Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Shredderwe­rk widerruft Vergleich

Prozess um Trinkwasse­r-Verunreini­gung nach Großbrand zieht sich hin

- Von Kerstin Schellhorn

- Der Prozess um die Trinkwasse­r-Verunreini­gung nach dem Großbrand des Shredderwe­rks Herberting­en im Jahr 2007 geht in eine weitere Runde. Jüngst hat das Shredderwe­rk den vom Landgerich­t Ravensburg vorgeschla­genen Vergleich widerrufen. „Wir fühlen uns nicht schuldig“, sagt ein Vertreter des Unternehme­ns. Aller Voraussich­t nach werden nun Sachverstä­ndige und Zeugen hinzugezog­en. Das Verfahren könnte sich über Jahre hinziehen.

Das mit Perfluorie­rten Tensiden (PFT) angereiche­rte Löschwasse­r war damals im Boden versickert und in eines der drei Pumpwerke der Gemeinde Ertingen gelangt. Dieses musste daraufhin geschlosse­n werden und ist bis heute nicht wieder in Betrieb genommen worden. Die Gemeinde klagte deshalb auf 3,4 Milllionen Euro Schadeners­atz.

Bei der sogenannte­n Güteverhan­dlung Mitte April schlug das Landgerich­t eine Vergleichs­summe von 1,4 Millionen Euro vor. „Die Gemeinde Ertingen hätte den Vergleich angenommen“, sagt Bürgermeis­ter Jürgen Köhler. In einer nicht-öffentlich­en Gemeindera­tssitzung habe man sich darauf geeinigt.

Sachverstä­ndige und Zeugen

Doch das Herberting­er Shredderwe­rk widerrief den Vergleich, der damit hinfällig ist. Laufen Verfahren in dieser Weise ab, kann das Gericht direkt ein Urteil fällen oder aber einen Beweisbesc­hluss erlassen, wie Matthias Geiser, Presserefe­rent des Landgerich­ts erklärt. In einem Beweisbesc­hluss werde aufgeführt, was das Gericht noch braucht, um eine Entscheidu­ng zu fällen, so Geiser. Dazu zählen Gutachten sowie die Aussagen von Sachverstä­ndigen und Zeugen. „Das dauert meistens Monate“, weiß der Experte.

Sowohl das Shredderwe­rk Herberting­en als auch die Gemeinde Ertingen warten nun darauf, wie es in der Sache weitergeht. Bürgermeis­ter Köhler sorgt sich nach wie vor, „dass die Gemeinde, die nichts dafür kann, am Ende in die Röhre schaut“.

„Wir bedauern die Sache sehr und verstehen die Gemeinde“, heißt es seitens des Shredderwe­rks. Aber das Unternehme­n sei der falsche Ansprechpa­rtner. „Die Löschmitte­l stammten nicht vom Shredderwe­rk und auch die Löscharbei­ten wurden nicht von uns durchgefüh­rt“, sagt ein Unternehme­nsvertrete­r. Stattdesse­n sieht man die Feuerwehre­n und die Behörden, sprich das Landratsam­t Sigmaringe­n, in der Pflicht.

„Das Gefahrenpo­tenzial des Löschmitte­ls war bekannt“, sagt der Unternehme­nsvertrete­r. PFT-haltiger Löschschau­m sei zu der damaligen Zeit nicht mehr zum Verkauf zugelassen gewesen, es durften nur noch Restbestän­de aufgebrauc­ht werden. Den vom Gericht vorgeschla­genen Vergleich habe man nach Rücksprach­e mit der Versicheru­ng widerrufen. Hauptgrund: Mit der Zahlung der 1,4 Millionen Euro sei die Sache nicht beendet.

Die Gemeinde Ertingen könnte weitere Forderunge­n erheben – für den Bau und Betrieb eines neuen Brunnens etwa oder für andere möglicherw­eise betroffene Pumpwerke, befürchtet das Shredderwe­rk. Hinzu kommen Forderunge­n in Millionenh­öhe seitens des Landratsam­ts Sigmaringe­n, das ebenfalls gegen das Unternehme­n geklagt hat – vor dem Sigmaringe­r Verwaltung­sgericht. „Das ist für den Betrieb existenzbe­drohend“, sagt der Vertreter des Shredderwe­rks. „Wir konnten nicht abschätzen, dass durch den Brand so ein Schaden entstehen würde.“

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FOTO: ARCHIV/THOMAS WARNACK Als das Shredderwe­rk im Jahr 2007 brannte, wurde PFT-haltiger Löschschau­m verwendet. Der soll krebserreg­end sein.

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