Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Memmingen steht unter Schock
Fassungslosigkeit nach dem Tod von Oberbürgermeister Markus Kennerknecht – Der 46-Jährige war erst 38 Tage im Amt
- Es war am 16. Dezember, als der neue Oberbürgermeister Markus Kennerknecht bei der Jahresschlussfeier des Memminger Stadtrates sprach. Er erzählte von „spannenden, aufregenden Zeiten“und erinnerte an den Abend seines Wahlsiegs: „Die Rathaustüren öffneten sich und Applaus brandete mir entgegen.“Voller Tatendrang skizzierte Kennerknecht, was er in nächster Zeit anpacken will. Keine zwei Wochen später hat den 46-Jährigen ein schlimmes Schicksal ereilt. Beim Joggen ist der begeisterte Ausdauersportler einer Herzattacke erlegen – nach 38 Tagen im Amt des Rathauschefs. Seit sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet hat, steht eine ganze Stadt unter Schockstarre.
„Er hat sein Amt bereits mit Herz und Seele ausgefüllt.“ Kennerknechts Vorgänger Ivo Holzinger
An allen städtischen Gebäuden hängt Trauerbeflaggung, vor der Rathaustür stehen Kerzen, drinnen tragen sich viele Menschen in ein Kondolenzbuch ein. In Memmingen herrscht Ausnahmezustand an diesem Donnerstag. „Wir sind alle fassungslos und bestürzt. Die Leute können es noch gar nicht realisieren“, sagt eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung. „Herr Kennerknecht war sehr beliebt“, ergänzt die Frau.
Auch außerhalb der Verwaltung schätzen es viele Memminger, wie der gebürtige Oberallgäuer in sein neues Amt gestartet ist. Der Sozialdemokrat wollte sofort mit möglichst vielen Bürgern ins Gespräch kommen, nahm sich Zeit für die Anliegen der Menschen. Das honoriert auch der Memminger Ehrenbürger und Ex-Landwirtschaftsminister Josef Miller: Er habe den Rathauschef als „sehr freundlichen und offenen Menschen kennengelernt. Er strahlte Vertrauenswürdigkeit aus“.
Kennerknechts Vorgänger Ivo Holzinger, der als dienstältester deutscher Oberbürgermeister 36 Jahre lang im Amt war, sah den früheren Immenstädter Bauamtsleiter ebenfalls auf einem guten Weg: „Er hat sein Amt bereits mit Herz und Seele ausgefüllt.“Davon habe er sich überzeugen können, als er kürzlich ein längeres Gespräch mit Kennerknecht führte, erzählt Holzinger. Der Memminger CSU-Landtagsabgeordnete Klaus Holetschek teilt diese Einschätzung: „Er ist sein neues Amt mit großem Engagement angegangen. Wir waren uns einig, dass wir an einem Strang ziehen wollen, um das Beste für Memmingen zu erreichen.“
Er hinterlässt Ehefrau und Töchter
In Gedanken sei er jetzt bei Kennerknechts Familie, sagt Holetschek. Der Verstorbene hinterlässt eine Ehefrau und zwei Töchter, die beide noch in die Grundschule gehen. „Frau Kennerknecht ist mit ihrer Trauer nicht allein“, sagt auch HansJoachim Weirather, Aufsichtsratsvorsitzender der Allgäu GmbH und Unterallgäuer Landrat. Als er die Nachricht vom Tod des Oberbürgermeisters erfuhr, „spürte ich eine lähmende Leere in meinem Körper“. Und nachdenklich fügt Weirather hinzu: „Das Schicksal, das Herrn Kennerknecht ereilte, kann jeden von uns in jedem Moment seines Lebens treffen.“
Als der neue Memminger Rathauschef am 21. November vereidigt wurde, blickte er noch voller Zuversicht auf die kommende Zeit: „Ich freue mich über das Vertrauen der Bürger und das Zutrauen, dem neuen Amt gewachsen zu sein.“Er hatte sich in der Stichwahl gegen den CSUBewerber Dr. Robert Aures durchgesetzt.
Als Aufgaben für die ersten 100 Tage seiner Amtszeit nannte Kennerknecht unter anderem die geplante Ansiedlung einer Ikea-Filiale und Gespräche über die mögliche Fusion des Memminger Krankenhauses mit den Unterallgäuer Kreiskliniken. Doch es ist ihm nicht mehr vergönnt, dies in die Tat umzusetzen.
Für seine „enorme Sachkenntnis, den freundschaftlichen Umgang, den er mit allen pflegte, und weil er ein unbedingter Team-Spieler war“, schätzten die Kollegen der Immenstädter Stadtverwaltung Markus Kennerknecht. Zweieinhalb Jahre leitete er dort ab April 2014 das Bauamt, bevor er nach Memmingen ging. „Mir war bald klar, dass uns ein Mann mit diesem Format nicht lange bleiben würde“, sagte Bürgermeister Armin Schaupp. „Ich habe mich geradezu blind mit ihm verstanden.“
Imponiert habe ihm der unabhängige Geist Kennerknechts: Er sei immer bereit gewesen, ungewöhnliche und unbürokratische Wege zu gehen, um ein Ziel zu erreichen. Als er ihm mitteilte, sich als OB-Kandidat zu bewerben, habe ihn Schaupp bestärkt: „Ich habe ihm gesagt, du gehörst unbedingt in die Politik, Leute wie dich brauchen wir notwendiger denn je.“
Vor Immenstadt war Kennerknecht Leiter des Bauamts in Waltenhofen. „Er war ein Chef, wie man ihn sich wünscht“, sagt Vize-Bürgermeister Karl Fischer, „unwahrscheinlich kollegial und fleißig.“Davor arbeitete Kennerknecht beim Tiefbauamt Kempten. OB Thomas Kiechle lernte ihn aber erst später kennen: „Ich habe mein Amt im selben Alter angetreten wie er.“Deshalb wisse er, unter welcher Last dieser derzeit stand. Ausgleich fand Kennerknecht im Sport, sagt Karl Schlusche, Vorsitzender des Radsportclubs Kempten, dessen Mitglied Kennerknecht war. 2015 etwa sei er fast täglich von Durach nach Immenstadt geradelt. Wann Kennerknecht in seiner Heimatgemeinde Durach beerdigt wird, stehe noch nicht fest, sagt Memmingens Zweite Bürgermeisterin Margareta Böckh. Auch der Termin für eine Trauersitzung des Stadtrates ist noch nicht festgelegt.
Neuwahl in drei Monaten
Wie geht es dann in Memmingen weiter? Die Zweite Bürgermeisterin Margareta Böckh steht nun an der Spitze der Stadt Memmingen. Sie ist mit allen Befugnissen eines Oberbürgermeisters ausgestattet. Laut Gesetz solle die Neuwahl drei Monate nach dem Tod des Amtsinhabers stattfinden, sagt der Memminger Rechtsdirektor Thomas Schuhmaier. Dies wäre im Memminger Fall der 26. März. Bereits 52 Tage vorher müssen die Parteien ihre Kandidaten nominiert haben – das wäre der 2. Februar. Die Stadt könne bei der Regierung von Schwaben abklären, ob die Neuwahl auch etwas später möglich ist, sagt Schuhmaier.