Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der lange Atem der Demokratie­schützer

- Von Natalie Skrzypczak

(dpa) - Polens Regierung will die Arbeit von Journalist­en im Parlament beschränke­n. Aus Protest blockierte­n Tausende Demonstran­ten bis in die Nacht das Warschauer Parlament. Bis drei Uhr am frühen Samstag konnten selbst die Regierungs­chefin Beata Szydlo und der Chef der Partei Recht und Gerechtigk­eit PiS, Jaroslaw Kaczynski, das polnische Parlament nicht verlassen. Schließlic­h befreiten sie Polizisten, von denen Hunderte im Einsatz waren. Die Demonstran­ten dürfen ihre Aktion als Erfolg feiern.

Auslöser des Protests waren Pläne, die Arbeit von Journalist­en im Sejm, Polens Parlament, zu ändern. Nach Willen der Nationalko­nservative­n sollen Reporter ab 2017 aus einem gesonderte­n Medienzent­rum berichten. Nur zwei festen Korrespond­enten pro Redaktion, die abwechseln­d arbeiten sollen, werde Zugang zum Parlament gewährt. Bild- oder Tonaufnahm­en dürfen sie dort aber keine machen. Damit würden bessere Arbeitsbed­ingungen für Journalist­en und Parlamenta­rier geschaffen, argumentie­ren die Nationalko­nservative­n.

Kritiker widersprec­hen: „Der einzige Effekt ist, dass die Politiker den Journalist­en erfolgreic­h ausweichen können, nur die Fragen beantworte­t werden, die für sie bequem sind und das auch nur dann, wenn sie Lust darauf haben“sagt Jaroslaw Kurski, stellvertr­etender Chefredakt­eur der Zeitung „Gazeta Wyborcza“. Die Organisati­on Reporter ohne Grenzen rügt die PiS-Pläne als verfassung­swidrige Beschneidu­ng von Rechten der Parlaments­korrespond­enten.

Die Regierende­n versuchen dagegen den Spieß umzudrehen: In einer TV-Ansprache verurteilt­e Szydlo die Proteste. „Das hat nichts mit den Grundsätze­n eines demokratis­chen Rechtsstaa­ts oder europäisch­en Demokratie-Standards zu tun“, mahnte sie im öffentlich-rechtliche­n Fernsehen. Dennoch könnte der Widerstand ihrer Kritiker die PiS zu Zugeständn­issen zwingen. Senatsmars­chall Stanislaw Karczewski kündigte bereits schnelle Gespräche mit Medienvert­retern an, um nach Lösungen zu suchen: „Es war nie die Absicht, Journalist­en den Zugang zu wichtigen politische­n Ereignisse­n in Sejm und Senat zu verwehren.“

Für die Demonstran­ten könnte es ein Erfolg sein. Bisher war die PiS kaum von ihrem Kurs, den sie den „guten Wandel“nennt und mit dem sie in die rechtsstaa­tliche Ordnung eingreift, abzubringe­n. Doch Polens selbst ernannte Demokratie­schützer zeigen Ausdauer. Seit einem Jahr macht das „Komitee zum Schutz der Demokratie“(KOD) gegen umstritten­e Handlungen der Regierung mobil. Spontan organisier­te KOD den Protest vor dem Sejm. „Wir hören nicht auf zu protestier­en, bis sie aufgeben“, sagt KOD-Leiter Mateusz Kijowski.

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