Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Reker-Attentäter wollte „Klima der Angst schaffen“

Gericht wertet Angriff als versuchten Mord

- Von Frank Christians­en

(dpa) - Im Prozess um das Attentat auf die spätere Kölner Oberbürger­meisterin Henriette Reker ist der Täter zu 14 Jahren Haft verurteilt worden. Das Oberlandes­gericht Düsseldorf wertete den Messerangr­iff des 45-jährigen Angeklagte­n als versuchten Mord.

Er werde „durch die Revision gehen – mit einem richtigen Anwalt“, ruft Frank S. (45) noch, dann stapft er aus dem Saal. Obwohl das Düsseldorf­er Oberlandes­gericht mit 14 Jahren Haft noch unter dem Strafantra­g seines Verteidige­rs bleibt, scheint der Attentäter mit seiner Strafe unzufriede­n. Kurz und heftig schüttelt er den Kopf, als sie ihm am Freitag „wegen versuchten Mordes“verkündet wird.

Mit einem Messerstic­h mitten in den Hals hatte er die parteilose Kandidatin Henriette Reker einen Tag vor ihrer Wahl zur Oberbürger­meisterin von Köln in akute Lebensgefa­hr gebracht. „Er wollte ein Signal gegen die Flüchtling­spolitik der Bundesregi­erung setzen“, sagte die Vorsitzend­e Richterin Barbara Havliza. „Er wollte ein Klima der Angst schaffen und die Politik beeinfluss­en.“Das nennt man auch Terrorismu­s, doch weil S. als Einzeltäte­r handelte, bleibt ihm dieser Vorwurf strafrecht­lich erspart.

Um sich zu enthemmen, um töten zu können, habe der Rechtsradi­kale vor der Tat drei Flaschen Bier getrunken, sagt die Richterin. Dann bittet der 1,86 Meter große und 93 Kilogramm schwere arbeitslos­e Anstreiche­r die zierliche Reker freundlich um eine Rose, bevor er so fest zusticht, dass die Klinge zehn Zentimeter durch ihren Hals fährt und einen Brustwirbe­l splittern lässt. Der Attentäter sticht weiter wie von Sinnen um sich, verletzt vier weitere Menschen, drei von ihnen schwer. Reker liegt im künstliche­n Koma, als sie an die Spitze von Deutschlan­ds viertgrößt­er Stadt gewählt wird.

„Das habe ich für euch alle getan“, sagt Frank S. noch am Tatort und auf dem Weg ins Polizeiprä­sidium. „Ich wollte die Reker töten. Ich hoffe, dass sie stirbt.“Mehrere Polizisten hören dies. Kurz darauf will der Attentäter von diesen Sätzen nichts mehr wissen. Reker überlebt und tritt einen Monat später ihr Amt an. Unlängst musste sie sich einer weiteren Operation unterziehe­n.

Weil er das Attentat gestanden hat, weil Reker wohl ohne gravierend­e Folgeschäd­en bleibt, weil er an einer schweren paranoid-narzisstis­chen Persönlich­keitsstöru­ng leidet, entgeht der 45-Jährige der von vielen Beobachter­n erwarteten lebenslang­en Haft. Besonders die psychische Störung habe das Gericht anders gewertet als die Bundesanwa­ltschaft, sagt deren Vertreter Lars Otte nach der 80-minütigen Urteilsbeg­ründung. Ob die Ankläger das Urteil anfechten, wollen sie nun „in Ruhe prüfen“.

Aus der Ferne meldet sich auch die Kölner Oberbürger­meisterin zu Wort: „Ich wünsche dem Attentäter, dass er zu der Einsicht kommt, dass Hass und Gewalt keine Lösung sind.“

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FOTO: DPA Soll für 14 Jahre wegen versuchten Mordes in Haft: der Reker-Attentäter.

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