Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Malta treibt EU-Asylpolitik voran
Malta ist der kleinste EU-Mitgliedstaat – gerade einmal so groß wie München. Rufe des Landes dringen nicht oft bis nach Brüssel durch. Anfang des Jahres wird das anders. Der Zwergstaat übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft von der Slowakei.
Bei dem Wechsel könnten sich kaum gegensätzlichere Standpunkte treffen. Denn eines der wichtigsten Themen der anstehenden Präsidentschaft ist, in der Flüchtlingskrise Lösungen zu finden. Und hier vertritt der Inselstaat im Mittelmeer genau die entgegengesetzte Position des östlichen Landes, das sich in der Debatte um die Flüchtlingsverteilung in Europa eher zu den Bremsen zählt.
Malta liegt zwischen Libyen und Italien auf der Route Hunderttausender Flüchtlinge, die nach Europa wollen. Viele Rettungseinsätze finden in maltesischen Gewässern statt. Einige der Opfer des wohl schwersten Bootsunglücks im Mittelmeer mit bis zu 900 Toten im April 2015 wurden auf Malta beigesetzt. Ein Symbol für das Versagen Europas in der Flüchtlingsfrage.
Malta will während seiner ersten Ratspräsidentschaft die Konflikte entschärfen. Sein Land verstehe sich als Brückenbauer, sagte Ministerpräsident Joseph Muscat im November in Brüssel. Es habe selbst Erfahrung mit der Flüchtlingskrise und übe Solidarität mit Italien und Griechenland. Doch müsse man sich auch die Bedenken der Osteuropäer anhören, die eine Verteilung der Asylsuchenden ablehnen.
Ziel: Dublin-Vereinbarung ändern
Anfang Februar soll das Thema Migration bei einem EU-Gipfel in der Hauptstadt Valletta diskutiert werden. Die Stabilisierung Libyens, wo die Flüchtlingsboote meist ablegen, und bessere Partnerschaften zwischen afrikanischen Herkunftsländern und Europa gehören dazu. Die EU soll nach dem Willen Maltas und anderer betroffener Länder wie Italien auch die Dublin-Vereinbarung überholen, wonach für Asylverfahren das Land zuständig ist, in dem die Menschen Europa zuerst betreten. Insgesamt sind die Fronten im Flüchtlingsstreit aber so verhärtet, dass auch die Malteser den Gordischen Knoten wohl kaum binnen sechs Monaten lösen können.
Ein anderer, nicht minder komplexer Schwerpunkt wird der anvisierte Austritt Großbritanniens aus der EU sein. Ironie des Schicksals: Malta ist eine ehemalige britische Kolonie, auf der Insel gilt sogar noch Linksverkehr. Muscat zeigte sich aber als wenig kompromissbereiter Brexit-Verhandlungspartner. Man solle sich auf harte Verhandlungen wie einst mit Griechenland gefasst machen, sagte er dem Magazin „Politico“.
Der maltesische Premierminister, ein Mitglied der Arbeiterpartei, gehört zu den EU-Freunden. Malta hat sich seit dem EU-Beitritt vor zwölf Jahren gut positioniert: Der Tourismus boomt genauso wie der Finanzsektor und die Spieleindustrie. Und Malta ist der einzige südeuropäische EU-Staat, der die Finanzkrise gut überstanden hat: Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, das Wirtschaftswachstum hoch. (dpa)