Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Shredderwerk widerruft Vergleich
Prozess um Trinkwasser-Verunreinigung nach Großbrand zieht sich hin
- Der Prozess um die Trinkwasser-Verunreinigung nach dem Großbrand des Shredderwerks Herbertingen im Jahr 2007 geht in eine weitere Runde. Jüngst hat das Shredderwerk den vom Landgericht Ravensburg vorgeschlagenen Vergleich widerrufen. „Wir fühlen uns nicht schuldig“, sagt ein Vertreter des Unternehmens. Aller Voraussicht nach werden nun Sachverständige und Zeugen hinzugezogen. Das Verfahren könnte sich über Jahre hinziehen.
Das mit Perfluorierten Tensiden (PFT) angereicherte Löschwasser war damals im Boden versickert und in eines der drei Pumpwerke der Gemeinde Ertingen gelangt. Dieses musste daraufhin geschlossen werden und ist bis heute nicht wieder in Betrieb genommen worden. Die Gemeinde klagte deshalb auf 3,4 Milllionen Euro Schadenersatz.
Bei der sogenannten Güteverhandlung Mitte April schlug das Landgericht eine Vergleichssumme von 1,4 Millionen Euro vor. „Die Gemeinde Ertingen hätte den Vergleich angenommen“, sagt Bürgermeister Jürgen Köhler. In einer nicht-öffentlichen Gemeinderatssitzung habe man sich darauf geeinigt.
Sachverständige und Zeugen
Doch das Herbertinger Shredderwerk widerrief den Vergleich, der damit hinfällig ist. Laufen Verfahren in dieser Weise ab, kann das Gericht direkt ein Urteil fällen oder aber einen Beweisbeschluss erlassen, wie Matthias Geiser, Pressereferent des Landgerichts erklärt. In einem Beweisbeschluss werde aufgeführt, was das Gericht noch braucht, um eine Entscheidung zu fällen, so Geiser. Dazu zählen Gutachten sowie die Aussagen von Sachverständigen und Zeugen. „Das dauert meistens Monate“, weiß der Experte.
Sowohl das Shredderwerk Herbertingen als auch die Gemeinde Ertingen warten nun darauf, wie es in der Sache weitergeht. Bürgermeister Köhler sorgt sich nach wie vor, „dass die Gemeinde, die nichts dafür kann, am Ende in die Röhre schaut“.
„Wir bedauern die Sache sehr und verstehen die Gemeinde“, heißt es seitens des Shredderwerks. Aber das Unternehmen sei der falsche Ansprechpartner. „Die Löschmittel stammten nicht vom Shredderwerk und auch die Löscharbeiten wurden nicht von uns durchgeführt“, sagt ein Unternehmensvertreter. Stattdessen sieht man die Feuerwehren und die Behörden, sprich das Landratsamt Sigmaringen, in der Pflicht.
„Das Gefahrenpotenzial des Löschmittels war bekannt“, sagt der Unternehmensvertreter. PFT-haltiger Löschschaum sei zu der damaligen Zeit nicht mehr zum Verkauf zugelassen gewesen, es durften nur noch Restbestände aufgebraucht werden. Den vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich habe man nach Rücksprache mit der Versicherung widerrufen. Hauptgrund: Mit der Zahlung der 1,4 Millionen Euro sei die Sache nicht beendet.
Die Gemeinde Ertingen könnte weitere Forderungen erheben – für den Bau und Betrieb eines neuen Brunnens etwa oder für andere möglicherweise betroffene Pumpwerke, befürchtet das Shredderwerk. Hinzu kommen Forderungen in Millionenhöhe seitens des Landratsamts Sigmaringen, das ebenfalls gegen das Unternehmen geklagt hat – vor dem Sigmaringer Verwaltungsgericht. „Das ist für den Betrieb existenzbedrohend“, sagt der Vertreter des Shredderwerks. „Wir konnten nicht abschätzen, dass durch den Brand so ein Schaden entstehen würde.“