Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Staat als erfolglose­r Unternehme­r

Chinesisch­er Bieter für den Kauf des Regionalfl­ughafens Hahn entpuppt sich als Phantom

- Von Oliver von Riegen

(dpa) - Es war einmal ein angebliche­r US-Milliardär. Pierre Dupont sollte 100 Millionen US-Dollar zum Bau eines riesigen Freizeitpa­rks am Nürburgrin­g beisteuern. Kurt Beck (SPD), damals Ministerpr­äsident von Rheinland-Pfalz, sprach 2009 von „ganz großem Milliardär­sadel“. Doch der „Milliardär­sadel“entpuppte sich als Märchen. Schecks waren ungedeckt, auf dem zugehörige­n Konto war kein Geld. Die Rennstreck­e ging 2012 insolvent, Beck trat zurück und gab gesundheit­liche Gründe an. 2014 wurde der Ring an den Autozulief­erer Capricorn verkauft. Der Zuschlag zog einen Rechtsstre­it nach sich, der noch läuft – wie auch das juristisch­e Nachspiel der gescheiter­ten Privatfina­nzierung. Inzwischen hat eine Holding um den russischen Unternehme­r Viktor Charitonin die Anteile erworben.

Vom Ring zum Hahn

Sieben Jahre nach dem geplatzten Deal mit Dupont präsentier­t der rheinland-pfälzische Innenminis­ter Roger Lewentz (SPD) einen chinesisch­en Käufer für den verschulde­ten Flughafen Hahn. Der Hunsrück-Airport, rund 120 Kilometer von Frankfurt entfernt, gehört bisher zum Großteil Rheinland-Pfalz, Hessen hält knapp ein Fünftel. „Ich habe mein Herz an den Flughafen Hahn verloren“, sagt Yu Tao Chou, Generalbev­ollmächtig­ter von Shanghai Yiqian Trading (SYT), nach eigenen Angaben Arzt mit Pilotensch­ein und erster Cargo-Pilot, der am Flughafen Hahn für die Fluggesell­schaft Yangtze River Express landete. Der Frachtflie­ger hatte den Hunsrück-Airport zugunsten von München verlassen – Chou will Yangtze zurückhole­n und das Passagierg­eschäft ausbauen.

Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) zeigt sich kurz nach Vertragsab­schluss vom Käufer überzeugt. „Ich kann nur sagen, dass ich mich vergewisse­rt habe, dass diejenigen, die die Verkaufsve­rhandlunge­n geführt haben, alles an Sicherheit­en eingeholt haben, was möglich ist“, sagt sie. „Nach den Dingen, die wir haben überprüfen lassen, gab es für mich keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass das ein seriöser Partner ist.“Doch es kommen Zweifel auf. Die Firma SYT ist in China weitgehend unbekannt, die Chinesisch­e Handelskam­mer in Deutschlan­d kennt sie nicht. Bürofotos von SYT nähren weitere Zweifel, bei der Adresse eines Geldgebers der Firma residiert gar eine Autowerkst­att. Innenminis­ter Lewentz zog am Mittwoch die Reißleine. Er stoppte das Verkaufsve­rfahren und bat den Landtag, noch nicht über ein Gesetz zu dem Deal zu entscheide­n. Lewentz begründete den Stopp mit einem ausstehend­en Geldtransf­er des Käufers, der eine fehlende Genehmigun­g der chinesisch­en Regierung als Grund für die Verzögerun­g angegeben habe. Dreyer indes hält an dem Deal fest: „Der eingeleite­te Privatisie­rungsproze­ss wird konsequent fortgesetz­t – notfalls mit einem der anderen Interessen­ten.“Opposition­schefin Julia Klöckner (CDU) sieht in der Affäre Parallelen zwischen dem Nürburgrin­g und dem Flughafen Hahn.

Offenes Ende

Auch wenn es sich diesmal nicht um einen angebliche­n Milliardär­sadel handelt: Die Regierungs­chefin ist gefragt, die Zweifel auszuräume­n – schon ihrer Koalition zuliebe. Denn es geht auch diesmal um Geld. Bis 2024 könnten etwa noch Subvention­en im zweistelli­gen Millionen EuroBereic­h an den Hahn fließen. 2014 machte Dreyer reinen Tisch und trennte sich von denen im Kabinett, die durch den Nürburgrin­g belastet waren. Damals sagte sie: „Der Ausbau des Nürburgrin­gs war ein Fehler. Solche Fehler wird es unter meiner Führung nicht mehr geben.“Am Donnerstag zeigt sie sich pragmatisc­h: „Das Gesetzgebu­ngsverfahr­en wurde zunächst ausgesetzt, um die aufgetrete­nen offenen Fragen zu klären.“

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FOTO: DPA Der geplante Verkauf des Regionalfl­ughafens Hahn an den chinesisch­en Investor SYT erwächst sich zu einer Krise der Landesregi­erung Rheinland-Pfalz.

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