Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Opposition fordert klare Informationen im Fall Amri
Grüne erwägen Untersuchungsausschuss – Verdächtiger Tunesier wieder auf freiem Fuß
(dpa/AFP) Nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt stehen die Ermittler auf der Suche nach Hintermännern weiter mit leeren Händen da. Ein vorläufig festgenommener Tunesier (40), dessen Nummer der mutmaßliche Attentäter Anis Amri auf seinem Handy gespeichert hatte, ist nicht die gesuchte Kontaktperson Amris und deshalb wieder auf freiem Fuß. Ermittlungen zu Tatbeteiligten, Helfern und Mitwissern liefen „mit unveränderter Intensität“weiter, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft am Donnerstag bei einer lediglich fünf Minuten dauernden Pressekonferenz. Weiterhin sind noch immer viele Fragen offen.
Die Opposition im Bundestag fordert derweil Aufklärung darüber, welche Informationen über Amri den Behörden bereits vor dem Anschlag vorlagen. „Wir reden über Videoüberwachung und Fußfesseln, aber über das, was falsch gelaufen ist, reden wir nicht“, so der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz. Sein Fraktionskollege Hans-Christian Ströbele sagte, man werde im Eilverfahren einen Untersuchungsausschuss beantragen, falls nicht schnell klare Informationen kämen. Eva Högl, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, erklärte im Bayerischen Rundfunk, es sei „völlig unverständlich“, warum „dieser gefährliche Mann“nicht inhaftiert wurde. Laut Gesetz sei dies bei Ausreisepflichtigen für bis zu 18 Monate möglich. Immer deutlicher wird, dass Amri mehrfach im Fokus der Behörden stand. Laut „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR wurde im Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum (GTAZ) in Berlin zwischen Februar und November 2016 mindestens siebenmal über ihn gesprochen. Die Staatsanwaltschaft in Duisburg hatte ein Ermittlungsverfahren wegen Betrug im April eröffnet, wie ein Sprecher sagte. Auch bei der Berliner Staatsanwaltschaft wurde der Tunesier aktenkundig. In einem Fall sei es um Verdacht auf Körperverletzung vor dem Berliner Flüchtlingsamt Lageso gegangen, in einem anderen um „Falschbeurkundung“.
Die Bundesanwaltschaft verkündete derweil, dass sie ein Video, in dem sich Amri zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekannt hat, für echt hält. Darin schwört er IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi die Treue und sagt: „Wir kommen zu euch, um euch zu schlachten, ihr Schweine.“Beim Anschlag am 19. Dezember wurden zwölf Menschen getötet und mehr als 50 verletzt.
Als sicher gilt zudem, dass Amri über die Niederlande und Frankreich nach Italien floh. Die Ermittlungen zu Videos aus Überwachungskameras, die ihn unter anderem in Lyon und Turin zeigen, laufen laut Bundesanwaltschaft aber noch.