Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Schlechte Noten für Polizeireform
Umfrage unter Beamten beweist Unzufriedenheit – vor allem am Präsidium in Konstanz
- Die Polizisten im Land sind unzufrieden mit der Polizeireform. So lautet das Ergebnis einer Befragung, an der sich 11 300 Ordnungshüter beteiligt haben. Besonders schlechte Noten bekam das Präsidium in Konstanz. Die Erhebung ist Teil der Evaluierung der Polizeireform, mit der die grün-schwarze Landesregierung vor einigen Wochen einen Lenkungskreis betraut hat.
Seit 2014 hat sich die Polizeistruktur im Land massiv verändert. Aus 37 Präsidien wurden zwölf. Ein Ziel war es, so jedes Revier mit zwei weiteren Stellen auszustatten, um die Bürgernähe zu stärken. Genau das sei aber nicht erreicht worden, finden die Polizisten. Die Frage, ob der Streifendienst gestärkt wurde, bewerten die Beamten mit schlechten 4,43.
Polizisten erstmals befragt
Die Polizisten kamen in der Befragung erstmals gezielt zu Wort. Sie konnten Teilbereiche der Reform mit Noten zwischen eins und fünf bewerten. Das Gesamtergebnis über alle Präsidien und Fragestellungen liegt bei 3,22. Viele Befragte bezweifeln, dass mit der Reform Bürokratie abgebaut wurde (4,25) oder die Bürgernähe durch die neuen Zuschnitte der Präsidien gestärkt wurde (3,56). Gute Noten gab es für die sozialverträgliche Umsetzung der Reform (1,95).
Unter den Polizeipräsidien schnitt das in Konstanz beim Zuschnitt und der Bürgernähe mit 3,92 am schlechtesten ab. An seinem Zuschnitt hatte es von Anfang an Kritik gegeben, schließlich reicht sein Zuständigkeitsgebiet bis ins Allgäu, umfasst auch die Landkreise Ravensburg und Sigmaringen. Auch die Polizeipräsidien Reutlingen (3,88), Karlsruhe (3,87), Aalen (3,86), Heilbronn (3,81), Tuttlingen (3,70) und Mannheim (3,68) rangieren bei dieser Frage eher im hinteren Feld.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte vor einigen Wochen eine Bewertung der Reform bis Ende März 2017 angekündigt. CDU-Innenexperte Thomas Blenke erklärte nun: „Die Polizeireform hat nicht das gebracht, was die grün-rote Vorgängerregierung versprochen hat.“FDPFraktionschef Hans-Ulrich Rülke warf der Polizeiführung im Land vor, den Bezug zu den Beamten auf der Straße verloren zu haben. Der Zuschnitt der Polizeipräsidien fördere bürgernahe Polizeiarbeit nicht.
„Wir haben erwartet, dass es insbesondere in den großen Flächenpräsidien harte Kritik geben wird“, sagt der grüne Innenexperte Uli Sckerl. „Das gilt insbesondere für das Polizeipräsidium Konstanz.“Auch er stellt die Frage, ob Anzahl und Standorte der Präsidien richtig sind. Auf diese und weitere Fragen „erwarten wir von den Experten bis Ende März 2017 Lösungsvorschläge“.
Ex-Innenminister Gall (SPD) betont hingegen: „Ohne diese Strukturreform stünde die Polizei heute deutlich schlechter da“. Es gäbe keine Staatsschutzdezernate und keine Cyberkriminalität-Experten in der Fläche, keine leistungsfähigen Führungsund Lagezentren. Die Polizei könnte nicht aus dem Stand große Sonderkommissionen aufstellen. Zwar sei es nötig, bei Bedarf nachzujustieren, so Gall. Aber: „Sie bleibt unter dem Strich ein großer Wurf, der unsere Polizei für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet hat.“