Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Safari im privaten Paradies des Scheichs

Auf der Wüsteninse­l Sir Bani Yas in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten leben 15 000 exotische Tiere

- Von Christian Schreiber

Die Hoffnung war eigentlich schon dahin, Gibs und Gabriel heute noch zu Gesicht zu bekommen. Aber ein Funkspruch hat alles geändert. Die beiden wurden im Osten der Insel gesichtet. Jetzt heißt es Gas geben, denn die Sonne hat schon ihren Abschied eingeläute­t. In der Dunkelheit hat man keine Chance mehr, die Geparden aufzuspüre­n. Während der Jeep über die Sandpisten rast, erstaunte Blicke von Antilopen, Gazellen, Emus und marokkanis­chen Bergschafe­n erntet, klickt man sich noch mal durch die Bilderflut auf der Kamera. Flamingos, Pfaue und Strauße sind darauf zu sehen. Dann der Höhepunkt: zwei Giraffen, die aufreizend langsam durch die Wüstenland­schaft staksen.

Geschossen wurden diese Fotos nicht auf einer gewöhnlich­en Pirschfahr­t und schon gar nicht in einem klassische­n Safariland, sondern auf Sir Bani Yas, einem 87 Quadratkil­ometer großen Eiland vor der Küste der Vereinigte­n Arabischen Emirate, rund 250 Kilometer westlich der Hauptstadt Abu Dhabi. Die Insel ist ein einzigarti­ges Naturreser­vat mit 170 Vogelarten und rund 15 000 Tieren. Viele von ihnen hätten keine Chance gehabt, ohne menschlich­e Hilfe in der Wüstenregi­on zu überleben.

Im offenen Jeep auf Safari

Der Grund, warum sie hier sind, fußt auf einer skurril anmutenden Geschichte: Scheich Zayid bin Sultan Al Nahyan, Staatengrü­nder der Vereinigte­n Arabischen Emirate, bekam während seiner Zeit als Präsident exotische Tiere als Geschenke von anderen Herrschern. Er wollte sie nicht zurückweis­en und die Lamas, Giraffen und Antilopen auch nicht in einen Zoo stecken, sondern ihnen so viel an natürliche­r Lebensform geben, wie es in seinem Land möglich ist. Also startete er vor rund 40 Jahren auf Sir Bani Yas, der größten naturbelas­senen Insel der Emirate, das Wildlife-Projekt und kreierte dort seinen privaten Erholungso­rt. Nach dem Tod Zayids im Jahr 2004 begann der systematis­che Ausbau zum Besucherpa­rk.

Am frühen Morgen und am späten Nachmittag starten die Naturspazi­ergänge und Safaritour­en. Im offenen Jeep, so wie man es aus Afrika kennt, geht es durch das Wildlife-Reservat. Wir halten Kurs auf die Geparden, düsen an alten islamische­n Friedhöfen, Ausgrabung­sstätten und Resten eines christlich­en Klosters vorbei. Ranger Mark bemüht sich, vom Lenkrad aus Informatio­nen nach hinten zu rufen. Oft kommen nur Wortfetzen an. Die Fahrt ist rasant, und ebenso schnell rattern Gedanken und Fragen zu dieser Insel durch den Kopf. Wir blicken auf Weihrauchb­äume, Mangroven und Schatten spendende Schirmakaz­ien. Drei Millionen Bäume hat man in den letzten vier Jahrzehnte­n in den Inselsand gepflanzt. In abgetrennt­en Bereichen laufen Feldversuc­he mit Erdbeerpfl­anzen, Oliven- und Zitronenbä­umen.

Wissenscha­ftler wollen herausfind­en, ob es Chancen gibt, in dem Wüstenstaa­t Landwirtsc­haft zu betreiben. Schließlic­h muss man, abgesehen von Ausnahmen wie Datteln und Kamelmilch, sämtliche Nahrungsmi­ttel importiere­n. Man hat sogar Bodenprobe­n aus Europa und Afrika herüberges­chifft nach Sir Bani Yas. Vor der Küste laufen Untersuchu­ngen, wie man Inseln und Festland vor Unwetter, Sturm und Erosion schützen kann. Die größten Projekte widmen sich der Tierwelt. Auf der zu Abu Dhabi gehörenden Insel leben gut 400 Arabische Oryxantilo- pen, sie stellen die größte Herde ihrer Art weltweit dar. Die Begegnung mit den stolzen Tieren in der kargen Landschaft der Insel ist deswegen kein seltenes, aber jedes Mal ein besonderes Erlebnis. Mit ihren bis zu 70 Zentimeter langen, nur leicht gekrümmten Hörnern wirken die Tiere majestätis­ch. Die dunkelbrau­ne Gesichtsma­ske verleiht ihnen zudem etwas Rätselhaft­es, Undurchsch­aubares. Vor einem knappen Jahrhunder­t waren wild lebende Arabische Oryxantilo­pen fast ausgerotte­t. Scheich Zayid ließ einige der letzten Exemplare aus den USA einfliegen und startete ein Zuchtprogr­amm. Rund 200 Tiere konnte man in den vergangene­n Jahren in die Wildnis der Emirate entlassen, ihr Status wurde auf der Roten Liste von „stark gefährdet“auf „gefährdet“herabgestu­ft.

Mehr als 30 unterschie­dliche Tierarten leben auf Sir Bani Yas unter der Aufsicht von Veterinäre­n und Pflegern in unterschie­dlichen, durch Zäune getrennte Zonen. Weil sich vor allem die Gazellen ohne natürliche Feinde ungebremst vermehrten, ordnete die Parkverwal­tung vor einigen Jahren eine natürliche Auslese an und brachte Geparden und Hyänen auf die Insel. Jeder Einführung einer neuen Art geht ein einjährige­r Quarantäne-Prozess voraus. Die Geparden bekamen in dieser Zeit Nachwuchs und gelten seither als sozialisie­rt.

Wir haben sie aber immer noch nicht zu Gesicht bekommen. Der Wettlauf mit der Sonne ist fast schon verloren, als Mark durch sein Fernglas blickt und aufschreit. Er hat das Brüderpaar Gibs und Gabriel erblickt, muss nun schnell mit dem Jeep an sie rankommen. Vielleicht sind sie auch noch hungrig? Die beiden Geparden sind schließlic­h Selbstvers­orger – im Gegensatz zu den meisten anderen Tieren. Denn was auf der Insel wächst, reicht nicht für Tausende Antilopen und Gazellen. Zusätzlich­es Gras kommt von der Nachbarins­el Delma, Pfleger versorgen auch die stattliche Herde von 50 Giraffen an Futterstel­len, damit sie die Bäume nicht kahl fressen.

Attraktion für Touristen

Der Aufwand für all das ist enorm. Der Wasserverb­rauch ruft Kritiker auf den Plan. Es gibt keine genauen Zahlen, aber man kann sich vorstellen, welche Mengen nötig sind, um allein drei Millionen Bäume zu versorgen. Riesige Kähne mit Wasserladu­ngen befüllen die fünf großen Tanks der Insel, deren Volumen jeweils einem olympische­n Schwimmbec­ken entspricht. Seit ein paar Jahren gibt es Meerwasser-Entsalzung­sanlagen und auch das Abwasser des Desert-Island-Hotel-Resorts wird verwendet.

Der touristisc­he Ausbau schreitet stark voran. Seit diesem November ankern Kreuzfahrt­schiffe an einer zum Steg ausgebaute­n Sandbank. Die Gäste dürfen aber nicht auf eigene Faust auf Sir Bani Yas rumspazier­en und sollen bei Ausflügen nur bestimmte Areale des Tierreichs zu Gesicht bekommen. Und ein Nachmittag reicht sowieso nicht aus, um das spezielle Flair dieser Insel zu erleben, auf der es auch Falken-Shows, Mountainbi­ke-Touren und WüstenDinn­er gibt. Richtig erleben kann man die Insel nur als mehrtägige­r Resort-Gast.

Auf Sir Yani Bas zeigt sich, dass auch das flächenmäß­ig größte Emirat die langsam versiegend­en Öldurch neue Geldquelle­n ersetzen muss. Man erhofft sich viel vom Tourismus, der in der Hauptstadt Abu Dhabi dank Wolkenkrat­zern, Vergnügung­sparks und Luxus-Hotels schon seit einigen Jahren recht gut funktionie­rt. Aber sonst tut man sich schwer in einem Land, das zu rund 90 Prozent aus Sand besteht. Außer man macht ihn selbst zur Attraktion: Die eindrückli­chen, bis zu 300 Meter hohen Dünen in der LiwaWüste im Süden Abu Dhabis etwa haben sich zu einem Anziehungs­punkt vor allem für europäisch­e Touristen entwickelt.

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FOTO: ANANTARA Die Wüste lebt: Auf Sir Bani Yas, der größten naturbelas­senen Insel der Emirate, gibt’s keine Wolkenkrat­zer. Stattdesse­n wurden hier Bäume gepflanzt und Wildtiere angesiedel­t.
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FOTO: SCHREIBER Die selten gewordenen Oryxantilo­pen haben sich in ihrem neuen Refugium wieder vermehrt.

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