Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein Desaster für die Behörden
Die Bilanz ist ernüchternd. Mehr als zehn Tage nach dem schrecklichen Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz tappen die Ermittler noch weitgehend im Dunkeln, was mögliche Helfer und Hintermänner angeht. Fest steht aber bereits, dass Anis Amri alles andere als ein einsamer Wolf gewesen ist. Mag der festgenommene Tunesier, den die Ermittler zunächst als möglichen Kontaktmann eingestuft haben, auch wieder auf freiem Fuß sein: Die These von Amri als isoliert handelndem Einzeltäter ist mittlerweile unglaubwürdig geworden.
Amri war Teil eines bundesweiten Radikalen-Netzwerks: Er hatte Zugang zu einschlägigen Moscheen und konspirativen Zirkeln, er wurde dort weiter radikalisiert und womöglich ideologisch wie logistisch auf einen Anschlag in Deutschland vorbereitet. Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft belegen, dass es bei dieser fürchterlichen Bluttat noch weit mehr Opfer hätte geben können.
Für die Sicherheitsbehörden ist der Fall ein großes Desaster. Nicht allein deshalb, weil Amri auf seiner Flucht erst durch einen Zufall und die professionelle Reaktion der beiden italienischen Polizisten gestoppt werden konnte. BKA, Verfassungsund Staatsschutz hatten den späteren Attentäter sehr wohl auf dem Schirm, sind in seinem Fall jedoch zu einer fatal-falschen Einschätzung seiner Gefährlichkeit gekommen. Das bedarf, ebenso wie die mangelnde Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden in Europa, die sich in diesem Fall gezeigt hat, einer sorgfältigen Aufarbeitung.
Die Konsequenz muss eine schärfere, konsequentere Überwachung islamistischer Gefährder in Deutschland sein. Es genügt jedoch nicht, dass die Behörden dann über noch mehr Informationen und Erkenntnisse über potenzielle Attentäter verfügen, die Konsequenzen aber ausbleiben. Die Ämter und Ermittler, die eigentlich das Leben der Bürger in Deutschland und unsere freiheitliche Ordnung schützen sollen, dürfen es gefährlichen Extremisten in Zukunft nie mehr so leicht machen, wie sie es bei Anis Amri getan haben.