Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Zugeknöpfte Behörden und viele Fragen im Fall Amri
Generalbundesanwalt Peter Frank informiert nur sehr zögerlich über Ermittlungsergebnisse nach dem Terroranschlag in Berlin
(dpa) - Nach dem Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt werden Einzelheiten nur häppchenweise bekannt. Die Ermittlungsbehörden räumen oft nur das ein, was Medien bereits veröffentlicht haben.
Nach fünf Minuten ist es schon wieder vorbei. Die Erklärung der Bundesanwaltschaft zu den Berliner Terrorermittlungen bringt am Donnerstag nur wenige neue Erkenntnisse: Eine Sprecherin von Generalbundesanwalt Peter Frank bestätigt in Karlsruhe etliche Ermittlungsdetails, die bereits durch Medienberichte bekannt geworden waren. Ein angeblicher Unterstützer des Attentäters Anis Amri sei wieder auf freiem Fuß. „Das ist das, was ich Ihnen sagen kann“, sagt Frauke Köhler und geht. Fragen sind nicht zugelassen.
Zehn Tage nach dem Anschlag wächst der Druck auf die Ermittlungsbehörden. Es gibt immer noch viele offene Fragen. Wie konnte Amri von Berlin nach Italien flüchten, wo er erschossen wurde? Weshalb wurde ein möglicher Anschlag des 24-jährigen Tunesiers als unwahrscheinlich eingestuft, obwohl er im Internet nach Bauanleitungen für Rohrbomben suchte? Wie konnte er mit sieben Alias-Namen Behörden in mehreren Bundesländern täuschen? Hätte der Anschlag also verhindert werden können?
„Wenden Sie sich an Karlsruhe“
Wer diese Fragen Berliner Sicherheitsbehörden stellt, trifft auf hilfloses Schulterzucken. „Wenden Sie sich an Karlsruhe“, heißt es unisono bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenbehörde. Die Bundesanwaltschaft übernahm die Ermittlungen zum bislang schwersten islamistischen Terroranschlag in Deutschland. Sie ist die oberste Strafverfolgungsbehörde, die bei schwerwiegenden Staatsschutzdelikten in Aktion tritt. Seitdem dürfen sich andere Behörden nicht mehr äußern.
Es sei immer häufiger zu beobachten, dass Staatsanwaltschaften äußerst zurückhaltend mit Informationen seien, kritisiert der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall. „Das gilt auch und gerade für die Bundesanwaltschaft.“Eine demokratische Öffentlichkeit habe aber ein Recht auf verlässliche Fakten. „Ich sehe die Strafverfolgungsbehörden in der Verantwortung, zu einer aktiveren Information der Öffentlichkeit zurückzukehren“, folgert Überall.
Viele Ermittler, die Straftaten gerichtsfest aufklären müssen, haben eine andere Sicht. Offene Kommunikation sei zwar bei großen Einsätzen wichtig, auch um die Bevölkerung zu beruhigen, sagt der Vizechef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler. Jedoch findet es der Kriminalist „nicht unproblematisch“, wenn Medien Teilergebnisse späterer Ermittlungen aus nicht offiziellen Quellen veröffentlichen. Dabei bestehe die Gefahr, dass die Verbrechensaufklärung behindert werde. Mit Täterwissen, das an die Öffentlichkeit gelangt, könnten zum Beispiel andere Menschen in Gefahr gebracht und spätere Zeugenaussagen beeinflusst werden.
Unmut über Generalbundesanwalt
Allerdings gibt es in Ermittlerkreisen hinter vorgehaltener Hand auch Unmut über das Vorgehen des Generalbundesanwalts. Der ist erst seit gut einem Jahr im Amt und will in einem politisch so brisanten Verfahren offensichtlich nichts falsch machen. Die Bundesanwaltschaft nehme den Anspruch der Öffentlichkeit auf Informationen sehr ernst, sagt Sprecherin Köhler. Es gehe nicht darum, „dass wir das nicht wollen“. Allerdings müsse man auch verstehen, dass weder Ermittlungsansätze gefährdet noch Persönlichkeitsrechte verletzt werden dürften.