Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Das neue Jahr wird eine Sekunde länger

In der Silvestern­acht könnte dadurch die Technik aus dem Tritt geraten

- Von Rebecca Krizak

(dpa) - Gleich die erste Stunde des neuen Jahres wartet mit einer gewissen Extravagan­z auf: Statt der üblichen 3600 Sekunden wird die erste Stunde des Jahres 2017 genau eine Sekunde mehr haben – die Silvesterp­arty dauert also ein bisschen länger. Die sogenannte Schaltseku­nde soll die Zeit der hochpräzis­en Atomuhren und die Erdrotatio­n wieder besser in Einklang bringen. Die Technik könnte bei der Umstellung allerdings aus dem Tritt geraten.

Was passiert in der Silvestern­acht?

Am 1. Januar wird weltweit zum gleichen Zeitpunkt eine Extra-Sekunde eingeschob­en. Um 00:59:59 Uhr unserer Zeit folgt nicht wie sonst 1:00:00, sondern 00:59:60 und dann erst 1:00:00. So eine Schaltseku­nde gibt es seit 1972 in unregelmäß­igen Abständen alle paar Jahre. Im neuen Jahr findet sie zum 27. Mal statt.

Warum gibt es die Schaltseku­nde überhaupt?

Grob gesagt, dreht sich die Erde in 24 Stunden einmal um sich selbst. Ganz genau betrachtet, braucht sie für diese Umdrehung jedoch ein ganz kleines bisschen länger. Damit die Atomuhren, die weltweit die Zeit vorgeben, auch weiterhin parallel zum Tag-Nacht-Rhythmus der Erdrotatio­n laufen und beides nicht irgendwann auseinande­rklafft, muss diese kleine Ungenauigk­eit hin und wieder ausgeglich­en werden. Langfristi­g betrachtet würde die Sonne in ein paar Millionen Jahren sonst erst am Mittag aufgehen.

Wer kümmert sich um die Umstellung?

Wann weltweit eine Extra-Sekunde eingeschob­en wird, entscheide­t der Erdrotatio­nsdienst IERS. Mitarbeite­r des IERS in Frankfurt messen und überwachen die Drehung der Erde. Alle anderthalb bis zwei Jahre entscheide­n sie, eine Schaltseku­nde einzufügen. „Die Erde dreht sich ungleichmä­ßig schnell“, erklärt Andreas Bauch von der Physikalis­ch-Technische­n Bundesanst­alt (PTB) in Braunschwe­ig. „Deshalb findet auch die Schaltseku­nde nicht regelmäßig statt.“Damit die Uhren in Deutschlan­d auch nach der Schaltseku­nde richtig ticken, sendet die PTB über einen Sender ein Signal an alle Funkuhren. Das sorgt dafür, dass in der Nacht Millionen Uhren automatisc­h um eine Sekunde zurückspri­ngen. Auch die Zeitsignal­e, die per Telefon und Internet verbreitet werden, berücksich­tigen die Schaltseku­nde.

Welche Auswirkung­en hat die Schaltseku­nde?

Dass der Mensch von der Umstellung etwas bemerkt, ist unwahrsche­inlich – Träger von Armbanduhr­en werden also wenig bemerken. Auch die meisten anderen Uhren werden den Sprung wohl gut bewältigen. Probleme könnte es dagegen bei einigen Konzernen geben. Betroffen davon sind zum Beispiel die Systeme von Telekommun­ikationsun­ternehmen, die ihre Angebote sekundenge­nau abrechnen, oder Betreiber von Hochspannu­ngsnetzen, die im Mikrosekun­denbereich arbeiten. Bei der Schaltseku­nde 2012 wurden mehrere Webseiten lahmgelegt. Bei der australisc­hen Fluggesell­schaft Quantas fiel das Buchungssy­stem aus. Bei einer Umstellung im Jahr 2015 lief dagegen alles glatt.

Gibt es Alternativ­en zur Schaltseku­nde?

Es gibt einige Kritiker, die die Abschaffun­g der Schaltseku­nde fordern. Russland und Großbritan­nien wollen sie unter allen Umständen beibehalte­n, die USA und Japan lieber darauf verzichten. Statt alle paar Jahre eine Sekunde einzustreu­en, fordern manche Zeit-Experten eine Schaltminu­te, die man deutlich seltener bräuchte. Zeit-Experte Andreas Bauch hält den Vorschlag allerdings für „bizarr“. „Wenn eine Schaltseku­nde manchem schon Probleme bereitet, wäre eine Schaltminu­te doch noch viel schlimmer“, meint er.

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FOTO: DPA Eine Atomuhr in der Physikalis­ch-Technische­n Bundesanst­alt (PTB) in Braunschwe­ig – von hier wird bei der Umstellung zum Jahreswech­sel ein Signal an alle Funkuhren gesendet.

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