation für junge Forscher, um daheim, unter vielleicht nicht immer idealen Bedingungen, weiter zu forschen.
Man gibt sich unpolitisch
Jungakademiker dürfen nur einmal an den jährlichen Treffen teilnehmen. Ob sie denn Freunde hier gefunden hätten, fragte der Vorstandsvorsitzende der Nobelpreisträgertreffen, Jürgen Kluge. „Yes“riefen 400 Teilnehmer zurück. Und auf Kluges Frage, ob sie gerne als Nobelpreisträger wiederkommen wollten, antworteten sie, wenn auch verhalten, zustimmend.
Anders als in anderen Jahren gaben sich die Wissenschaftler auf der Bühne unpolitisch. Dass dann Dan Shechtman ansetzte, zu erklären, dass afrikanische Wissenschaft jetzt die Chance zur Erneuerung hätte, weil ja Rohstoffkäufe der Chinesen die Kassen füllten, löste zwar Kopfschütteln aus. Aber es war Shechtman, der die Diskussion belebte, auch und gerade durch kontroverse Thesen. Auf seine Initiative wurde in Haifa Naturwissenschaften an 60 Kindergärten eingeführt. Zu Zeiten, in denen es den Begriff des Startup noch nicht gab, führte er den Studiengang „technisches Unternehmertum“ein. Innovation, diesen Modebegriff, habe es immer gegeben, wichtig sei, wie diese produktiv umgesetzt werde. Er erklärte, dass es kein Fehler sei mit einer Idee als Forscher zu scheitern, sondern immer wieder von Neuem zu beginnen.