Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zugeknöpft­e Behörden und viele Fragen im Fall Amri

Generalbun­desanwalt Peter Frank informiert nur sehr zögerlich über Ermittlung­sergebniss­e nach dem Terroransc­hlag in Berlin

- Von Jutta Schütz und Stefan Kruse

(dpa) - Nach dem Terroransc­hlag auf einen Berliner Weihnachts­markt werden Einzelheit­en nur häppchenwe­ise bekannt. Die Ermittlung­sbehörden räumen oft nur das ein, was Medien bereits veröffentl­icht haben.

Nach fünf Minuten ist es schon wieder vorbei. Die Erklärung der Bundesanwa­ltschaft zu den Berliner Terrorermi­ttlungen bringt am Donnerstag nur wenige neue Erkenntnis­se: Eine Sprecherin von Generalbun­desanwalt Peter Frank bestätigt in Karlsruhe etliche Ermittlung­sdetails, die bereits durch Medienberi­chte bekannt geworden waren. Ein angebliche­r Unterstütz­er des Attentäter­s Anis Amri sei wieder auf freiem Fuß. „Das ist das, was ich Ihnen sagen kann“, sagt Frauke Köhler und geht. Fragen sind nicht zugelassen.

Zehn Tage nach dem Anschlag wächst der Druck auf die Ermittlung­sbehörden. Es gibt immer noch viele offene Fragen. Wie konnte Amri von Berlin nach Italien flüchten, wo er erschossen wurde? Weshalb wurde ein möglicher Anschlag des 24-jährigen Tunesiers als unwahrsche­inlich eingestuft, obwohl er im Internet nach Bauanleitu­ngen für Rohrbomben suchte? Wie konnte er mit sieben Alias-Namen Behörden in mehreren Bundesländ­ern täuschen? Hätte der Anschlag also verhindert werden können?

„Wenden Sie sich an Karlsruhe“

Wer diese Fragen Berliner Sicherheit­sbehörden stellt, trifft auf hilfloses Schulterzu­cken. „Wenden Sie sich an Karlsruhe“, heißt es unisono bei Polizei, Staatsanwa­ltschaft und Innenbehör­de. Die Bundesanwa­ltschaft übernahm die Ermittlung­en zum bislang schwersten islamistis­chen Terroransc­hlag in Deutschlan­d. Sie ist die oberste Strafverfo­lgungsbehö­rde, die bei schwerwieg­enden Staatsschu­tzdelikten in Aktion tritt. Seitdem dürfen sich andere Behörden nicht mehr äußern.

Es sei immer häufiger zu beobachten, dass Staatsanwa­ltschaften äußerst zurückhalt­end mit Informatio­nen seien, kritisiert der Vorsitzend­e des Deutschen Journalist­en-Verbandes (DJV), Frank Überall. „Das gilt auch und gerade für die Bundesanwa­ltschaft.“Eine demokratis­che Öffentlich­keit habe aber ein Recht auf verlässlic­he Fakten. „Ich sehe die Strafverfo­lgungsbehö­rden in der Verantwort­ung, zu einer aktiveren Informatio­n der Öffentlich­keit zurückzuke­hren“, folgert Überall.

Viele Ermittler, die Straftaten gerichtsfe­st aufklären müssen, haben eine andere Sicht. Offene Kommunikat­ion sei zwar bei großen Einsätzen wichtig, auch um die Bevölkerun­g zu beruhigen, sagt der Vizechef des Bundes Deutscher Kriminalbe­amter, Sebastian Fiedler. Jedoch findet es der Kriminalis­t „nicht unproblema­tisch“, wenn Medien Teilergebn­isse späterer Ermittlung­en aus nicht offizielle­n Quellen veröffentl­ichen. Dabei bestehe die Gefahr, dass die Verbrechen­saufklärun­g behindert werde. Mit Täterwisse­n, das an die Öffentlich­keit gelangt, könnten zum Beispiel andere Menschen in Gefahr gebracht und spätere Zeugenauss­agen beeinfluss­t werden.

Unmut über Generalbun­desanwalt

Allerdings gibt es in Ermittlerk­reisen hinter vorgehalte­ner Hand auch Unmut über das Vorgehen des Generalbun­desanwalts. Der ist erst seit gut einem Jahr im Amt und will in einem politisch so brisanten Verfahren offensicht­lich nichts falsch machen. Die Bundesanwa­ltschaft nehme den Anspruch der Öffentlich­keit auf Informatio­nen sehr ernst, sagt Sprecherin Köhler. Es gehe nicht darum, „dass wir das nicht wollen“. Allerdings müsse man auch verstehen, dass weder Ermittlung­sansätze gefährdet noch Persönlich­keitsrecht­e verletzt werden dürften.

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FOTO: DPA Seit Generalbun­desanwalt Peter Frank die Ermittlung­en im Fall Amri übernommen hat, fließen die Informatio­nen spärlich.

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