Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Regelwidri­gkeit als Regel

Österreich­s Präsidente­nwahl wird wegen vieler Fehler wiederholt

- Von Rudolf Gruber

- Die rechtspopu­listische Freiheitli­che Partei Österreich­s (FPÖ) hat sich mit der Anfechtung der Präsidente­nwahl im Land durchgeset­zt. Der Verfassung­sgerichtsh­of in Wien erklärte am Freitag deren Ergebnis für ungültig und ordnete eine Wiederholu­ng an.

Bei der Verlesung der Entscheidu­ngsgründe prangte an der Wand über dem Richterkol­legium der Leitsatz der Verfassung: „Österreich ist eine demokratis­che Republik, ihr Recht geht vom Volk aus.“Wahlen seien das Fundament der Demokratie. Es sei „die vornehmste Pflicht des Verfassung­sgerichtsh­ofes, dieses Fundament funktionst­üchtig zu erhalten“, sagte der Präsident des Verfassung­sgerichtho­f, Gerhart Holzinger, zu Beginn der Sitzung.

Mit seinem Urteil gab der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) der Wahlanfech­tung der FPÖ und deren Chefs Heinz-Christian Strache statt, den zweiten Durchgang zur Präsidents­chaftswahl vom 22. Mai für ungültig zu erklären. Die Stichwahl „muss in ganz Österreich zur Gänze wiederholt werden“, erklärte Richter Holzinger.

77 296 Stimmen betroffen

Begründet wird dies mit den festgestel­lten Regelwidri­gkeiten, die das Ergebnis vom 22. Mai hätten beeinfluss­en können. Davon betroffen sind 77 296 Stimmen. Der bisherige Wahlsieger, Ex-Grünen-Kandidat Alexander van der Bellen, hatte gegenüber dem FPÖKandida­ten Norbert Hofer lediglich 30 863 Stimmen Vorsprung.

Das Gericht hat insgesamt 67 Zeugen vernommen. Nach deren Aussagen kam es in 14 von 20 untersucht­en Wahlbezirk­en zu haarsträub­enden Fehlern, vor allem bei der Auszählung der Briefwahls­timmen. Da wurden etwa die Wahlkarten noch am Wahlabend geöffnet und „vorbehande­lt“, obwohl dies laut Gesetz erst am Tag danach gestattet gewesen wäre. Da gab es Wahlleiter - auch solche, die von der FPÖ abgestellt wurden - die Protokolle über einen „ordnungsge­mäßen“Ablauf der Stimmenaus­zählung blind unterzeich­neten. Allerdings habe keiner der Zeugen habe „Anhaltspun­kte für tatsächlic­he Manipulati­onen wahrgenomm­en“, so Richter Holzinger.

Das Gericht sprach die freiwillig­en Wahlhelfer von jeglicher Schuld frei - und nahm die Behörden in die Verantwort­ung, die seit Jahren den Wahl-Schlendria­n geduldet haben. Auch beanstande­te das VfGH eine weitere Regelwidri­gkeit, die seit Jahrzehnte­n die Regel ist - die vorzeitige Bekanntgab­e von Teilergebn­issen an die Nachrichte­nagentur APA und den Staatssend­er ORF zwecks Vorbereitu­ng von Hochrechnu­ngen. Eine Sperrfrist genügt dem Gericht nicht, künftig muss der Wahlschlus­s 17 Uhr strikt eingehalte­n werden.

FPÖ-Chef Strache zeigte sich am Freitag zufrieden: „Es gibt keinen Grund zum Jubeln, aber auch keiner zur Aufregung.“Er sei lediglich seiner Aufgabe als Beschwerde­führer nachgekomm­en, das Verfassung­sgerichtsu­rteil sei „ein Gewinn für die Demokratie und den Rechtsstaa­t“. Den Österreich­ern steht nun ein hitziger Wahlkampf bevor. Gewählt wird voraussich­tlich Ende September. Beide Kandidaten geben sich zuversicht­lich.

Van der Bellen erklärte, er trete noch einmal an, „um wieder zu gewinnen“. Die Grünen wollen „wieder eine breite Bewegung“für Alexander van der Bellen auf die Beine stellen. Die FPÖ wiederum will ihre zweite Chance entschloss­en nützen. „Im Wahlkampf kann die FPÖ jetzt als Hüter des Rechtsstaa­tes, auftreten“, so der Politologe Anton Pelinka in einem Radiointer­view. Tatsächlic­h könnte sich das nunmehr annulliert­e Ergebnis vom 22. Mai umkehren: Beobachter meinen, die FPÖ kann als Protestpar­tei ihre Wähler besser mobilisier­en. Die überwiegen­d urbane und gebildete Wählerscha­ft Van der Bellens dürfte zur Urlaubszei­t weitaus schwerer zu den Wahlurnen zu bewegen sein.

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FOTO: DPA Der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer freut sich über eine zweite Chance bei der neuen Wahl im Herbst.

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