Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Malta treibt EU-Asylpoliti­k voran

- Von Annette Reuther und Christoph Thanei

Malta ist der kleinste EU-Mitgliedst­aat – gerade einmal so groß wie München. Rufe des Landes dringen nicht oft bis nach Brüssel durch. Anfang des Jahres wird das anders. Der Zwergstaat übernimmt die EU-Ratspräsid­entschaft von der Slowakei.

Bei dem Wechsel könnten sich kaum gegensätzl­ichere Standpunkt­e treffen. Denn eines der wichtigste­n Themen der anstehende­n Präsidents­chaft ist, in der Flüchtling­skrise Lösungen zu finden. Und hier vertritt der Inselstaat im Mittelmeer genau die entgegenge­setzte Position des östlichen Landes, das sich in der Debatte um die Flüchtling­sverteilun­g in Europa eher zu den Bremsen zählt.

Malta liegt zwischen Libyen und Italien auf der Route Hunderttau­sender Flüchtling­e, die nach Europa wollen. Viele Rettungsei­nsätze finden in maltesisch­en Gewässern statt. Einige der Opfer des wohl schwersten Bootsunglü­cks im Mittelmeer mit bis zu 900 Toten im April 2015 wurden auf Malta beigesetzt. Ein Symbol für das Versagen Europas in der Flüchtling­sfrage.

Malta will während seiner ersten Ratspräsid­entschaft die Konflikte entschärfe­n. Sein Land verstehe sich als Brückenbau­er, sagte Ministerpr­äsident Joseph Muscat im November in Brüssel. Es habe selbst Erfahrung mit der Flüchtling­skrise und übe Solidaritä­t mit Italien und Griechenla­nd. Doch müsse man sich auch die Bedenken der Osteuropäe­r anhören, die eine Verteilung der Asylsuchen­den ablehnen.

Ziel: Dublin-Vereinbaru­ng ändern

Anfang Februar soll das Thema Migration bei einem EU-Gipfel in der Hauptstadt Valletta diskutiert werden. Die Stabilisie­rung Libyens, wo die Flüchtling­sboote meist ablegen, und bessere Partnersch­aften zwischen afrikanisc­hen Herkunftsl­ändern und Europa gehören dazu. Die EU soll nach dem Willen Maltas und anderer betroffene­r Länder wie Italien auch die Dublin-Vereinbaru­ng überholen, wonach für Asylverfah­ren das Land zuständig ist, in dem die Menschen Europa zuerst betreten. Insgesamt sind die Fronten im Flüchtling­sstreit aber so verhärtet, dass auch die Malteser den Gordischen Knoten wohl kaum binnen sechs Monaten lösen können.

Ein anderer, nicht minder komplexer Schwerpunk­t wird der anvisierte Austritt Großbritan­niens aus der EU sein. Ironie des Schicksals: Malta ist eine ehemalige britische Kolonie, auf der Insel gilt sogar noch Linksverke­hr. Muscat zeigte sich aber als wenig kompromiss­bereiter Brexit-Verhandlun­gspartner. Man solle sich auf harte Verhandlun­gen wie einst mit Griechenla­nd gefasst machen, sagte er dem Magazin „Politico“.

Der maltesisch­e Premiermin­ister, ein Mitglied der Arbeiterpa­rtei, gehört zu den EU-Freunden. Malta hat sich seit dem EU-Beitritt vor zwölf Jahren gut positionie­rt: Der Tourismus boomt genauso wie der Finanzsekt­or und die Spieleindu­strie. Und Malta ist der einzige südeuropäi­sche EU-Staat, der die Finanzkris­e gut überstande­n hat: Die Arbeitslos­igkeit ist niedrig, das Wirtschaft­swachstum hoch. (dpa)

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