Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Waffenruhe soll Weg zum Frieden ebnen
Russland und Türkei vermitteln in Syrien
(dpa) - Russland und der Türkei ist es gelungen, eine Feuerpause für Syrien zu vermitteln. Dabei vertraten Moskau und Ankara in dem Bürgerkrieg noch bis vor Kurzem gegensätzliche Haltungen.
Erst ein gutes Jahr ist es her, da warf die türkische Regierung Russland noch „ethnische Säuberungen“in Syrien vor. Kremlchef Wladimir Putin wiederum tönte, Allah habe „die regierende Clique in der Türkei“um den Verstand gebracht. Nun haben beide Seiten eine Waffenruhe in Syrien vermittelt, die Grundlage für Friedensgespräche zwischen syrischer Opposition und Regierung in der kasachischen Hauptstadt Astana sein soll.
Die Waffenruhe sollte in der Nacht auf Freitag in Kraft treten. Gruppen, die vom UN-Sicherheitsrat als Terrorgruppen eingestuft werden, sind von der Waffenruhe ausgenommen. Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu nannte dabei die Terrormiliz Islamischer Staat und den Al-Kaida-Ableger Dschabhat Fatah al-Scham, die frühere Nusra-Front.
Die oppositionelle Syrische Nationale Koalition (SNC) rief alle Rebellengruppen dazu auf, sich an die Abmachung zu halten. Die Freie Syrische Armee werde das Abkommen befolgen, teilte die SNC mit.
Dem türkischen Außenministerium zufolge verpflichten sich die Konfliktparteien, bewaffnete Angriffe zu stoppen. Das umfasse auch Luftangriffe. Sie verpflichten sich außerdem dazu, die Gebiete unter ihrer Kontrolle nicht auszudehnen.
Treffen in Moskau
Russland und die Türkei hatten zuletzt die diplomatischen Anstrengungen um eine Lösung des Konflikts intensiviert. In der vergangenen Woche trafen sich die Außenminister beider Staaten und Irans in Moskau. Den türkischen Chefdiplomaten Mevlüt Cavusoglu brachten Geschehnisse außerhalb seiner Kontrolle in eine höchst ungünstige Ausgangslage: Als er auf dem Weg nach Moskau war, wurde der russische Botschafter in Ankara erschossen – von einem türkischen Polizisten.
Seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei an der syrischen Grenze Ende November 2015 zeigt sich aber sowieso, dass Putin in den bilateralen Beziehungen mehr Gewicht auf die Waage bringt. Erdogan musste sich nach schmerzlichen Sanktionen für den Abschuss entschuldigen, um im Sommer eine Aussöhnung in die Wege zu leiten.
Assad in Position der Stärke
Inzwischen ist nur noch wenig zu hören von Erdogans einstiger Vorbedingung für eine Lösung in Syrien: Jahrelang hatte er darauf gepocht, dass als Allererstes der „Mörder“Baschar al-Assad abtreten müsse. Am Donnerstag sagte Außenminister Cavusoglu deutlich vorsichtiger, die Türkei glaube nicht daran, dass jemand, der „600 000 Menschen getötet“habe, Syrien wieder einen könne.
Doch Baschar al-Assad geht aus einer starken Position heraus in mögliche Friedensgespräche. Der Sieg über die Rebellen in Ost-Aleppo hat seine Macht gefestigt. Die Regierung hat jetzt wieder die Kontrolle über die wichtigsten Städte des Landes. Der Großteil der Rebellen ist in der Provinz Idlib konzentriert. Dort halten sich jetzt moderate Rebellen und Islamisten Seite an Seite auf. Damit könnten Syrien und Russland im Falle des Scheiterns von Friedensgesprächen ein erneutes militärisches Vorgehen begründen.
Die von der Türkei unterstützte, deswegen aber nicht minder bedrängte gemäßigte Opposition hat kaum noch Trümpfe in der Hand. Eine Forderung nach einem Rücktritt Assads dürfte derzeit kaum Aussicht auf Erfolg haben.
Nach der gemeinsamen Erklärung bei dem Moskauer Troika-Treffen wütete Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu türkischen Medienberichten zufolge, jetzt sei klar, dass die einzige Macht in der Region Russland sei. „Daher nenne ich das die schlimmste Niederlage unserer Außenpolitik jemals.“