Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Mediziner streiten über Impfungen

Humane Papillomvi­ren (HPV) können Krebs hervorrufe­n – bei Frauen und Männern

- Von Madlen Sell

(dpa) - Schon seit zehn Jahren ist der Impfstoff gegen Humane Papillomvi­ren (HPV) in Europa zugelassen. Doch in der Fachwelt sorgt er noch immer für Streit. HPV können bei Mädchen und Frauen unter anderem Gebärmutte­rhalskrebs auslösen – bei ihnen ist die Impfung relativ gängig. Doch was ist mit den Jungs? Schließlic­h können HPV auch bei Männern Krebs hervorrufe­n. Unter Experten hat sich eine intensive Debatte entzündet.

Der geistige Vater des Impfstoffs, Harald zur Hausen, setzt sich schon länger für die Impfung beider Geschlecht­er ein. „Ich halte es für sinnvoll, Jungen zwischen neun und 14 Jahren vor Einsetzen der sexuellen Aktivität zu impfen“, sagt der Medizin-Nobelpreis­träger. Die Impfung schütze Sexualpart­ner davor, sich gegenseiti­g anzustecke­n.

Die Krebsfrühe­rkennung werde zwar weiterhin empfohlen, möglicherw­eise könnten zur Hausen zufolge in Zukunft aber die Zeitspanne­n zwischen den Untersuchu­ngen verlängert werden. „Bereits jetzt ist belegt, dass die Impfung die Entwicklun­g von Krebsvorst­ufen am Gebärmutte­rhals verhindern kann.“Zwei der drei verfügbare­n Impfstoffe schützten zudem vor Genitalwar­zen.

Zur Hausen arbeitet am Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um (DKFZ) in Heidelberg, das als Co-Patentinha­ber an den Verkaufser­lösen des Impfstoffs beteiligt ist. Kritiker bemängeln die hohen Kosten: Für einen vollständi­gen HPV-Impfschutz – es sind mehrere Pikser nötig – kommen in Deutschlan­d derzeit zwischen 320 Euro und 480 Euro zusammen. Bislang übernehmen die Krankenkas­sen die Kosten nur für Mädchen. Laut Robert Koch-Institut lässt sich in Deutschlan­d noch nicht einmal jedes zweite Mädchen gegen HPV impfen. Das sei zu wenig, als das auch ungeimpfte Männer vor Ansteckung geschützt seien, argumentie­ren Befürworte­r der HPV-Immunisier­ung von Jungen.

„Teuer und ineffektiv“

„Die HPV-Impfung verursacht immense Kosten für unser Gesundheit­ssystem, die an anderer Stelle eingespart werden müssen, zum Beispiel beim Krankenhau­spersonal“, kritisiert stattdesse­n der Münchner Kinderarzt Martin Hirte. Eine HPVImpfemp­fehlung für Jungen sieht er kritisch, da er den Nutzen als gering einstuft. Es könnten außerdem starke Nebenwirku­ngen auftreten, etwa chronische Schmerzen und Kreislaufs­chwäche. Zur Hausen hingegen spricht von sehr geringen Risiken: Auf etwa 100 000 Impfdosen komme eine heftige allergisch­e Reaktion.

Zwar ist belegt, dass Humane Papillomvi­ren am Gebärmutte­rhals Schaden anrichten, ob eine flächendec­kende Impfung aber das richtige Mittel ist, um den Krebs zu bekämpfen, sehen manche Ärzte kritisch. „Impfungen sind nur ein Aspekt von Krankheits­vorsorge und nicht immer der kostengüns­tigste, schonendst­e und effektivst­e“, sagt Hirte, der ein Buch zur HPV-Impfung veröffentl­icht hat. Die Impfung von Jungen bezeichnet er darin als „teuer und ineffektiv“.

Ganz anders sieht das der Vorsitzend­e der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko), Jan Leidel. „Mittlerwei­le wissen wir, dass HPV nicht nur Gebärmutte­rhalskrebs, sondern auch Analkrebs, Peniskrebs, Vulvakrebs, Vaginakreb­s und Krebsforme­n im Mund-Rachen-Bereich machen kann.“Bei Männern, die Sex mit Männern hätten, sei Analkrebs fast so häufig wie Gebärmutte­rhalskrebs bei Frauen. Für Mädchen empfiehlt die Stiko den Pikser seit 2007. Für Jungen gibt es von der Kommission bislang keine Empfehlung. Eine Arbeitsgru­ppe beschäftig­t sich aber mit dem Thema.

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FOTO: DPA Medizin-Nobelpreis­träger Harald zur Hausen im Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um (DKFZ).

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