Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Kerrys Rede empört Netanjahu
Israelische Regierung setzt auf Kehrtwende der USA unter Trump
(dpa) Israel rechnet nach dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump mit einer Kehrtwende in der Nahost-Politik der USA. „Am 20. Januar nehmen wir Palästina von der Tagesordnung“, sagte der ultrarechte israelische Erziehungsminister Naftali Bennett am Donnerstag. Er reagierte damit auf eine Grundsatzrede des scheidenden US-Außenministers John Kerry zum Nahost-Konflikt. Diese verschärfte die Spannungen der Regierung von Präsident Barack Obama mit Israels Regierung weiter.
Kerry hatte am Mittwoch einen flammenden Appell an Israelis und Palästinenser gerichtet, die ZweiStaaten-Lösung nicht aufzugeben. Diese sei die einzige Möglichkeit, dauerhaft Frieden zu schaffen. „Die kommende Regierung hat signalisiert, dass sie einen neuen Weg einschlagen will, und sogar vorgeschlagen, mit der traditionellen US-Politik in der Frage der Siedlungen, Jerusalems und der Möglichkeit einer Zwei-Staaten-Lösung zu brechen“, sagte Kerry mit Blick auf die Israelpolitik des künftigen Präsidenten Trump. In diesem Fall drohe neue Gewalt in der Region, warnte der erfahrene Diplomat.
Der von Kerry wegen der Siedlungspolitik hart kritisierte israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Ansprache als „große Enttäuschung“. „Wir lassen uns von niemandem belehren“, sagte er. Aus Sicht Netanjahus ist das Kernproblem des Konflikts, dass die Palästinenser sich weigerten, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen: „Wie kann man Frieden schließen mit jemandem, der uns unser Existenzrecht abspricht?“
Unterstützung bekam Netanjahu vom künftigen US-Präsidenten Trump. „Bleib stark, Israel! Der 20. Januar kommt schnell näher!“, twitterte der Republikaner.
Bennett äußerte die Erwartung, mit Trump werde es keinen unabhängigen Palästinenserstaat geben. Der Vorsitzende der Siedlerpartei setzt sich für die Annektierung großer Teile des Westjordanlands ein.
Lob von der Opposition
Die israelische Opposition begrüßte Kerrys Worte hingegen. Oppositionsführer Isaac Herzog sagte, Kerry habe seine „echte Sorge um die Sicherheit und Zukunft Israels zum Ausdruck gebracht“.
Kerry hatte in sechs Punkten seine Vision einer Friedensregelung in dem Konflikt dargelegt und für eine Zweistaatenlösung auf Grundlage der Grenzen von 1967 mit vereinbartem Landtausch plädiert. Jerusalem solle als Hauptstadt beider Staaten dienen.
Der Außenminister sparte nicht mit deutlichen Worten an die Adresse Netanjahus. „Der israelische Ministerpräsident unterstützt öffentlich eine Zweistaatenlösung, aber seine jetzige Koalition ist die rechteste Regierung in der Geschichte des Landes und hat eine Agenda, die von den extremsten Elementen angetrieben wird.“
Beide Konfliktparteien hätten nun die Wahl, warnte Kerry. Laufe es auf einen einzigen Staat hinaus, „dann kann Israel entweder jüdisch sein oder demokratisch. Es kann nicht beides sein, und es wird sich niemals wirklich im Frieden befinden.“
Kerry scheidet am 20. Januar nach vier Jahren aus dem Amt. Er hatte als Vermittler die vorerst letzten Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern ermöglicht. Diese scheiterten im April 2014.