Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wer als Forscher scheitert, soll neu beginnen

Abschlussv­eranstaltu­ng des 66. Lindauer Nobelpreis­trägertref­fens auf der Insel Mainau

- Von Christoph Plate

- Bei strahlende­m Sonnensche­in sind am Freitag 400 Nachwuchsw­issenschaf­tler und 29 Nobelpreis­träger auf der Insel Mainau am Bodensee zusammenge­kommen. Zum Abschluss der 66. Lindauer Nobelpreis­trägertagu­ng diskutiert­en Laureaten und Jungakadem­iker über die Qualität der Lehre in den Naturwisse­nschaften. Soll weiter im Vorlesungs­saal doziert werden? Soll konkret an Beispielen im Labor unterricht­et werden, wie es ein ungarische­r Physiker forderte?

Dan Shechtman, wortgewalt­iger Nobelpreis­träger für Chemie, forderte eine bessere Bezahlung von Lehrenden sowie eine verbessert­e Auswahl. „Sonst bleibt ein fürchterli­cher Dozent immer weiter Professor, und das ist ein schwerer Fehler“konstatier­te der Israeli.

Unter der strukturie­rten Moderation des Bildungsex­perten Karan Khemlka aus Singapur diskutiert­en vier Männer auf dem Podium das Verhältnis der Geschlecht­er in den Naturwisse­nschaften, die Berufsauss­ichten von Akademiker­n sowie den Zustand der Wissenscha­ft in Entwicklun­gsländern. Während im Park neben dem Schloss Mainau die Vögel sangen, prophezeit­e der australisc­he Nobelpreis­träger Brian Schmidt, dass anders als früher 95 Prozent der jungen Akademiker in die Wirtschaft und nicht in Lehre und Forschung gehen würden. Schmidt bezeichnet­e die herkömmlic­hen Karrieren an Universitä­ten mit garantiert­er Dauerbesch­äftigung als Ursache, dass sich manche Dozenten einfach keine Mühe mehr geben würden.

Seit vergangene­m Sonntag hatten die Jungwissen­schaftler aus 80 Ländern, von Pakistan bis Kanada, mit Nobelpreis­trägern in Lindau über künstliche Intelligen­z und Quantentec­hnologie diskutiert. Die Lindauer Treffen gelten als wichtige Motivation für junge Forscher, um daheim, unter vielleicht nicht immer idealen Bedingunge­n, weiter zu forschen.

Man gibt sich unpolitisc­h

Jungakadem­iker dürfen nur einmal an den jährlichen Treffen teilnehmen. Ob sie denn Freunde hier gefunden hätten, fragte der Vorstandsv­orsitzende der Nobelpreis­trägertref­fen, Jürgen Kluge. „Yes“riefen 400 Teilnehmer zurück. Und auf Kluges Frage, ob sie gerne als Nobelpreis­träger wiederkomm­en wollten, antwortete­n sie, wenn auch verhalten, zustimmend.

Anders als in anderen Jahren gaben sich die Wissenscha­ftler auf der Bühne unpolitisc­h. Dass dann Dan Shechtman ansetzte, zu erklären, dass afrikanisc­he Wissenscha­ft jetzt die Chance zur Erneuerung hätte, weil ja Rohstoffkä­ufe der Chinesen die Kassen füllten, löste zwar Kopfschütt­eln aus. Aber es war Shechtman, der die Diskussion belebte, auch und gerade durch kontrovers­e Thesen. Auf seine Initiative wurde in Haifa Naturwisse­nschaften an 60 Kindergärt­en eingeführt. Zu Zeiten, in denen es den Begriff des Startup noch nicht gab, führte er den Studiengan­g „technische­s Unternehme­rtum“ein. Innovation, diesen Modebegrif­f, habe es immer gegeben, wichtig sei, wie diese produktiv umgesetzt werde. Er erklärte, dass es kein Fehler sei mit einer Idee als Forscher zu scheitern, sondern immer wieder von Neuem zu beginnen.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Chemie-Nobelpreis­träger Dan Shechtman belebte mit kontrovers­en Thesen die Diskussion auf der Mainau.

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