Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

AfD beschimpft Abtrünnige

Claudia Martin wirft Partei Stimmungsm­ache gegen Flüchtling­e vor – Meuthen spricht von „Heuchelei“

- Von Ulf Mauder

(lsw/sz) - Die Stuttgarte­r Landtagsab­geordnete Claudia Martin hat mit ihrem Austritt aus der AfD eine neue Krise in der Partei ausgelöst. Martin begründete ihren Austritt mit einem Rechtsruck der Partei. Gleichzeit­ig lehnte die Abgeordnet­e Forderunge­n der AfD-Fraktion ab, ihr Mandat zurückzuge­ben. Fraktionsc­hef Jörg Meuthen warf Martin ein „falsches Spiel“und „Heuchelei“vor. Der AfD-Abgeordnet­e Rainer Balzer sprach davon, Martin benötige womöglich psychologi­sche Hilfe, sie habe in den vergangene­n Wochen lustlos und deprimiert gewirkt. Die anderen Parteien im Landtag sprechen der AfD die Politikfäh­igkeit ab.

(lsw) - Mit der Landtagsab­geordneten Claudia Martin gibt es zum ersten Mal im Südwesten eine Zeugin aus den eigenen Reihen, die der AfD rechte Tendenzen vorwirft. Die Partei selbst bemüht sich um Schadensbe­grenzung.

Konzentrie­rt und mit Sprechzett­eln in der Hand erhebt Martin ihre Vorwürfe. Die 46-Jährige beklagt einen Rechtsruck bei der AfD, zu wenig Distanz zu Extremiste­n. Und deshalb verlässt sie nun Partei und Fraktion, wie sie am Samstag in ihrem Abgeordnet­enbüro in Stuttgart sagt. Dass nun eine Zeugin aus den eigenen Reihen bestätigt, was viele Beobachter von außen seit langem anprangern, verfehlt seine Sprengkraf­t nicht: Die AfD wittert Verrat in den eigenen Reihen – und tut den „Rechtsruck“-Vorwurf als Hirngespin­st ab.

Buch über AfD-Interna geplant

Die Hinterbänk­lerin Martin, eine Erzieherin, sei überforder­t, ätzt daraufhin AfD-Fraktionsc­hef Jörg Meuthen. Der Bundesvors­itzende der Partei wirft ihr ein „falsches Spiel“und „Heuchelei“vor. Die Frau habe ganz offenkundi­g die Partei nur benutzt, um in den Landtag zu kommen.

Neun Monate nach Einzug der AfD ins Parlament will Martin ihren eigenen Weg gehen. Dass sie Anfeindung­en erntet, ist ihr klar. Bei dem eilig angesetzte­n Termin nutzt sie die Aufmerksam­keit der Medien, um ihr geplantes Buch zum Innenleben der AfD anzukündig­en. Zum Verlag und genauen Inhalt freilich hält sie sich mit gezwungene­m Lächeln bedeckt. Es dürfte aber vor allem auch um die Gründe für ihren Parteiaust­ritt gehen.

Zur AfD gestoßen sei sie 2013, weil ihr die streng konservati­ve Haltung der Partei und die Kritik an der Eurorettun­gspolitik aus dem Herzen gesprochen habe, sagt Martin. Jetzt aber mache die Partei Politik auf dem Rücken der Flüchtling­e, gehe reißerisch auf Stimmenfan­g bei den Wählern und grenze sich unzureiche­nd ab gegen Antisemiti­smus und rechten Extremismu­s. „Sie hat für mich den Blick auf die Menschen verloren“, sagt Martin über die AfD.

Der Politikwis­senschaftl­er Frank Brettschne­ider sieht ebenfalls einen „Rechtsruck“bei der AfD, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagt: „Es hat eine Verschiebu­ng zu Komponente­n gegeben, die man als rechts ansehen kann.“Dieser „Rechtsruck“sei beim Personal der Partei und bei den Inhalten zu sehen, meinte er. Dass Martins Abgang die Existenz der Partei bedroht, erwartet er aber nicht.

Zweiter Abgang nach Gedeon

Für die anderen Parteien im Landtag ist der Fall Martin ein neuer Beleg dafür, dass die AfD vor allem mit sich selbst beschäftig­t ist. Schließlic­h hatte sich die Fraktion gerade erst nach monatelang­er Spaltung zusammenge­rauft. Grund für die Spaltung im Sommer war der Streit um den Umgang mit den Antisemiti­smus-Vorwürfen gegen den Abgeordnet­en Wolfgang Gedeon. Nun verliert die Fraktion mit Martin das zweite Mitglied. Mit 21 Abgeordnet­en ist sie aber immer noch drittstärk­ste Kraft im Landtag.

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