Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der rosarote Electrofant
Die Band Fraktus II hat im schwäbischen Scheer das schräge Album „Optische Täuschung“aufgenommen
Dinge gibt es, die gibt’s gar nicht: Die 80er-Jahre-Band Fraktus etwa. Die Hamburger Comedy-Truppe Studio Braun hatte sie einst erfunden – und dazu gleich auch noch eine Geschichte, die den Kultstatus der vermeintlichen Elektropop-Combo aus Brunsbüttel untermauern sollte: Techno hatte Fraktus demnach en passant erfunden, um direkt danach im Jahr 1983 mir nichts dir nichts spurlos von der Bildfläche zu verschwinden.
Wieder aufgetaucht ist Fraktus dann 2012: Die Jungs von Studio Braun – Heinz Strunk, Rocko Schamoni und Jacques Palminger – veröffentlichten einen Film über die natürlich ebenso fiktive Rückkehr der Phantom-Band: „Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte“hieß das Werk, es war eine sogenannte Mockumentary.
Dieses Jahr ging der Spaß in die zweite Runde in Form eines real greifund hörbaren Albums: „Optische Täuschung“(Klangbad). Vom StudioBraun-Trio ist vier Jahre später tatsächlich nur noch Palminger, diesmal unter seinem Alias-Namen Bernd Wand, dabei. Im schwäbischen Studio von Hans-Joachim Irmler, dem Urmitglied und Orgelspieler der legendären Krautrocker Faust, hat Wand mit seiner „Mutter“Margit Wand – dahinter verbirgt sich Margit Laue – und dem Hamburger Soundtüftler Carsten Meyer, der wiederum besser als Erobique bekannt ist, eine völlig abgedrehte Platte aufgenommen: voller Samples, Gefiepe sowie Geklimper. Und sogar mit Irmlers Orgelkadenzen.
Eine Woche Wahnsinn
In der fiktiven Bandbiografie heißt es zur Entstehung des Werks im Faust-Studio im Örtchen Scheer im Landkreis Sigmaringen: „Direkt an der Donau gelegen gibt es dort zwischen Schrottplatz und Naturschutzgebiet die perfekte Umgebung für eine Woche Wahnsinn. Die Klangkette besteht aus einer Roland System 100 Sequenzer Einheit, einem Wasp Synthesizer, einem HohnerPianet und einem Copicat Bandecho. Die Geräte pluckern los und Carsten dreht eine experimentelle NDW-Frikadelle nach der anderen aus dem Wolf.“Dazu kommt dann der Sprechgesang von Margit und Bernd, also Laue und Palminger.
In dieser Woche Wahnsinn entstand ein schräges Album voller musikalischer Schleifen und sprudelnder Wortkaskaden. Textauszüge gefällig? „Du bist in den Urlaub gefahren und hast deine Schildkröte vergessen. Bist du zurückkommst, ist das Aquarium ausgetrocknet.“Oder auch: „Gute Besserung. Ich habe dir das Bild eines Igels mitgebracht, schau mal wie er lacht.“Und noch skurriler: „Nimm die Schrägoletten, die LED-Tabletten.“Klingt irgendwie nach Helge Schneider. Die Musik dazu ist weitaus weniger durchgeknallt. Es ist vor allem zum Ende des nicht einmal 30-minütigen Werks recht entspannter Electro-Pop. Insgesamt ist die Platte ebenso ambitioniert wie amüsant, allzu oft auflegen wird man sie – bei aller Sympathie für die Idee dahinter – wohl eher nicht. Margit Wand schleudert dem Konsumenten des Albums jedenfalls auch folgende Fragen entgegen: „Was heißt das? Ich versteh dich nicht? Was soll das? Was meinst du damit?“Dies erschließt sich tatsächlich selbst dem geneigten Hörer nicht wirklich. Aber womöglich soll und muss er ja tatsächlich auch nicht alles verstehen.
Wundersam schönes Schlaflied
Im schönen Scheer dürften die Musiker in diesem Sommer jedenfalls viel Spaß gehabt haben bei der Einspielung. Das abschließende Schlaflied „Rosa Elefanten“ist übrigens tatsächlich wundersam schön geworden. Was auch für das Cover mit dem rosaroten Dickhäuter gilt, einem Linolschnitt der Künstlerin Monika Nuber aus Stuttgart. Die Kollegen vom „Musikexpress“nennen das Album „Optische Täuschung“Dada-GagaElectronica. Das trifft es ganz gut. Und vielleicht wird aus dem rosaroten Electrofanten in vier Jahren ja wieder ein völlig anderes Tier. Oder es gibt wieder einen Film. Oder einfach Fraktus III.