Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Künstler-Export in der Barockzeit
50 Jahre Oberschwäbische Barockstraße: Riedlinger Künstler waren sehr aktiv
Höhenfreibad, 9-19 Uhr Brunnensteige 20, Sa, So, Kath. Öffentliche Bücherei, 13, Neufra, So, 10-11 Uhr Schlossberg
(ag) - 50 Jahre oberschwäbische Barockstraße: Dieses Jubiläum hat vielen Kunstfreunden die Bauepoche näher gebracht. Baumeister, Stukkatoren, Bildhauer, Maler und auch die Geldgeber werden zu Recht bewundert ob ihrer Leistungen und auch ihres Mutes. In unserer Gegend hat das Festival für die Sinne und den katholischen Glauben knappe einhundert Jahre gedauert.
Um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert kam der neue Stil aus Italien über Österreich nach Oberschwaben. Riesige Klosteranlagen entstanden aus den alten, zum Teil baufällig gewordenen Bauten der Romanik und Gotik, überlebten dann nach 1800 als Baukomplex meistens auch die Säkularisation und ziehen bis heute die Menschen in ihren Bann. Weniger stark wirkte sich Barock auf die herrschaftlichen Bereiche aus. Bestehendes wurde im Inneren barockisiert oder seltener auch in grandioser Weise neu gebaut. Selbst kleine Dorfkirchen wurden „modernisiert“, sie sollten nicht im Schatten der großen Nachbarn stehen.
Riedlingen, die ehemals vorderösterreichische Stadt an der Donau hätte zu jener Zeit eigentlich auch alle Bedingungen für einen barocken Aufschwung gehabt. Zentrale Lage, Marktzentrum für ein weites Umland, an der Kreuzung wichtiger Handelsstraßen und Postwegen und einem geschlossenen Stadtkern mit Mauern, Türmen und Toren. Klöster hatten hier Stadthäuser: Zwiefalten, Salem, Obermarchtal und Heiligkreuztal. Hier wohnten zwar häufig die Künstlergrößen, aber dennoch streifte die barocke Bauzeit die Stadt nur am Rande mit der Ausstattung der Kapuzinerklosterkirche und der Weilerkapelle. Das reicht gerade noch aus, um den modernen Anschluss an die Barockstraßenrouten zu schaffen, nicht aber zum Magnet für Barocktouristen und –liebhaber zu werden.
In führenden Positionen
Dabei hätte es Riedlingen verdient. Von hier aus starteten geniale Größen zur Erfüllung all der Wünsche anderer Bauherrn. Zu nennen wären Benediktinerund Prämonstratenseräbte. In Zwiefalten war Abt Johann Martin Gluiz aus Riedlingen ab 1679 mit dem Neubau der Klosteranlage zugange. Seine Schwester Margarethe Gluiz stiftete die bemerkenswerte Ausstattung für die Kapelle zum hl. Stephan in Baach. In Schussenried leitete der in Riedlingen geborene Abt Magnus Kleber (1684-1756) den Bau des großartigen Bibliothekssaales ein.
Abt Benedikt Martini aus Riedlingen (1749-1791) war als Bauherr für barocke Veränderungen der Klosteranlage Mehrerau verantwortlich. Große Bauleistungen vollbrachte die Sießener Dominikanerpriorin Maria Josepha Baizin (1665-1634) aus Riedlingen, die mit Franz Beer und Dominikus Zimmermann der barocken Klosteranlage ihr heutiges Aussehen gab.
Pfarrer und Dekan Franz Carl Christoph Kleber (1710-1785) stiftete in die Unlinger Pfarrkirche den von Johann Joseph Christian erbauten Hochaltar sowie die Chorstühle. Den Abschluss der Bauherren in geistlichem Stande machte Columban Christian, Sohn des Bildhauers Johann Joseph Christian, als letzter Abt des Benediktinerklosters St. Trudpert im Münstertal. Er ließ seinen Bruder und Bildhauer Franz Joseph Christian den Hochaltar erstellen.
Riedlinger Maler und Bildhauer
Die Reihe der in der Barockzeit aus Riedlingen stammenden oder hier beheimateten Künstler ist beeindruckend. Früh begann die Aktivität mit Johann de Pay d. J. (1614-um 1660), der das große Retabel über das Martyrium des hl. Sebastian in der Kapuziner-Klosterkirche hinterließ. Er war kurfürstlich bayerischer Hofmaler. Als Maler mit ganz großem Namen wirkte der 1691 in Wangen geborene, 30 Jahre in Riedlingen wohnhafte Franz Joseph Spiegler an zahlreichen Orten, vor allem aber in Zwiefalten. Etwas in seinem Schatten stand der Malerkollege und zeitweilige Riedlinger Bürgermeister Joseph Ignaz Wegscheider (1704-1758) mit seiner Kunst, obwohl er standesgemäß ein stolzes Palais am Weibermarkt errichtet hatte. Seine Malereien in der Klosterkirche Beuron können durchaus beeindrucken. Als Multitalent ging der Sohn des Riedlinger Scharfrichters, Johann Friedrich Vollmar (1751-1818) in die Kunstgeschichte ein. Er war als Bildhauer, Stukkator, Maler, Architekt und Kanzelbauer vor allem am Hochrhein und in der Nordschweiz gefragt.
Das größte Genie von allen Riedlinger Künstlern war zweifelsfrei Johann Joseph Christian (1706-1777), der – wie kein zweiter seines Faches und der Zeit – in Stein, Stuck und Holz Kunstwerke von höchstem Rang schuf. Die Höhepunkte seiner Schaffenskraft werden in Zwiefalten, Ottobeuren und Bad Buchau bestaunt. Sein Sohn Franz Joseph Christian (1739-1798) erreichte als Bildhauer allerdings zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd die Größe seines Vaters. Ein eher stiller Arbeiter unter den Größen des 18. Jahrhunderts war Franz Joseph Kazenmayer (um 16831755), der aus Königseggwald stammte, und sich ab 1719 in Riedlingen niedergelassen hatte. Eines der selten signierten Holzbildwerke stammt von ihm und steht heute in der Städt. Galerie Riedlingen: der hl. Nepomuk von der Donaubrücke. Neuerdings werden ihm auch große Teile der Ausstattung in der Weilerkapelle zugeschrieben.
Bei so viel „Export“an Künstlern wird klar, dass für die Heimatstadt nur wenig übrig blieb oder Riedlingen zu der Zeit keinen Bedarf und keine Auftraggeber hatte. Die Pfarrkirche war bereits 1712 barock umgestaltet worden, also sehr früh. Ab 1860 galt in Riedlingen Barock als „altmodisch und zopfig“und die Ausstattung von St. Georg musste einer Regotisierung weichen. Diese Einstellung passte zu der von Michel Buck (1832-1888) nieder geschriebenen Meinung: „Unsere verweltlichten Prälaten wussten für ihr Geld keine bessere Verwendung als zur Nachäffung der Gepflogenheiten des französischen Hofes. Es lustete sie, ein wenig Ludwig XIV zu spielen… An die Stelle wirklicher und wahrhaftiger Klostergebäude wurden moderne französische und italienische Schlösser gesetzt, oftmals nicht von deutschen, sondern von welschen Baumeistern, denen das Herz im Leibe lachte, wenn sie unsere „barbarischen gotischen“Bauten zusammenschlagen konnten.“
Die wenigen Kunstwerke, die aus dem 18. Jahrhundert überlebten, sind in der Kapuzinerklosterkirche, der Weilerkapelle und in der Städt. Galerie zu bewundern. Feuerwehr, Rettungsdienst, Notarzt Polizei 110 112 Ärztlicher Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen, Allgemeinarzt und diverse Fachärzte, Telefon 116 117 (kostenfrei, bundesweit einheitlich, ohne Vorwahl), Internet: www.116117info.de Kinderärztlicher Notdienst: 0180/1929343 Augenärztlicher Notdienst: 0180/1929350