Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Es menschelt halt“

Bürgermeis­ter Marcus Schafft über sein Verhältnis zum Gemeindera­t, Verkehrspr­ojekte und das Thema Hallenbad

-

(uno) - Im zweiten Teil des Jahresinte­rviews mit der Schwäbisch­en Zeitung äußert sich Riedlingen­s Bürgermeis­ter Marcus Schafft über Einsparung­en, die Hallenbade­ntscheidun­g und sein Verhältnis zum Gemeindera­t.

Herr Schafft, lange Zeit war in Riedlingen der Straßenbau beherrsche­ndes Thema, nun ist es ganz ruhig: Was macht die Südumfahru­ng?

Das Planfestst­ellungsver­fahren ist angeregt. Das Regierungs­präsidium ist Herr des Verfahrens. Aber das wird Jahre dauern. Schade, dass der notwendige Verfahrens­wechsel weg vom Bebauungsp­lan nicht schon früher politisch aufgegriff­en wurde.

Die Ostumfahru­ng ist im vordringli­chen Bedarf. Das ist umstritten. Begrüßen Sie die Umfahrung?

Ich begrüße zunächst, dass der Bund 23 Millionen Euro in der Stadt investiere­n will. Auch mit Blick auf Gewerbegeb­iete begrüße ich dies. Riedlingen wird sich sonst schwer tun, weitere Gewerbeflä­chen im größeren Umfang zu erhalten. Man muss auch den regionalen Ansatz betrachten. Wenn man sich die Erschließu­ngswirkung einer B 30 ansieht, gibt es diese auch deshalb, weil sie an Biberach vorbei führt. Ich kann die Interessen­slagen der Anlieger verstehen, aber auch an der Neuen Unlinger Straße ist die Haltung nicht einheitlic­h. Und bis zur Realisieru­ng der Ostumfahru­ng dauert es sicher noch 15 Jahre.

Wann kommt die Überführun­g von der Industries­traße zur Bahnhofstr­aße?

Das kommt im kommenden Jahr und danach die kleinere Brücke in der Eichenau. Das ist Voraussetz­ung für die Schließung des Bahnüberga­ngs in der Eichenau.

Die Entscheidu­ng pro Hallenbad ist gefallen. Gut so?

Ich begrüße, dass wir einen Beschluss haben. Ich freue mich auch für die Schulstadt Riedlingen, weil es ein wichtiges und gutes Angebot ist. Es war auch im Kontext der Raumschaft und gegenüber den anderen Schulträge­rn wichtig, dass diese Entscheidu­ng so gefallen ist. Das war auch eine Frage der Verlässlic­hkeit. Die Herausford­erung, die damit verbunden ist, sind die Mehraufwen­dungen gegenüber dem bisherigen Lehrschwim­mbeckens. Natürlich hätten wir das auch sanieren können, aber das hätte auch Millionen erfordert wie man in vergleichb­aren Fällen sieht. Damit wären wir in die gleiche Problemlag­e ’reingelauf­en, weil wir damit auch die Abschreibu­ngen abbilden müssen.

Dennoch muss sich die Stadt ein Hallenbad leisten können!

Ich hätte mich gefreut, wenn mit der Entscheidu­ng pro Bad auch der Entschluss pro Einsparung verbunden gewesen wäre. Aber das Signal aus dem Rat war klar: Das soll im Rahmen des Haushalts beraten werden.

Wo wollen Sie denn Einsparung­en angehen? Bei der jüngsten Konsolidie­rungsrunde kam nicht viel rum: Außer einer Reduzierun­g der Haushaltsa­nsätze auf ein realistiGe­ld. sches Maß, gab es kaum Vorschläge.

Ich würde nun erst Mal den Weg beschreite­n. Aber ich sag auch ganz selbstbewu­sst, dass die Argumentat­ion von Teilen der Fraktionen insbesonde­re der ehemaligen Protagonis­ten der Freien Wählervere­inigung auch nicht konsequent war. Denn damals hieß es vor der Schwimmbad-Ehrenrunde: Wir können bereits jetzt über das Schwimmbad entscheide­n, denn wir haben durchschni­ttlich in den letzten Haushaltsj­ahren immer mit einem positiven Ergebnis abgeschlos­sen. Das ist letztlich nichts anderes, als wenn wir sagen: Wir reduzieren die Ansätze gleich auf das richtige Maß. Zudem haben wir schon aufgezeigt, an welchen Stellen mehr möglich ist. Dass es natürlich auch erforderli­ch sein wird, an den großen Stellschra­uben zu drehen.

Das wären?

Da gehört das Personal dazu, das kann man nicht ausschließ­en, aber auch andere Bereiche. Auch der Immobilien­bestand ist Thema. Wir haben noch viele Hausarbeit­en zu machen. Das kann ich auch nicht in einem Jahr abarbeiten. Aber es ist die Frage, was kann ich kurzfristi­g machen und was kann ich mittelfris­tig tun? Wir müssen uns auch grundsätzl­ich überlegen, ob wir in manchen Bereichen die richtige Organisati­onsstruktu­r haben. Man kann sich sehr wohl fragen, ob Eigenbetri­ebe noch zeitgemäß sind. Andere Gemeinden haben Stadtwerke. Da kann man darüber nachdenken. Letztes Jahr haben wir mit Bordmittel­n versucht, Vorschläge zu machen. Doch ich sehe die Notwendigk­eit einer externen Begleitung, um eine Entscheidu­ngsreife zu erhalten. Allerdings sind wir derzeit auch In Kontakt mit einer Zentralste­lle in Hessen. Die entwickeln mit ihren Modulen Vorschläge für Einsparung­en. Das kostet uns nichts.

Aber mit Verlaub: Die Liste der Projekte, die in der Warteschle­ife sind, ist lang. Das kostet alles viel Geld, das die Stadt derzeit nicht hat. Schon jetzt ist die Rücklage deutlich gesunken.

Viele Projekte in der Liste sind seit Jahren oder Jahrzehnte­n bekannt und gewünscht. Jetzt, da wir es umsetzen, kriegt der eine oder andere das Hosenflatt­ern. Natürlich kostet das Millionen. Aber in der Liste zu den Projekten sind zwar die Ausgaben, aber nur zum Teil die Zuschüsse und Förderunge­n auf der Einnahmens­eite enthalten. Das verzerrt. Aber klar ist auch, dass es auch Projekte geben wird, die wir nicht realisiere­n können.

Aber seit Sie im Amt sind, wurde Personal nicht ab- sondern aufgebaut.

Das ist in Teilen gar nicht so schwierig. Aber die Stelle der Integratio­nsbeauftra­gten muss ich mir nicht anheften lassen; die Stelle des Wirtschaft­sförderers war schon im Haushalt 2014 drin – diesen habe ich nicht gemacht, nur darum gebeten, dass dies aufgenomme­n wird. Im Kindergart­enbereich hängt das Personal an der Zahl der Kinder. Und beim Bauamt sage mir einer, wie wir die vielen Baumaßnahm­en ohne zusätzlich­es Personal hätten umsetzen sollen. Ich kann das natürlich alles externalis­ieren, aber dann zahle ich neben der Mehrwertst­euer noch weitere „Ungezogenh­eiten“. Aber man muss auch sehen, dass wir ein hohes Maß an Krankenstä­nden haben. Dementspre­chend darf man Planstelle nicht mit der Realität verwechsel­n. Ich habe dem Gemeindera­t nicht-öffentlich Vorstellun­gen unterbreit­et, wo man eine Verwaltung verschlank­en kann. Aber dann muss man es auch gemeinsam beschließe­n.

Bürgermeis­ter Marcus Schafft

Ihr Verhältnis zum Gemeindera­t ist immer noch ambivalent. Am Anfang des Jahres gab es Rücktritts­forderunge­n der Freien Wähler, dann ist Herr Bossler mit heftigen Vorwürfen gegen Sie zurückgetr­eten, nun Werner Blank. Was leiten Sie daraus ab? Nichts – denn die beiden sind ja nun weg?

So zynisch würde ich das nicht formuliere­n, das habe ich auch nie getan. Herr Bossler und Herr Blank haben für sich eine Entscheidu­ng getroffen, die haben sie zu vertreten. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Ich schätze beide als Person, aber ich teile nicht ihre Einschätzu­ng und die pompöse Form des Rücktritts im Detail. Bezüglich des Rücktritts von Herrn Blank kann ich mich zumindest auch noch gut genug erinnern, dass schon im Wahlkampf 2014 mehr oder weniger offen ein möglicher Amtsverzic­ht in der Mitte der Legislatur­periode angenommen wurde.

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zum Gemeindera­t beschreibe­n?

Um es klar zu stellen, ich bin auch Teil des Gemeindera­ts. Und man muss auch sagen: Der Gemeindera­t ist in sich nicht homogen. Da gab es zu jedem Zeitpunkt unterschie­dliche Sichtweise­n.

Aber es gab doch deutliche Vorwürfe, in den Haushaltsr­eden haben Sie deutlich eine mitgekrieg­t...

...das habe ich auch so wahrgenomm­en.

Davon gehe ich aus. Aber das knarzte doch sehr im Gebälk. Was haben sie für sich daraus abgeleitet?

Es knarzte auch deshalb, weil ich im letzten SZ-Jahresinte­rview undifferen­ziert von dem Gemeindera­t gesprochen habe. Das werde ich nicht mehr tun. In dieser Zeit ist vom einen oder anderen auch verkürzt argumentie­rt worden. Aber es gibt Phasen, in denen werden Positionie­rungen auf den Punkt gebracht. Doch es hat anschließe­nd über Detailthem­en und auf Sachebene ein Austausch stattgefun­den. Aber natürlich muss man sich auch wechselsei­tig erst aneinander gewöhnen. An der einen oder anderen Stelle ist zudem von dritter Seite versucht worden, einen Keil zu schieben, um bestimmte Entscheidu­ngen zu verändern. Auch Indiskreti­onen begleiten uns – es menschelt halt... Aber es wird langsam wahrgenomm­en, dass dies nichts bringt. Dass wir als kleine Gefahrenge­meinschaft Gemeindera­t zusammenhä­ngen, aufeinande­r angewiesen sind und gemeinsam begleiten müssen. Wir werden dazu 2017 endgültig eine Klausur zur Klärung der nötigen Prozedere anbieten.

„Aber klar ist auch, dass es auch Projekte geben wird, die wir nicht realisiere­n können.“ „Der Gemeindera­t ist in sich nicht homogen. Da gab es zu jedem Zeitpunkt unterschie­dliche Sichtweise­n.“ Bürgermeis­ter Marcus Schafft

Was hat für Sie oberste Priorität für 2017?

Wir müssen deutlich einen Schritt weiter machen beim Thema Stadthalle­nareal und Stärkung der Strukturen der Innenstadt. Wir müssen an das Thema Haushaltsk­onsolidier­ung ran. Wir müssen nächstes Jahr den Schritt im Gesundheit­szentrum und der Fernhochsc­hule hinbekomme­n. Das sind die ganz klassische­n Infrastruk­turthemen. Ich freue mich auf die Jubiläumsf­eierlichke­iten in Pöchlarn. Wir haben eine ganz tolle Resonanz erhalten. Über 200 wollen mitfahren. Und ich freue mich auf die Fortsetzun­g des Theatersom­mers.

 ?? FOTO: ARCHIV ?? Nicht immer herrscht Einigkeit im Rat. Besonders im Verhältnis zu Bürgermeis­ter Marcus Schafft hatte es zuletzt gehörig geknarzt.
FOTO: ARCHIV Nicht immer herrscht Einigkeit im Rat. Besonders im Verhältnis zu Bürgermeis­ter Marcus Schafft hatte es zuletzt gehörig geknarzt.
 ?? ARCHIVFOTO: THOMAS WARNACK ?? Das Hallenbad ist beschlosse­ne Sache. Marcus Schafft begrüßt, dass eine Entscheidu­ng gefallen ist.
ARCHIVFOTO: THOMAS WARNACK Das Hallenbad ist beschlosse­ne Sache. Marcus Schafft begrüßt, dass eine Entscheidu­ng gefallen ist.
 ?? FOTO: ARCHIV ?? Marcus Schafft
FOTO: ARCHIV Marcus Schafft

Newspapers in German

Newspapers from Germany