Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ökostrom für grüne Inseln

Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel will Griechenla­nd im Kampf um eine bessere Zukunft helfen

- Von Sabine Lennartz

- Griechenla­nd - das bedeutet für jährlich 2,5 Millionen deutsche Urlauber Strandferi­en mit viel Sonne und Wind. Doch statt Fotovoltai­k und Windkraft ist auf den meisten griechisch­en Inseln immer noch Diesel der Hauptenerg­ielieferan­t. Nur 21 von 53 Inseln sind heute ans Stromnetz angeschlos­sen. Das soll sich aber bald ändern.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel (SPD) und sein griechisch­er Kollege George Stathakis haben am Freitag in Athen einen Kooperatio­nsvertrag über erneuerbar­e Energien unterzeich­net. Bis 2018 soll es in Griechenla­nd „grüne Inseln“geben. Dabei wird die Kreditanst­alt für Wiederaufb­au (KfW) mit Mitteln aus ihrem 100-Millionen-EuroWachst­umsfonds helfen. Denn nicht nur Grüne wie Rezzo Schlauch, der in der 40-köpfigen Wirtschaft­sdelegatio­n von Gabriel in Athen mit dabei ist, fragen sich, warum die KfW in Griechenla­nd ausgerechn­et ein neues Braunkohle­kraftwerk förderte.

Brexit hat vieles verändert

Der Besuch Gabriels und einer Wirtschaft­sdelegatio­n in Athen war lange geplant. Doch vor dem Hintergrun­d der britischen Brexit-Entscheidu­ng haben sich die Vorzeichen geändert. Die meisten europäisch­en Politiker wollen verhindern, dass noch ein weiterer Baustein aus der EU herausbric­ht. Der drohende Grexit, das Austreten Griechenla­nds aus dem Euro-Raum, erscheint deshalb wie ein Szenario aus einer fernen Vergangenh­eit, ein weiterer Schuldensc­hnitt rückt dagegen näher.

Gabriel ist nach seinen Gesprächen mit Ministerpr­äsident Tsipras und dem griechisch­en Wirtschaft­sminister voll des Lobes für das Land. Er erinnere sich noch, sagt er, welche Aggressivi­tät früher in Deutschlan­d gegen Griechenla­nd geherrscht habe. Das sei heute anders. Schließlic­h hätten die Griechen sich auch richtig angestreng­t und Reformen durchgefüh­rt, „gegen die die Agenda 2010 nur ein laues Lüftchen“gewesen sei.

Als Gabriel seine Einschätzu­ng der deutschen Stimmungsl­age vor Tsipras’ Sitz in Athen vor der Presse kundtut, steht der CSU-Abgeordnet­e Peter Ramsauer hinter ihm und schaut ungläubig. Ramsauer hat vor Jahr und Tag gegen immer weitere Hilfen für Griechenla­nd gewettert. Hat der Brexit seine Einschätzu­ng verändert? Würde er heute freundlich­er umgehen mit Griechenla­nd? „Ganz im Gegenteil“, sagt Ramsauer, er würde genau darauf achten, dass die Zusagen eingehalte­n werden. Durch den Brexit gäbe es doch „einen Aufpasser weniger“in Europa.

Neben ihm steht Klaus Peter Willsch, früher als CDU-Rebell in Sachen Europoliti­k bekannt. Der fragt nur: „Haben Sie nicht mein Mienenspie­l beobachtet?“Das haben die Journalist­en, und sie haben gesehen, wie schmerzhaf­t sich Willschs Gesicht verzog, als Gabriel von eine verbessert­en Stimmungsl­age gegenüber den Griechen berichtet hat. Willsch sagt: „In Griechenla­nd hat sich bis jetzt gar nichts groß verändert.“

Die Zahlen geben ihn Recht. Es ist schwierig, außerhalb der Tourismusb­ranche wirkliche Fortschrit­te zu sehen. Die Wirtschaft klagt über bürokratis­che Hürden, die Rentner über Kürzungen, Kapitalver­kehrskontr­ollen wirken sich auf den griechisch­en Export aus. „Der einzige Fortschrit­t, den es gibt, ist, dass statt zwölf unnötiger Vorschrift­en nur noch sechs unnötige Vorschrift­en da sind“, sagt ein Delegation­smitglied.

Aus den Töpfen des Europäisch­en Stabilität­smechanism­us (ESM) flossen bislang 16 Milliarden an die Regierung in Athen und 5,4 Milliarden an die Banken. Viele Reformen wurden umgesetzt, doch Griechenla­nd leidet unter dem Investitio­nsmangel. Vor allem aber leidet die Jugend. Über 50 Prozent sind arbeitslos.

Gemeinsame­s Bewusstsei­n

Gabriel führt deshalb ein von der Friedrich-Ebert-Stiftung organisier­tes Gespräch mit jungen Leuten. In der Altstadt Athens, in einem geschmackv­ollen Haus, wo sich sonst die Gründersze­ne trifft, diskutiere­n 20 Jugendlich­e mit dem Bundeswirt­schaftsmin­ister. Amerissa Giannouli ist eine von ihnen. Die 25-jährige Wirtschaft­swissensch­aftlerin, die als Jugendarbe­iterin unterwegs ist, möchte, dass ein gemeinsame­n europäisch­es Bewusstsei­n wächst. „Man muss den jungen Leuten und ihren Träumen besser zuhören“, wünscht sie sich.

Der Student Nikos Frantzeska­kis hofft: „Wir haben doch nach dem Brexit eine neue Ära in Europa. Die Nord-Süd-Probleme müssen gelöst werden“. Doch auf die Frage, was die wichtigste Botschaft wäre, spricht der 20-Jährige nicht die Deutschen oder die Europäer, sondern Griechenla­nd an. Neue Firmen müssten im ersten Jahr 80 Prozent Steuern zahlen, deshalb würden keine neuen Arbeitsplä­tze geschaffen. Das zu ändern sei das Wichtigste.

Mit Finanzmini­ster Efklidis Tsakalotos trifft Gabriel zum Ende des Athen-Besuchs zusammen. Gabriel hat in Griechenla­nd die Botschaft im Gepäck, dass Sparen das eine sei und Investitio­nen das andere. Und dass Griechenla­nd beides dringend brauche.

Dass das alles aber nicht hilft, wenn nicht gleichzeit­ig Strukturre­formen gemacht werden. „Das Fiskalthem­a ist abgearbeit­et“sagt Gabriel beim Empfang der deutschgri­echischen Handelskam­mer am Abend. Die Griechen hören es gerne.

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FOTO: DPA „Den Träumen besser zuhören“: Sigmar Gabriel (Mi.) traf in Athen mit jungen Griechen zusammen.

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