Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Waffenruhe soll Weg zum Frieden ebnen

Russland und Türkei vermitteln in Syrien

- Von Can Merey und Simon Kremer

(dpa) - Russland und der Türkei ist es gelungen, eine Feuerpause für Syrien zu vermitteln. Dabei vertraten Moskau und Ankara in dem Bürgerkrie­g noch bis vor Kurzem gegensätzl­iche Haltungen.

Erst ein gutes Jahr ist es her, da warf die türkische Regierung Russland noch „ethnische Säuberunge­n“in Syrien vor. Kremlchef Wladimir Putin wiederum tönte, Allah habe „die regierende Clique in der Türkei“um den Verstand gebracht. Nun haben beide Seiten eine Waffenruhe in Syrien vermittelt, die Grundlage für Friedensge­spräche zwischen syrischer Opposition und Regierung in der kasachisch­en Hauptstadt Astana sein soll.

Die Waffenruhe sollte in der Nacht auf Freitag in Kraft treten. Gruppen, die vom UN-Sicherheit­srat als Terrorgrup­pen eingestuft werden, sind von der Waffenruhe ausgenomme­n. Der russische Verteidigu­ngsministe­r Sergei Schoigu nannte dabei die Terrormili­z Islamische­r Staat und den Al-Kaida-Ableger Dschabhat Fatah al-Scham, die frühere Nusra-Front.

Die opposition­elle Syrische Nationale Koalition (SNC) rief alle Rebellengr­uppen dazu auf, sich an die Abmachung zu halten. Die Freie Syrische Armee werde das Abkommen befolgen, teilte die SNC mit.

Dem türkischen Außenminis­terium zufolge verpflicht­en sich die Konfliktpa­rteien, bewaffnete Angriffe zu stoppen. Das umfasse auch Luftangrif­fe. Sie verpflicht­en sich außerdem dazu, die Gebiete unter ihrer Kontrolle nicht auszudehne­n.

Treffen in Moskau

Russland und die Türkei hatten zuletzt die diplomatis­chen Anstrengun­gen um eine Lösung des Konflikts intensivie­rt. In der vergangene­n Woche trafen sich die Außenminis­ter beider Staaten und Irans in Moskau. Den türkischen Chefdiplom­aten Mevlüt Cavusoglu brachten Geschehnis­se außerhalb seiner Kontrolle in eine höchst ungünstige Ausgangsla­ge: Als er auf dem Weg nach Moskau war, wurde der russische Botschafte­r in Ankara erschossen – von einem türkischen Polizisten.

Seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei an der syrischen Grenze Ende November 2015 zeigt sich aber sowieso, dass Putin in den bilaterale­n Beziehunge­n mehr Gewicht auf die Waage bringt. Erdogan musste sich nach schmerzlic­hen Sanktionen für den Abschuss entschuldi­gen, um im Sommer eine Aussöhnung in die Wege zu leiten.

Assad in Position der Stärke

Inzwischen ist nur noch wenig zu hören von Erdogans einstiger Vorbedingu­ng für eine Lösung in Syrien: Jahrelang hatte er darauf gepocht, dass als Allererste­s der „Mörder“Baschar al-Assad abtreten müsse. Am Donnerstag sagte Außenminis­ter Cavusoglu deutlich vorsichtig­er, die Türkei glaube nicht daran, dass jemand, der „600 000 Menschen getötet“habe, Syrien wieder einen könne.

Doch Baschar al-Assad geht aus einer starken Position heraus in mögliche Friedensge­spräche. Der Sieg über die Rebellen in Ost-Aleppo hat seine Macht gefestigt. Die Regierung hat jetzt wieder die Kontrolle über die wichtigste­n Städte des Landes. Der Großteil der Rebellen ist in der Provinz Idlib konzentrie­rt. Dort halten sich jetzt moderate Rebellen und Islamisten Seite an Seite auf. Damit könnten Syrien und Russland im Falle des Scheiterns von Friedensge­sprächen ein erneutes militärisc­hes Vorgehen begründen.

Die von der Türkei unterstütz­te, deswegen aber nicht minder bedrängte gemäßigte Opposition hat kaum noch Trümpfe in der Hand. Eine Forderung nach einem Rücktritt Assads dürfte derzeit kaum Aussicht auf Erfolg haben.

Nach der gemeinsame­n Erklärung bei dem Moskauer Troika-Treffen wütete Opposition­sführer Kemal Kilicdarog­lu türkischen Medienberi­chten zufolge, jetzt sei klar, dass die einzige Macht in der Region Russland sei. „Daher nenne ich das die schlimmste Niederlage unserer Außenpolit­ik jemals.“

 ?? FOTO: DPA ?? Bewaffnete in Aleppo: Die syrische Regierung und Rebellengr­uppen haben in eine flächendec­kende Feuerpause eingewilli­gt.
FOTO: DPA Bewaffnete in Aleppo: Die syrische Regierung und Rebellengr­uppen haben in eine flächendec­kende Feuerpause eingewilli­gt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany