Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Zur Person Beschuldigte
Die Türkei, so sagte es ein Abgeordneter der Oppositionspartei CHP, ist „zur Hölle für Journalisten geworden“. Zwei, die das gerade am eigenen Leib spüren, sind Asli Erdogan und
Ahmet Sik. Beide sind als Autoren und Publizisten auch über die Türkei hinaus bekannt – und beide wurden verhaftet, weil sie der regierenden AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan ein Dorn im Auge sind.
Die Schriftstellerin Asli Erdogan schrieb als Kolumnistin für die inzwischen geschlossene pro-kurdische Zeitung „Özgür Gündem“. Die Behörden sehen das Blatt als Sprachrohr der PKK. Im August war Asli Erdogan im Zuge einer Razzia gegen die „Özgür Gündem“festgenommen worden, seitdem saß sie in Untersuchungshaft. Am Donnerstag begann in Istanbul der Prozess gegen sie und acht Mitangeklagte. Ihnen wird unter anderem Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Am ersten Prozesstag ordnete das Gericht Asli Erdogans Entlassung aus der Untersuchungshaft an, verhängte aber eine Ausreisesperre. Vor Gericht bezeichnete die Autorin die Anklage als lächerlich. Sie kündigte an, sich zu verteidigen, „als wenn es Gesetze gäbe“. Bei einem Schuldspruch droht ihr lebenslange Haft.
Am selben Tag – und ebenfalls in Istanbul – wurde Ahmet Sik verhaftet. Auch ihm wird eine Nähe zur PKK unterstellt. Laut einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu wird Sik vorgeworfen, in Beiträgen für die oppositionelle Zeitung „Cumhuriyet“türkische Geheimdienste kritisiert und Twitter-Kurzbotschaften über die PKK verbreitet zu haben.
Sik ist einer der bekanntesten türkischen Journalisten. Sein 2011 erschienenes Buch „Die Armee des Imam“zeigt auf, wie die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen die türkischen Behörden unterwanderte. Die Regierung betrachtet Gülen als Drahtzieher des Putschversuchs vom 15. Juli. Sik kritisiert aber auch die jahrelange Förderung Gülens durch die Regierungspartei AKP bis zum Bruch 2013. Als das Buch 2011 erschien, waren Gülen und die AKP noch verbündet. „Die Armee des Imam“wurde noch vor der Veröffentlichung verboten. Sik selbst saß ein Jahr in Untersuchungshaft. (sz/dpa/AFP)