Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Nie wieder auf 180 sein

Konflikte am Arbeitspla­tz gelassen zu lösen, setzt Selbstkenn­tnis voraus

- Von Kristin Kruthaup, dpa

ie anstrengen­dsten Tage bei der Arbeit? Das sind für viele jene mit Konflikten. Keine To-do-Liste der Welt macht einen so fertig wie Streit mit Kollegen. Erst fangen die Backen an zu zittern. Dann rutscht man auf dem Stuhl hin und her. Und schließlic­h fängt man an zu schimpfen: „Das kann doch nicht wahr sein!“Es ist passiert: Man ist auf 180.

So oder so ähnlich spielen sich tausendfac­h Szenen am Arbeitspla­tz ab. Wo gearbeitet wird, gibt es immer auch Konflikte. Doch kann man lernen, sie souverän auszutrage­n, ohne sich dabei aufzuregen?

„Soziale Konflikte sind der größte Stressfakt­or für Menschen überhaupt“, sagt Coach Günter Hudasch, der bei Konflikten im Büro berät. Vermeiden lassen sich die Differenze­n am Arbeitspla­tz aber kaum. Es geht dabei nicht nur um Sachfragen. Ganz unterschie­dliche Typen, Arbeitswei­sen, Charaktere und Werte treffen aufeinande­r – und das oft unter Stress und Zeitdruck. Kollidiere­n Interessen und Werte, ist der Konflikt da.

Menschen, die sich am Arbeitspla­tz selten aufregen, kennen sich häufig sehr gut selbst, sagt Susanne Klein, ebenfalls Coach bei Konflikten am Arbeitspla­tz. Jeder Mensch hat bestimmte Werte, bei deren Verletzung er an die Decke geht. Zu erkennen, was einen stört, ist der erste Schritt, um den Konflikt souverän zu lösen, erklärt Klein.

Ein Beispiel: Kollege X braucht von Kollege Y jede Woche bis Mittwoch bestimmte Unterlagen, damit er seine Arbeit machen kann. Kollege Y schickt die Unterlagen in vielen Fällen jedoch zu spät – statt am Mittwochab­end am Donnerstag­mittag. Kollege X regt sich darüber maßlos auf und vor allem ärgert ihn die Respektlos­igkeit von Y. „Der muss doch kapieren, dass er die Unterlagen pünktlich abgeben muss“, denkt er jede Woche aufs Neue. Viele verharren in dieser Situation.

Sie reagieren reaktiv, erklärt Günter Hudasch. Die Unterlagen fehlen am Mittwochab­end, und schon ist der Groll da. Das sei ein völlig unbewusste­s, direktes Reagieren auf Verletzung­en durch andere, sagt Hudasch. Wer gut im Konfliktel­ösen ist, steigt hier aus, analysiert die Situation, und gibt Kollege Y dann eine neue Deadline – mit einem Puffer für alle Fälle.

Sind Menschen besonders souverän im Umgang mit Konflikten am Arbeitspla­tz, haben sie häufig auch ein gutes Selbstbewu­sstsein. Sie ziehen sich bestimmte Schuhe gar nicht erst an, sagt Mareike große Darrelmann, Business Coach aus Düsseldorf. Ein Beispiel: Kollegin X sagt zu Kollegin Y: „Das Papier im Drucker ist ja schon wieder alle.“Fühlt sich Kollegin Y wenig respektier­t und anerkannt, antwortet sie vielleicht patzig: „Ich bin doch hier nicht das Mädchen für alles.“Wer in seiner Rolle sehr sicher ist, und weiß, was seine Aufgaben sind, würde antworten. „Oh ja stimmt, das Papier ist dort hinten.“

Wer sehr souverän Konflikte löst, ist häufig sehr gut darin, sich selbst und sein Verhalten zu reflektier­en. Er stellt sich überhaupt erst einmal die Frage: Warum gerate ich am Arbeitspla­tz in die Situation, dass ich mich aufrege?

Menschen, die sich im Büro selten aufregen, gelingt es nicht zuletzt, die Kollegen für ihre Art und Weise zu achten, sagt Coach Mareike große Darrelmann. Sie wissen, wo die roten Linien ihrer Kollegen sind und übertreten diese nicht.

Wer also im Team immer wieder mit anderen aneinander­gerät, sollte einmal abends für sich versuchen herauszufi­nden, was deren rote Linien sind. Und er sollte auch sich selbst fragen, ob er wirklich weiß, wo seine eigenen kritischen Punkte sind. Dann fällt es ihm bei der nächsten Aufregung vielleicht leichter, den anderen zu kommunizie­ren, was ihn überhaupt stört. (dpa)

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FOTO: MONIQUE WÜSTENHAGE­N/DPA Wenn unterschie­dliche Charaktere im Büro aufeinande­rtreffen, bleiben Konflikte nicht aus. Um Ärger zu vermeiden, ist es wichtig, die eigenen Empfindlic­hkeiten zu kennen.
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FOTO: DPA Busfahreri­nnen sind keine Seltenheit mehr.

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